Der Abriss von Kirchen darf nur das letzte Mittel bleiben
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Innerhalb einer Generation werden die Christen in Deutschland in der Minderheit sein. Diese Prognose, die das Freiburger Forschungszentrum Generationenverträge vor einem Monat vorgestellt hat, kam nicht überraschend. Jahr für Jahr verlassen Hunderttausende die Kirchen, ganze Großstädte. Bis zum Jahr 2060 wird sich die Mitgliederzahl praktisch halbiert haben. Das muss und das wird auch sichtbare Folgen haben. Kirchen und Kapellen zeugen von der einstigen Bedeutung des Christentums in diesem Land. Das wird natürlich auch künftig noch der Fall sein, zumindest bei den großen und bedeutenden Kathedralen und Basiliken.
Oft gehören diese Gebäude ohnehin dem Staat. Er trägt die kostspielige Baulast und ist verantwortlich, dieses steinerne Erbe zu pflegen. Bei vielen anderen Gotteshäusern, die heute noch das Gesicht dieses Landes prägen, wird sich absehbar jedoch die Frage stellen: Sollen wir unsere Kirche noch renovieren oder gleich abreißen oder umwidmen?
Eine Kirche ist unabhängig von ihrem kunsthistorischen Wert mehr als nur irgendein Gebäude. An ihr hängen Erinnerungen. Hier wurden Kinder getauft, Ehen geschlossen, Menschen betrauert. Mit einem Abriss werden auch die Geschichten, die diese Gotteshäuser erzählen, zu Schutt und Asche. Wie brutal das ist, konnte man im Januar 2018 in Erkelenz im rheinischen Braunkohlerevier beobachten. Da musste der "Immerather Dom", eine stattliche neuromanische Kirche, dem Braunkohltagebau weichen. Wenn der letzte Kirchturm von Abrissbaggern zu Fall gebracht wird, dann ist eine Geschichte unwiederbringlich vorbei.
Deshalb muss der Abriss von Kirchen trotz sinkender Mitgliederzahlen, trotz sinkender Mittel Ultima Ratio bleiben. Der Kirchturm gehört zum Dorf, er bleibt ein Identifikationspunkt. Deshalb dürfen auch alternative Nutzungskonzepte kein Tabu sein: Kann eine Kirche zum Beispiel in einen für alle offenen Kulturraum umgewidmet werden, unterhalten von der öffentlichen Hand? Können sich evangelische und katholische Gemeinde einen Kirchenbau und somit die Unterhaltskosten teilen? In dieser Krise steckt auch eine Chance. Die Kirchengemeinden sollten sie nutzen, bevor die Abrissbirne droht.