Bernhard Letterhaus: Wider die "falschen Propheten"
Bis zuletzt muss er standhaft gewesen sein. Verschwiegen, obwohl ihm die Todesstrafe drohte. Er belastete keine Mitverschwörer, als er zum gescheiterten Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 verhört wurde. Vor dem Volksgerichtshof erklärte er ehrlich, dass die Verschwörer ihre Pläne "nur durch eine gewaltsame Änderung der Regierung an Haupt und Gliedern" glaubten erreichen zu können - ein freimütig bekannter Hochverrat. Tod durch den Strang, urteilte der Präsident des Volksgerichtshofs, Roland Freisler, am 13. November 1944. Nur einen Tag später wurde Bernhard Letterhaus in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Er war 50 Jahre alt.
Geboren wurde Letterhaus vor 125 Jahren, am 10. Juli 1894, in Wuppertal-Barmen als Sohn des Schuhmachermeisters Johann Bernhard Letterhaus und seiner Frau Emilie. Zusammen mit zwei Brüdern wuchs er in einem streng katholischen Elternhaus auf. Nach Besuch der katholischen Volksschule machte er eine Lehre als Bandwirker - seit dem 17. Jahrhundert ein selbstständiges Gewerbe der Bandweberei, das vor allem im Bergischen Land verbreitet war. Danach besuchte Letterhaus die Preußische Fachschule für Textilindustrie in Barmen. 1914, mit erst 20 Jahren, wurde er Soldat im Ersten Weltkrieg. Er wurde mehrfach verwundet.
Ein vielsagender Spitzname: "Stichflamme"
Vielleicht wurde sein politisches Interesse durch die grausamen Kriegshandlungen geweckt; in jedem Fall war es immer auch durch seine christliche Überzeugung motiviert. Ab 1920 beim Zentralverband der christlichen Textilarbeiter angestellt, besuchte Letterhaus abends nach dem Dienst die Staatliche Fachschule für Wirtschaft und bildete sich außerdem in autodidaktischer Weise fort. Das führte ihn als Verbandssekretär zum Westdeutschen Verband der katholischen Arbeitervereine, ab 1928 war er hierfür im Kölner Ketteler-Haus tätig.
Als Abgeordneter der Zentrumspartei für den Wahlkreis Düsseldorf-Ost schaffte er es schließlich in den Preußischen Landtag. Letterhaus war weitsichtig: Schon vor dem Wahlsieg der NSDAP warnte er bei einer Rede auf dem Münsteraner Katholikentag im September 1930: "Falsche Propheten mit einem Kreuz auf der Fahne, das aber nicht das Zeichen des Welterlösers ist, ziehen durch Städte und Dörfer. Sie verwüsten die Herzen des leidenden Volkes", erklärte er.
"Stichflamme" sollen seine Freunde ihn genannt haben, wenn er sich über die politische Situation in der Weimarer Republik ereiferte. Im Juni 1932 sagte er im Preußischen Landtag nach dem Rücktritt von Reichskanzler Heinrich Brüning über die Nationalsozialisten: Sie "wollen bewusst keine Partei, wollen nicht Teil sein, sondern sie wollen herrschen." Und weiter: "Niemand weiß von uns, wie lange noch Gelegenheit geboten ist, frei vor der Nation zu reden."
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Diese Prophezeiung traf Letterhaus selbst bereits ein halbes Jahr später, kurz nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 31. Januar 1933. Wegen einer öffentlichen Rede in Hamm wurde er Ende Februar zunächst verwarnt und schließlich nach und nach aller politischer Betätigungsmöglichkeiten beraubt. Dafür intensivierte er die Verbandsarbeit, beteiligte sich an der Organisation der großen Wallfahrten, um "ein Zeichen der Selbstbehauptung zu setzen", wie es die Historikerin Vera Bücker formuliert hat. Sein Engagement endete, als es 1938 schließlich zum endgültigen Verbot der katholischen Arbeitervereine kam.
Auch gegenüber den deutschen Bischöfen hielt Letterhaus sich nicht zurück. Er kritisierte deren vorsichtigen Stil und forderte, sie sollten öffentlich wirksam gegen die NS-Zwangsmaßnahmen gegen katholische Organisationen protestieren. Das 1933 geschlossene Konkordat, das das Verhältnis zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Reich regeln sollte, lehnte er "als Stabilisierung des NS-Regimes von außen" ab.
Ehrung durch Papst Johannes Paul II.
1939, mit nunmehr 45 Jahren, musste Letterhaus abermals in den Krieg ziehen - nach langen Überlegungen, ob dies mit seinem christlichen Gewissen zu vereinbaren sei. Als er 1942 zum Hauptmann befördert wurde, gelang es seinen Freunden, seine Versetzung nach Berlin durchzusetzen. Als Presseoffizier war er für die Auswertung der ausländischen Presseberichte über den Krieg zuständig - und damit immer bestens über die wahre Kriegslage informiert.
Letterhaus, der sich bereits ab 1942 im so genannten "Kölner Kreis" im Ketteler-Haus mit Gleichgesinnten getroffen hatte, um Alternativen zum NS-Regime zu suchen, wurde nun auch zum aktiven Mitglied im Berliner Widerstand und bildete damit eine Klammer zwischen beiden. Nach dem gelungenen Attentat auf Hitler schwebte ihm eine "möglichst viele Gruppen umfassende Volksbewegung mit dem Bekenntnis zum Christentum" vor, wie er bei seinem Prozess vor dem Volksgerichtshof erklärte.
Im Gefängnis, zwei Tage vor seiner Hinrichtung, soll er zu einem Mitgefangenen gesagt haben: Die Welt kann nur gerettet werden "wenn im Kleinen und Großen Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe herrschen". In Köln erinnert eine Figur im Rathaus-Turm an Letterhaus - und ein Stolperstein, der im Agnesviertel im Kölner Norden unweit des Ketteler-Hauses in den Boden eingelassen ist. Papst Johannes Paul II. ehrte Letterhaus 1987 als Märtyrer des Glaubens.