Völkerrechtler verteidigt EuGH-Urteile zu kirchlichem Arbeitsrecht
Der Münchner Völkerrechtsexperte Christian Walter hat die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum kirchlichen Arbeitsrecht in Deutschland verteidigt. Er wandte sich am Donnerstag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gegen den Eindruck, als werde die "gute" Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durch eine "schlechte" des EuGH ersetzt.
Der Europäische Gerichtshof habe im Streit um das gesonderte Arbeitsrecht der Kirchen in Deutschland die Akzente lediglich leicht in Richtung des Schutzes der Grundrechte der Arbeitnehmer verschoben. Es handele sich nicht "um grundstürzende Veränderungen des Religionsverfassungsrechts, die man als Eingriff in die Verfassungsidentität des Grundgesetzes deuten könnte".
Zugleich wirkten die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zugunsten des Selbstbestimmungsrechts der Kirchen "merkwürdig aus der Zeit gefallen", so der Professor für Völkerrecht. "Unter Berufung auf eine Entscheidung aus dem Jahr 1968 wird eine extensive Auslegung der Religionsfreiheit angemahnt", kritisierte er. "Dadurch entsteht der problematische Eindruck eines Sonderrechts für die christlichen Kirchen." Das wirke umso befremdlicher, wenn man sich die Frage stelle, ob Karlsruhe das Selbstbestimmungsrecht auch so weit auslegen würde, wenn es sich um islamische Gemeinden, das Kopftuch oder die Burka handeln würde.
Walter appellierte an das Bundesverfassungsgericht, bei der anstehenden Verhandlung über eine Verfassungsbeschwerde der evangelischen Diakonie "eine zeitgemäße Begründung für das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften zu formulieren, die sich nicht dem Vorwurf einer Privilegierung der christlichen Kirchen aussetzt". Dabei müsse auch der europäische Aspekt einbezogen werden.
Das Grundgesetz ermöglicht den Kirchen ein eigenes Arbeitsrecht; sie dürfen besondere Loyalitätsanforderungen an ihre Mitarbeiter stellen. Im Fall des Chefarztes an einem katholischen Krankenhaus hatte der Arbeitgeber dem Mediziner gekündigt, weil er wegen Scheidung und Wiederheirat gegen das katholische Eheverständnis verstoßen habe. Während das Bundesverfassungsgericht die Kündigung billigte, gaben der EuGH und das Bundesarbeitsgericht dem Arzt Recht. Das Erzbistum Köln teilte vor wenigen Tagen mit, keine Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil einzulegen und beendete damit den zehnjährigen Rechtsstreit.
Im anderen Fall führt die Sozialpädagogin Vera Egenberger einen Rechtsstreit gegen die Diakonie Berlin. Dem evangelischen Wohlfahrtsverband wirft sie vor, sie wegen ihrer Konfessionslosigkeit nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu haben. Zuletzt gab ihr das Bundesarbeitsgericht unter Verweis auf den EuGH Recht. Die Diakonie wandte sich nun wiederum an das Bundesverfassungsgericht. (rom/KNA)