Das Grab ist leer – und wir selbst stehen davor!
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Impuls von Pater Philipp König
"Das Grab ist leer, der Held erwacht..." - so tönt es in diesen Tagen wieder landauf, landab in unseren Ostergottesdiensten. Die Botschaft vom leeren Grab ist für viele der eigentliche Anlass, in den Osterjubel einzustimmen.
Doch wenn ich den Bericht im Evangelium nachlese, ist mir zunächst so gar nicht nach Jubel zumute. Da ist etwa Maria Magdalena: Sie, die ohnehin schon von tiefer Trauer über den Tod Jesu erfüllt ist, muss nun auch noch feststellen, dass ihr nicht einmal sein Leichnam geblieben ist, um ihn in aller Ruhe ein letztes Mal zu beweinen. Der Schock spricht ihr aus der Seele: "Man hat den Herrn aus dem Grab weggenommen und wir wissen nicht wohin man ihn gelegt hat." Auch die beiden Jünger reagieren eher verstört, wenn sie Hals über Kopf zum Grab rennen. Sie finden es in der Tat leer vor, von Jesus geblieben sind bloß die Leinenbinden und das Schweißtuch. Auch wenn es von dem einen Jünger schließlich heißt: "Er sah und glaubte", so lese ich insgesamt doch eher Bestürzung und Panik heraus als Auferstehungsfreude und Siegesgewissheit.
Doch ist nicht genau das ganz häufig auch unsere Situation? Wie oft stehen auch wir vor offenen Gräbern! Wie oft erleben wir uns ohnmächtig angesichts des Sterbens und des vielfachen Todes! Gerade in diesen österlichen Tagen wird vielen von uns noch deutlicher bewusst, wie sehr geliebte Menschen fehlen. Und da ist so vieles, was wir – im übertragenen Sinn – "zu Grabe tragen": gescheiterte Lebensträume, enttäuschte Sehnsüchte, zerbrochene Beziehungen... Ich denke an diejenigen, die um Familienangehörige trauern, oder deren Lebensplan plötzlich durch einen schweren Schicksalsschlag durchkreuzt wurde.
Grabesstille statt Osterjubel? In vielem erinnert mich diese Stimmung sehr an die derzeitige Situation unserer Kirche: Das entsetzliche Leid, das unschuldigen Menschen durch Missbrauch von Dienern der Kirche zugefügt wurde. Der oft mangelhafte Umgang damit, der das Leid der Betroffenen im Nachgang noch vergrößert. All das macht mich und viele sprachlos. Es bleiben Scham, Wut und das Gefühl der Ohnmacht. Wie soll es weitergehen? Bislang ist es der Kirche zu selten gelungen, den Betroffenen angemessen Gehör zu schenken und ihnen endlich zu ihrem Recht zu verhelfen. Viele Strukturen, die Missbrauch begünstigen, wurden noch nicht nachhaltig genug umgebaut. Manchmal ist es, als stünden wir auch als Kirche an einem offenen Grab und blickten in die gähnende Leere eines tiefen, dunklen Lochs.
Auch wenn alle vier Evangelien einhellig das leere Grab bezeugen, so ist dies doch noch nicht der eigentliche und letzte Anlass zur Osterfreude. Vielmehr sind es die Erscheinungen des Auferstandenen, durch welche die Osterbotschaft zum Durchbruch kommt. Maria Magdalena und die Jünger werden Jesus sehen, mit ihm sprechen, seine Lebendigkeit erfahren. Doch noch blicken sie in die dunkle Grabeshöhle, sind all ihrer Hoffnung beraubt. Vermutlich stehen auch wir noch am leeren Grab und schauen in einen tiefen Abgrund. Ganz leise dürfen wir hoffen, dass Jesus hinter uns steht, fast unbemerkt. Dass er uns mit seiner Stimme anspricht und uns bei unserem Namen nennen wird, so wie Maria Magdalena.
Aus dem Evangelium nach Johannes (Joh 20,1-9)
Am ersten Tag der Woche kam Maria von Magdala frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war. Da lief sie schnell zu Simon Petrus und dem anderen Jünger, den Jesus liebte, und sagte zu ihnen: Sie haben den Herrn aus dem Grab weggenommen und wir wissen nicht, wohin sie ihn gelegt haben.
Da gingen Petrus und der andere Jünger hinaus und kamen zum Grab; sie liefen beide zusammen, aber weil der andere Jünger schneller war als Petrus, kam er als Erster ans Grab. Er beugte sich vor und sah die Leinenbinden liegen, ging jedoch nicht hinein. Da kam auch Simon Petrus, der ihm gefolgt war, und ging in das Grab hinein.
Er sah die Leinenbinden liegen und das Schweißtuch, das auf dem Haupt Jesu gelegen hatte; es lag aber nicht bei den Leinenbinden, sondern zusammengebunden daneben an einer besonderen Stelle. Da ging auch der andere Jünger, der als Erster an das Grab gekommen war, hinein; er sah und glaubte. Denn sie hatten noch nicht die Schrift verstanden, dass er von den Toten auferstehen müsse.