Die Herz-Jesu-Verehrung: Sich ganz in die Liebe Gottes einfügen
In vielen Pfarreien werden sie noch mit großer Feierlichkeit begangen, die Herz-Jesu-Freitage. An jedem ersten Freitag des Monats außerhalb der geprägten Zeiten sind sie vom kirchlichen Kalender vorgesehen. Manchmal wird im Anschluss an den Gottesdienst das Allerheiligste zur Anbetung ausgesetzt, oft sind sie der Tag, an dem in den Pfarreien den Kranken die Kommunion gebracht wird. Und nicht wenige Haushalte sind es, in denen noch eine Gipsfigur des "Herz Jesu" im Herrgottswinkel steht. Die Herz-Jesu-Frömmigkeit erfreute sich im gläubigen Volk über viele Jahre lang einer großen Beliebtheit. Mittlerweile scheint sie etwas in Vergessenheit geraten zu sein, doch angesichts des 130-jährigen Jubiläums der Einführung der Herz-Jesu-Freitage lohnt es sich, einmal die Geschichte dieser Frömmigkeitsform zu betrachten und nach ihrer Aktualität zu fragen.
Zunächst liegen die Ursprünge des Herz-Jesu-Gedenkens in der Bibel, genauer gesagt im Johannesevangelium. Dort nämlich heißt es, nach der Kreuzigung Jesu stieß ein Soldat mit einer Lanze in seine Seite "und sogleich floss Blut und Wasser heraus" (Joh 19,34). Anstelle des Zerschlagens der Beine sollte der Lanzenstich sicherstellen, dass der Gekreuzigte auch wirklich gestorben war. Schon sehr früh wurde das Herz Jesu als Symbol seiner Menschheit und als Ausdruck seiner besonderen Liebe zu den Menschen gedeutet. In der Zeit der Alten Kirche haben unterschiedliche Autoren die Stelle aus dem Johannesevangelium ekklesiologisch ausgelegt: Die geöffnete Seite Christi haben sie als Pforte des Heils gedeutet, aus der für die Kirche die Sakramente entspringen; das Blut verstanden sie als Symbol für die Eucharistie, das Wasser als Zeichen für die Taufe. Im Mittelalter wurde die Herz-Jesu-Frömmigkeit immer beliebter: Besonders in den mystischen Strömungen kam es zu einer sehr verbreiteten Anrufung des heiligen Herzen Jesu. Sowohl Mechthild von Magdeburg als auch Gertrud von Helfta widmen in ihren mystischen Betrachtungen dem Herzen Jesu einen großen Raum. Bemerkenswert ist, dass in dieser Zeit die Herz-Jesu-Frömmigkeit vor allem im "Privatgebrauch" und in den Klöstern praktiziert wurde, eine gesamtkirchliche Verbreitung war zunächst nicht angezielt.
Erstmals ab dem Jahr 1672 wurde in einer französischen Kongregation das Herz-Jesu-Fest gefeiert, 1765 wurde es von Papst Clemens XIII. für die polnische Ortskirche am Freitag in der Woche nach dem Fronleichnamsfest eingeführt. Bereits 1675 erhielt die französische Ordensfrau Margareta-Maria Alacoque in einer Christus-Vision den Auftrag, für eine Einführung des Herz-Jesu-Festes am schließlich durch den Papst festgelegten Termin einzuführen. Auch das Begehen der monatlichen Herz-Jesu-Freitage geht auf diese Vision zurück. Beinahe 100 Jahre dauerte es also, bis das Fest schlussendlich zumindest in einer Ortskirche in den kirchlichen Kalender eingeführt worden war. In der Folgezeit erfreute sich die Herz-Jesu-Frömmigkeit einer großen Beliebtheit, die vor allem im Volk geübt wurde. Erst 1856 wurde das Fest von Pius IX. für die ganze Kirche eingeführt und 1889 zum Fest erster Klasse erhoben. Am 25. Mai 1899 veröffentlichte Papst Leo XIII. die Enzyklika "Annum sacrum", in welcher er ankündigte, die ganze Welt dem Herzen Jesu weihen zu wollen. Der Papst schrieb: "Daher ordnen wir an, dass am 9., 10. und 11. des kommenden Juni in der Hauptkirche einer jeden Stadt und jeder Gemeinde öffentliche Andachten festgesetzt und abgehalten werden sollen, und dass an jedem dieser Tage zu den andern Gebeten die Litanei vom göttlichen Herzen verrichtet werde, welche Wir mit der obrigkeitlichen Genehmigung versehen haben; am letzten Tage aber soll das Weihegebet, welches Wir Euch, Ehrwürdige Brüder, zugleich mit diesem Sendschreiben zuschicken, gebetet werden." Die vorgesehene Weihe der Menschheit wurde schließlich im Heiligen Jahr 1900 vollzogen.
