Oster: Benedikts Text ist "Ausdruck seines Mitleidens"
Der Passauer Bischof Stefan Oster ist nach eigenen Worten "sehr dankbar" für die jüngsten Äußerungen von Benedikt XVI. zum Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche. Er lese den Text "schlicht als Ausdruck seines Mitgehens, Mitfühlens und Mitleidens mit der Kirche, mit der geschichtlichen Situation, in der wir stehen und in die wir gekommen sind, mit den Menschen, die in der Kirche handeln und mit denen, die von der Kirche misshandelt worden sind", schreibt Oster in einem am Karfreitag auf seiner Internetseite veröffentlichten Beitrag.
Oster: Benedikt stellt die für die Moraltheologie entscheidende Frage
Der Text des emeritierten Papstes habe "die Absicht, Entwicklungen zu verdeutlichen – in der Gesellschaft und in der Kirche – um daraus zu lernen, um besser zu verstehen, wer oder was die Kirche im Innersten ist und sein kann – und was deshalb nötig ist". Benedikt habe auf den Kern des Glaubens verwiesen – "und auf unser prekäres Verhältnis zu dieser Wahrheit: auf die Realpräsenz des Herrn in seiner Kirche, die alles verändert, wenn sie geglaubt wird". Wenn die Abwesenheit Gottes "atmosphärisch" dominant oder wenn die behauptete Anwesenheit bloß auf einen frommen Gedanken reduziert werde, werde der Mensch dazu neigen, vor allem aus sich heraus zu bestimmen, was Freiheit sei.
Benedikt stelle "die für die Moraltheologie entscheidende Frage", ob es das in sich Schlechte gebe. Dazu Oster: "Es gibt das In-sich-Schlechte oder Böse nur im Verhältnis zum absolut Wahren und Guten. Andernfalls bleibt das urteilende Subjekt der alleinige Maßstab und dieses ist als begrenztes, geschaffenes Wesen immer in eine Geschichte und in Umstände gestellt, die relativieren."
Sorge vor einer "gefährlichen Bedrohung"
Benedikt habe Recht: "Wenn Gott nicht mehr als anwesend geglaubt wird, verlagert sich die Einschätzung dessen, was Sünde ist, vor allem in mein eigenes, subjektives Urteil." Oder es bildeten sich Allianzen in kollektivem Subjektivismus. Beides "wäre eine gefährliche Bedrohung". Die wendige Vernunft fände schon genügend Gründe, um die ehemals schlecht genannte Tat jetzt gar gutheißen zu können, wie Oster anfügt. Wenn Gottes Anwesenheit nicht mehr geglaubt werde, verschwinde im Grunde mit Notwendigkeit auch das Martyrium – "weil es keine umgreifende Wahrheit mehr geben kann, für die es wert wäre, sein Leben zu geben".
Von Benedikt XVI. war vor gut einer Woche ein Aufsatz zum Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche bekanntgeworden. Er fordert darin eine "Erneuerung des Glaubens" und benannte als zentrale Ursache für Missbrauch Gottlosigkeit und eine Entfremdung vom Glauben. (KNA)