Standpunkt

Notre-Dame – Kulturgut von Weltrang oder "nur" eine Kirche?

Veröffentlicht am 08.05.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Nach dem verheerenden Brand kamen binnen Stunden Millionenbeträge zusammen. Es gilt, das nationale Monument Frankreichs wiederaufzubauen. Dabei ist Notre-Dame doch weit mehr als ein Kulturdenkmal, kommentiert Günter Assenmacher.

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Als 1943 der Kölner Dom von einer Luftmine am Nordturm getroffen wurde, fürchtete man dessen Einsturz. Sofort wurden trotz des Krieges 27.500 Ziegelsteine herbeigeschafft und vermauert. Diese Ziegelplombe blieb bis 2005 offen sichtbar. Viele Menschen schauten hin und fragten danach. Nicht ohne Diskussion wurde die Narbe verblendet. Restaurierte Harmonie ersetzt seither das Mahnmal.

Von "9/11" sind unserem Gedächtnis bestimmte Bilder eingeschrieben. Die Einschläge der beiden Flugzeuge, die brennenden Türme des World Trade Centers. In New York wurden damals 2.759 Menschen getötet. Nach langer Diskussion gab es auch an dieser Stelle eine Nachfolgebebauung. Aber ein Platz für das Gedenken an die Opfer und das, was damals geschah, blieb ausgespart. Zwei große Wasserbecken greifen den Grundriss der Hochhaustürme auf. Die Namen der Opfer werden an jedem Jahrestag der Anschläge dort verlesen.

Gott sei Dank kam beim Brand der Kathedrale Notre-Dame in Paris an diesem 15. April kein Mensch ums Leben. Es war kein Krieg, kein terroristischer Hintergrund. Gleichwohl werden uns die Bilder der lichterloh brennenden Kirche begleiten. Trotz der sofortigen Entscheidung von Präsident Macron für den Wiederaufbau wird darüber diskutiert. Über die Kosten, und ob so viel Geld für "tote Steine" verantwortbar sei; über wer, was, wann und wie; aber auch über die fundamentale Frage: Würde das Bauwerk wieder aufgebaut, wenn es "nur" eine Kirche wäre? Oder gilt der Einsatz letztlich dem "wertvollen Denkmal", dem "architektonischen und spirituellen Erbe von Paris, Frankreich und der Menschheit", dem "Juwel des kollektiven Gedächtnisses", dem "Herz der Stadt", der "Seele von Paris"? Michel Aupetit, der Erzbischof von Paris, sagte: "Wir müssen uns daran erinnern, warum Notre-Dame erbaut wurde". Diese Erinnerung ist wichtig, aber sie allein entscheidet nicht, wie es mit der katholischen Kirche, mit dem Christentum allgemein weitergeht.

Von Günter Assenmacher

Der Autor

Prälat Günter Assenmacher ist Domkapitular in Köln und Offizial für die Bistümer Köln, Essen und Limburg.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.