Standpunkt

Was Paulus, der Influencer der Christen, Politikern heute sagen würde

Veröffentlicht am 19.06.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Angesichts des Verhaltens populistischer Politiker weltweit wird Uwe Bork angst und bange. Eine Chance der Umkehr sieht er in der Bibel – und rät den Politikern, sich an einem uralten Rat das Apostels Paulus zu orientieren.

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Ein Blick auf die täglichen Schlagzeilen genügt gegenwärtig, um mir Schauer der Angst und Wut über den Rücken zu jagen. Sachverstand und Augenmaß scheinen geradezu schädlich für Erfolg in der Politik geworden zu sein, Schaumschlägerei wirkt dagegen wie das Gebot der Stunde. Und dazu soll sich ausgerechnet Paulus geäußert haben?

Fast könnte man es meinen. Der Apostel, als Reisender und Briefeschreibender wohl der unbestritten größte "Influencer" des frühen Christentums, wählte seinerzeit einen Vergleich, um die Rollen von Christen in der Gesellschaft zu verdeutlichen. Ein Leib habe verschiedene Glieder, schrieb er der Gemeinde in Rom, nicht alle seiner Glieder hätten daher dasselbe zu leisten. Ähnlich habe der göttliche Geist auch unterschiedliche Gaben verteilt, jedes Mitglied einer Gemeinschaft könne und solle deshalb andere Aufgaben vollbringen. Der eine sei hier besser, die andere dort.

Eigentlich eine vernünftige Position, will es mir scheinen. Trotzdem haben wir aber heute einen amerikanischen Präsidenten, der in seiner sprunghaften Rechtschreibung den Prinzen von Wales als Prinzen der Wale ehrt und der für kurzfristigen und einseitigen Vorteil das Wohl der ganzen Erde aufs Spiel setzt. Wir haben demnächst wohl einen britischen Premierminister, bei dem offensichtlich noch nicht einmal sein Friseur die an ihn verteilten Charismen richtig einschätzen kann. In unserem Nachbarland Österreich hatten wir einen Vizekanzler, der die Gabe des Dienens augenscheinlich mit der Gabe des Verdienens verwechselte. Und der italienische Innenminister wedelt zwar bei öffentlichen Auftritten medienwirksam mit einem Rosenkranz, vergisst darüber aber nur zu gern, dass ein "Vorsteher" nicht nur eifrig, sondern auch barmherzig sein sollte.

Sind unsere Politiker – und leider auch unsere Politikerinnen – also kaum mehr als ein Haufen von Egomanen, die allein ihre kleinliche Sucht nach Ruhm stillen wollen?

Nein, das ganz sicher nicht. Bei denjenigen, die Verantwortung für unsere Gemeinwesen übernommen haben, gibt es zum Glück immer noch sehr viele Männer und Frauen, die das mit abwiegender Klugheit tun. Für eine pauschale Politikerschelte besteht kein Anlass.

Dennoch finden sich unter denen, die gerade in letzter Zeit auf die politische Bühne gestürmt sind, aber eben leider auch solche, die entweder Paulus' Worte von den unterschiedlichen Gaben nicht kennen oder sich selbst falsch einschätzen: So mancher Unterarm wäre offenbar lieber eine rechte Hand und so mancher kleine Zeh ein Zeigefinger.

Ein quasi chirurgisches Eingreifen von göttlicher Seite will ich trotzdem nicht, dafür ist mir – Verzeihung! – die Trennung von Staat und Kirche denn doch zu heilig. Als Bürger und Demokraten müssen wir vielmehr selber wieder in Ordnung bringen, was schrankenloser Populismus anrichtet.

Die entsprechenden Gaben haben wir ja. Gott sei Dank!

Von Uwe Bork

Der Autor

Uwe Bork war Leiter der Fernsehredaktion "Religion, Kirche und Gesellschaft" des Südwestrundfunks (SWR) und arbeitet jetzt als freier Journalist und Autor in Esslingen.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.