Franziskus, der sparsame Papst
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Im Sommer läuft man gerne mal barfuß herum, vielleicht ist das ja mit ein Grund, warum die Vermessung ökologischer Fußabdrücke gerade Saison hat. Geht ganz easy, man stellt sich ein paar Fragen und verfüttert die Antworten online an einen CO2-Rechner: Wie wird konsumiert, gewohnt, geheizt, gefahren, wie steht's mit Fleischgenuss? Unterm Strich kommt eine Zahl heraus, die man mit einem Durchschnittswert abgleichen kann. (Die "Zeit" hat gerade ein Dossier dazu gemacht, ich fühle mich informiert.) Erhellend.
Überschlägt man die Parameter des ökologischen Fußabdrucks von Papst Franziskus, dann kommt ein wenig Fastenzeit-Feeling auf. Aber da müssen wir jetzt durch. Ja, wir haben einen sparsamen Papst. Das ist natürlich kohärent. Wenn Sparsamkeit heute wieder als christliche Tugend gilt, dann ist Franziskus daran Schuld, denn er hat sie mit seinem Lehrschreiben "Laudato si" dem geschätzten Publikum guten Willens neu schmackhaft gemacht. Und er selbst? Der Papst hält sich an sein Nein zum "zwanghaften Konsumismus". Nur in einem Punkt nicht.
Franziskus' abgewetzte Schuhe sind ein Sinnbild
Wo fängt man an? Beim ersten Auftritt? 13. März 2013, die Balkonszene kann als bekannt vorausgesetzt werden: Da steht ein frischgewählter Papst einfach in Weiß, der einfach spricht. Die Schuhe sind nicht zu sehen, aber zweifellos trägt er an jenem Tag schon - vielmehr: noch - seine abgewetzten schwarzen Treter, in deren Falten der Staub der schlechteren Straßen von Buenos Aires zu haften scheint. Und weil der Mensch Symbole braucht, wurden diese Schuhe flugs zum Sinnbild für Franziskus, seinen Stil und seine Anliegen.
Auch noch manches andere, was Bergoglio aus Argentinien mit dabei hatte, benutzt er bis heute. Wir meinen das ganz stofflich: Die weitgereiste Aktentasche hatte er schon als Bischof, ebenso das Brillengestell (nur neue Gläser ließ er sich in Rom bei einem verdutzten Optiker einsetzen), die Lieblingsmitra und sogar das Brustkreuz aus Silber. Das bekam er zur Bischofsweihe 1992 in Buenos Aires und wollte es in Rom nicht ersetzen, obwohl Päpste eigentlich goldene Brustkreuze tragen. Sicher, er hätte ein goldenes aus den heiligen Beständen des Vatikan haben können, auf die bekanntlich auch Benedikt XVI. schwörte; das hätte den Planeten null belastet. Wenn Franziskus anders entschied, dann deshalb, weil er weiß, dass die päpstliche Erscheinung immer irgendwie gelesen wird. Und so lässt er vieles eben auch im Schrank. Nie im Leben würde er winters eine päpstliche Pelzhaube in Renaissance-Fasson aufsetzen, wie Benedikt es einmal, ein einziges Mal, wagte (und bereute). Der CO2-Rechner sagt: grün, geht. Alles andere sagt: rot, geht gar nicht. Franziskus will die Nüchternheit inszenieren, die er predigt.
