Präsident des China-Zentrums im Interview

Huber: Das Leid der chinesischen Katholiken öffentlich machen

Veröffentlicht am 23.04.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn/Sankt Augustin ‐ Trotz des China-Vatikan-Abkommens ist die Lage der Katholiken im Reich der Mitte weiterhin prekär. Im Interview spricht Monsignore Wolfgang Huber, Präsident des China-Zentrums, über die Sorgen der Gläubigen. Er sieht vor allem den Papst in der Pflicht.

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Das im Herbst geschlossene Vatikanabkommen mit Peking macht viele Christen in China ratlos. Die Untergrundkatholiken fürchten, der Weg in eine chinesische Nationalkirche werde immer unausweichlicher. Der Präsident des China-Zentrums, Monsignore Wolfgang Huber, mahnt dazu, diese Sorgen ernst zu nehmen.

Frage: Monsignore Huber, im Herbst vergangenen Jahres hat der Vatikan mit China ein neues Abkommen geschlossen. Welche Auswirkungen auf das kirchliche Leben in China beobachten Sie?

Monsignore Wolfgang Huber: Es gibt sehr viele kritische Stimmen gerade auch von den in der Untergrundkirche Engagierten, aber auch in anderen kirchlichen Kreisen. Denn letztlich weiß niemand genau, was dieses Abkommen eigentlich beinhaltet. Es ist alles geheim. Niemand weiß genau: Ist es tatsächlich ein Zugeständnis an die chinesische Regierung? Oder ist es die Möglichkeit des Papstes, dort auch als Oberhaupt der katholischen Kirche anerkannt zu sein? Die große Herausforderung für die Kirche in China ist: Wie kann eine Versöhnungsarbeit aussehen mit jenen, die sehr viel Repressionen und großes Leid erfahren haben oder dem auch noch ausgesetzt sind und sich heute noch in der Untergrundkirche engagieren?

Frage: Was sind die Reaktionen in der Untergrundkirche?

Huber: Viele Gläubige aus der Untergrundkirche befürchten, dass der staatliche Einfluss auf sie noch größer werden könnte. Sie fürchten, dass die Untergrundkirche Teil der chinesisch-katholischen Nationalkirche wird und nicht eine katholische Kirche im weltumfassenden Sinne bleibt. Zudem fragen sich die Untergrundkatholiken, was mit Taiwan geschehen wird. Viele sagen: Vom Abkommen haben wir noch nichts gespürt. Im Gegenteil gibt es eine Zunahme an Restriktionen, die Fragen des religiösen Handelns immer schwieriger machen.

Monsignore Wolfgang Huber im Porträt
Bild: ©KNA

Monsignore Wolfgang Huber ist Präsident des China-Zentrums in Sankt Augustin. Zweck des als gemeinnützig anerkannten Vereins ist die Förderung von Begegnung und Austausch zwischen den Kulturen und Religionen im Westen und in China.

Frage: Warum glauben Sie, hat der Vatikan gerade vor diesem Hintergrund zunehmender Restriktionen einen Schritt auf die chinesische Führung zugemacht – gerade im Hinblick auf die Bischofsernennungen?

Huber: Es weiß im Moment noch niemand, wie das Prozedere der Bischofsernennungen dort geregelt ist. Von daher, glaube ich, ist das alles sehr spekulativ, was man dort so sagt. Man geht davon aus, dass für den Vatikan gerade aufgrund der zunehmenden Restriktionen in China die Zeit gedrängt hat, noch einen Fuß in die Tür zu bekommen, um zu verhandeln. Hoffentlich ist das Abkommen dann auch so umsetzbar, dass wir als katholische Kirche die Gläubigen in China erreichen können.

Frage: Die Restriktionen nehmen zu – auch was die Freiheit im Internet angeht. Glauben Sie, dass der Türspalt für offene Verhandlungen eher zugeht?

Huber: Ich habe den Eindruck, dass die politisch Verantwortlichen besonders Angst vor Einfluss von außen haben. Das zeigt sich etwa daran, dass man Kindern keine Glaubensinhalte mehr vermitteln darf oder dass Internetplattformen geschlossen werden. Dahinter steht eine Angst, die eigene Macht zu verlieren.

Frage: Was kann die Kirche im Land tun, um eine Versöhnung auch mit der Untergrundkirche zu ermöglichen?

Huber: Auch von päpstlicher Seite muss öffentlich anerkannt werden, was die Untergrundkirche Chinas bisher geleistet hat und es muss auch das Leid öffentlich gemacht werden. Nur so kann letztlich Heilung geschehen. Wenn wir von heute auf morgen sagen, dass mit dem Vertrag jetzt alles gut ist – damit wird das Leid derer, die in Gefängnissen waren, nicht aufgewogen. Das ist eine Leidensgeschichte und die muss wie bei anderen auch sehr ernst genommen werden. Vor allen Dingen mit Blick auf die Märtyrer der Untergrundkirche. Man muss das als Geschichte der Kirche mitnehmen und anerkennen. Dann erst kann ein Heilungsprozess geschehen.

Von Claudia Zeisel

Dieser Artikel erschien zuerst auf dem Internetportal weltkirche.katholisch.de.