Infolge der Liturgiereform durch das Zweite Vatikanische Konzil wurde das Herz-Jesu-Fest als Hochfest am alten Termin (also dem Freitag in der Woche nach Fronleichnam) in den kirchlichen Kalender übernommen. Doch war schon mit der aufkommenden Liturgischen Bewegung und schließlich nach dem Konzil ein Rückgang der Herz-Jesu-Frömmigkeit zu beobachten. Gegenwärtig wird es vor allem als "Ideenfest" oder "Devotionsfest" diskutiert, das eine Glaubenswahrheit in den Mittelpunkt rückt und nicht so sehr einen direkten Anlass im Leben Jesu oder der Heiligen feiert. Trotz der rückläufigen Frömmigkeitsübungen weihte noch Papst Benedikt XVI. im August 2011 die Jugendlichen, die zur Vigil auf dem Weltjugendtag in Madrid versammelt waren, dem Herzen Jesu. Und Papst Franziskus schrieb in seiner Homilie zum Herz-Jesu-Fest 2014: "Der Sinn des Hochfestes vom Heiligsten Herzen Jesu, das wir heute feiern, besteht darin, die demütige Treue und die Güte der Liebe Christi, Offenbarung der Barmherzigkeit des Vaters, immer mehr zu entdecken und uns in sie hinein nehmen zu lassen."
Durchbohrtes Herz als Symbol der Gottesliebe
Spirituell kann die Herz-Jesu-Verehrung vor allem vom Gedanken der Liebe herkommend verstanden werden. So, wie Jesus in seinem ganzen Leben die Liebe zu Gott, seinem Vater, verwirklicht, so sind auch die Menschen aufgerufen, sich durch ihr Leben und Wirken ganz in diese Gottesliebe einzufügen. Gerade im Kreuzestod wird diese Liebe Jesu zu seinem Vater zuhöchst deutlich: Das von der Lanze durchstoßene Herz weist auf sein Todesleiden hin und stellt ihn als einen Gescheiterten dar; die Stunde des Kreuzes ist aber auch die Stunde seiner Erhöhung und der Augenblick, in dem sich die Liebe des Vaters zu seinem Sohn in besonderer Weise offenbart. Deshalb kann das durchbohrte Herz als ein Symbol der Gottesliebe betrachtet werden.
Nach der Vision der heiligen Margareta-Maria Alacoque wird das Herz Jesu ikonographisch vor allem als ein flammendes Herz dargestellt, aus dem ein Kreuz emporwächst, umgeben von einer Dornenkrone und vor dem geöffneten Seitenwunde. Damit wird es vor allem von der Passionsmystik her gedeutet, die einen wesentlichen Bestandteil der Herz-Jesu-Frömmigkeit bildete. Besonders in der Volksfrömmigkeit erfreute sich diese Form der Spiritualität großer Beliebtheit. Sowohl in Privathäusern als auch in vielen Kirchen waren und sind Darstellungen und Bilder des Herzen Jesu zu finden.
In einer Zeit, in der die Herz-Jesu-Frömmigkeit nicht mehr so ausgeprägt ist wie in vorigen Jahrhunderten, lohnt es sich, über die Aktualität dieses Festes nachzudenken. Dabei wird deutlich, dass es mitunter nötig ist, einen neuen Zugang zu diesem Fest zu eröffnen. Die mystische Schlagseite, durch die das Fest geprägt wurde, ist heute vielen nicht mehr zugänglich. Vom Leben Jesu her lädt das Herz-Jesu-Fest ein, neu über die konkrete Liebe nachzudenken. Im Leben und Wirken Jesu ist die Liebe Gottes unter uns erschienen, Jesus ist den Menschen in Liebe begegnet und hat sich ihrer angenommen. Dieses Beispiel ermuntert uns, selbst über unser Verhalten den Mitmenschen gegenüber nachzudenken. Ist unser Leben durch und durch von Liebe durchdrungen? Können wir dem Anderen liebevoll begegnen oder verhindern Vorurteile und Ressentiments ein solches Verhalten? Am Herz-Jesu-Fest dürfen wir auch die gescheiterte Liebe vor Gott bringen, ihm das anvertrauen, wo Liebe unerfüllt geblieben ist.
Die monatlichen Herz-Jesu-Freitage zeigen, dass es gut ist, immer wieder im Lauf eines Jahres über das Geschenk der Liebe nachzudenken. Liebe ist nie abstrakt, Menschen erfahren sie tagtäglich oder werden von einem Mangel an Liebe bedrückt. Um diese alltäglichen Erfahrungen geht es am Herz-Jesu-Fest. An ihm dürfen wir die Menschen Gottes Güte anvertrauen, die uns am Herzen liegen. Weil Gott uns in seinem Sohn Jesus gezeigt hat: Wir Menschen sind ihm nicht fremd, wir sind ihm wichtig, wir liegen Gott am Herzen!