Alles in allem wirkt die Reparatur-und-Recycling-Manie von Franziskus wie die von Opa, der noch den Krieg erlebt hat. Zugleich ist sie ganz und gar heutig zur Zeit dieses Papstes, der seinerseits schon immer so gelebt hat. Es schont die Schöpfung, die Anschaffung neuer Sachen hinauszuzögern, wenn es die alten noch tun. Kleinlich? Peinlich? Nein, zeitgemäß, finden immer mehr gerade Jüngere – und zeigen auf den alten Papst. "Es ist sehr nobel", notiert der in "Laudato si", "es sich zur Pflicht zu machen, mit kleinen alltäglichen Handlungen für die Schöpfung zu sorgen". Und: "Etwas wiederzuverwerten, anstatt es schnell wegzuwerfen, kann eine Handlung der Liebe sein, die unsere eigene Würde zum Ausdruck bringt." Genau so hält er es selbst. Nur manchmal übertreibt er. 2015 in Ostia wurde der Heilige Vater in einer Soutane mit abgewetzten, ausfransenden Ärmeln erwischt. Das war dann doch ein Hauch zu viel gelebte "imitatio" des Bettelordengründers und Namenspatrons Franz von Assisi. Kam nicht wieder vor.
Die persönliche Sparsamkeit von Franziskus sucht sich natürlich noch ganz andere Ebenen. Sommer? Urlaub? Verreisen? Nun ja, Ferien macht der Mann schon, aber er verbringt sie seit 1976 zu Hause, früher in Buenos Aires, heute im Vatikan. Balkonien? Ja, wenn es denn Balkone gäbe im auch sonst etwas freudlos anmutenden Gästehaus Santa Marta! Der Papst wollte nicht in den Apostolischen Palast einziehen, die Wohnung dort war ihm zu groß, jetzt haust er schon im siebten Jahr in der "Marta" auf drei Zimmern. Das TV-Gerät in seiner Suite bleibt aus: Seit einem Gelübde vor der Muttergottes am 15. Juli 1990, vor genau 29 Jahren, verzichtet der Papst aufs Fernsehen. Ebensowenig hat er einen PC. Die Klimaanlage braucht er unter diesen Umständen selbst im Juli nicht so häufig. Ungenutzt bleibt ferner die prächtige päpstliche Sommerresidenz Castelgandolfo über dem Albaner See, deren CO2-Bilanz uns ehrlich gesagt sehr interessieren würde. Franziskus hat den Renaissancepalast samt Park zum Museum erklärt – und samstags kann man ganz kommod und grün mit der Eisenbahn ab Vatikanstadt dorthin zuckeln.
Ford Focus, Hyundai und Kia statt PS-starken Limousinen
Auch über den Fuhrpark im Vatikan sind wir grob unterrichtet. In der Garage oder verscherbeln lässt Franziskus die PS-starken Limousinen, die frühere Päpste als Geschenke erhielten. Das Nummernschild SCV1 ziert reihum bescheidene Fahrzeuge wie Ford Focus, Hyundai und Kia. Im eigenen Staat fährt Franziskus seit 2017 mit einem geschenkten E-Auto, einem Nissan Leaf. Die edlen Spender hofften, alsbald den Inhalt der ganzen Garage ersetzen zu dürfen. Ob das gelang, darüber hält man sich beidseitig bedeckt. Ebenfalls nicht im Bild sind wir über die Ernährung des Papstes. Nur dass Franziskus nicht vegan isst, dürfen wir wohl gefahrlos unterstellen.
Der alles in allem bescheidene ökologische Fußabdruck von Franziskus hat freilich eine ziemlich lange Zehe, um das Bild zu bemühen. Der Papst verreist zu viel im Flugzeug. Fünf Auslandsvisiten jedes Jahr, überallhin außer Ozeanien. Da wird der CO2-Rechner nervös.
Der "Zeit"-Autor legt in seinem Dossier die These vor, Politik sei wichtiger als Lebensstil, um die Welt zu retten. Franziskus rät ja dazu, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen – und auch das macht er vor. Über die ökologische Krise und die rechte Antwort darauf spricht er auf allen Kontinenten und regelmäßig auch vor Staatenlenkern. Die Folgen einer solchen päpstlichen Orientierung lassen sich in den CO2-Rechner nicht eingeben, aber wer weiß? Vielleicht käme dabei heraus, dass der Papst gewissermaßen CO2 absorbiert, als sei er ein Urwald und kein Vielflieger.