Schwester Birgit Stollhoff über das Sonntagsevangelium

Das Bessere wählen

Veröffentlicht am 20.07.2019 um 17:45 Uhr – Lesedauer: 
Ausgelegt!

Hannover ‐ Wer heutzutage keinen Stress hat, macht sich schon fast verdächtig. Im Sonntagsevangelium begegnet unsere Autorin einer Frau, die sich trotz aller Kritik Zeit nimmt – und gerade so das Bessere wählt.

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Impuls von Schwester Birgit Stollhoff

Alle Mäuse mühen sich schwer unter der heißen Sonne und sammeln Vorräte. Nur Frederick sitzt daneben auf einem Stein und schaut in die Sonne. "Frederick, hilf mit! Du bist faul!" – so in etwa schimpfen die Mäuse ihn. Haben Sie die Geschichte erkannt? Es ist die alte Kinderbilderbuch-Geschichte von der Maus Frederick. Mich erinnert sie an Martha und Maria. Die eine ist getrieben von dem, was "getan werden muss". Und die andere? Die verharrt unbeirrt in Jesu Gesellschaft. Bei den Mäusen zeigt der Winter, was Frederick, der Faullenzer, Gutes getan hat: Als die Vorräte ausgehen, packt er seine gesammelten Sommer-Geschichte und Bilder aus. Er erzählt vom Sonnenlicht am Morgen, von Schmetterlingen, von Spielen im Gras und so vertreibt er den Mäusen die Zeit und den Hunger bis zum Frühling. Was ist das Gute, das Maria gewählt hat?

Was ist denn unser Besseres, das wir manchmal vielleicht wählen, wenn wir die Uhr weglegen und den Wecker auf "stumm" schalten? Wenn wir die Zeit vergessen? Ist es nur das Urlaubsgefühl – nicht getrieben zu sein von Terminen, nicht fremdbestimmt? Warum ist es so wichtig, den Faktor Zeit einmal auszuschalten? Die Zeit ist immerhin eine zentrale Orientierung in unserem Dasein. Die Zeit gliedert unseren Tag – das Aufstehen, die Arbeit, die Freizeit. Sie gliedert unsere Beziehungen – in Arbeitszeit, Feiertage, Feste, Urlaube… Sie strukturiert unser Leben – in Kindheit, Jugend, Erwachsenwerden bis hin zum Tod. In der Zeit sammeln wir Vorräte – oder heutzutage vielleicht Pluspunkte im Lebenslauf für den Job. In der Zeit kümmern wir uns um Gäste, Kinder und Freunde. In der Zeit schreiten wir durch unser endliches Leben. Und genau das macht sie auch so bitter: "Genieße Dein Leben - es hat ein Ablaufdatum" stand einmal in einem Tweet. Zeit macht uns sterblich.

Zeit ist ein Faktor in unserem Leben und in der ganzen Schöpfung. Der andere Faktor ist der Raum. Im Raum nehmen wir Gestalt an, nehmen uns wahr, spüren, hören, sehen und riechen wir die Gegenwart der Anderen. In Räumen feiern wir, lachen wir, sind wir einander nahe. In Schlössern und Kirchen "verewigen" sich Künstler und Bauherren. Im Meer oder in den Berggipfeln verlieren wir uns vielleicht manchmal in Raum und Zeit. Der Raum ist zeitlos, ist ewig. "Bleibt in mir und ich bleibe ihn Euch." (Joh 15,4). Liebe wird hier vom Evangelisten als Raum beschrieben. Lieben ist Bleiben in der Gegenwart des Anderen, versunkenes Dasein, alles erfüllende Beziehung. Für mich ist es das Gefühl, vollkommen angekommen zu sein, erfüllt, geborgen und das Ich in Harmonie mir den Anderen.

Maria und die kluge Maus Frederick haben etwas sehr Gutes gewählt, weil sie das gewählt haben, was nicht abhängig ist von der Zeit, nicht vergänglich ist: die Schönheit der Natur, die Wärme, das Licht – Gottes Gegenwart und seine Liebe. Maria hat das Gute gewählt, weil sie sich ganz für die Beziehung zu Jesus entschieden hat. Und das, was gemessen an der Zeit als passiv erscheint, Marias stilles Hören, wird im Raum ein gleichberechtigtes Pendant zum aktiven Sprechen Jesu – nur gemeinsam sind sie Beziehung, gemeinsam füllen sie den Raum.

Die Zeit gehört zu unserem Leben, sie ist ein wichtiger Antrieb und regelt das Zusammenleben. Aber am Schluss, wenn die Zeit endet, bleibt die Liebe – vielleicht wie ein heller, sonnendurchfluteter Raum. Und die Liebe ist "sein bei Gott" – das hat Maria erkannt.

Von Sr. Birgit Stollhoff CJ

Evangelium nach Lukas (Lk 10,38-42)

In jener Zeit kam Jesus in ein Dorf. Eine Frau namens Marta nahm ihn gastlich auf. Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß.

Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu. Marta aber war ganz davon in Anspruch genommen zu dienen. Sie kam zu ihm und sagte: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen!

Der Herr antwortete: Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat den guten Teil gewählt, der wird ihr nicht genommen werden.

Die Autorin

Sr. Birgit Stollhoff CJ gehört dem Orden Congregatio Jesu (auch bekannt als Mary-Ward-Schwestern) an, arbeitet im Jugendpastoralen Zentrum "Tabor" in Hannover, studiert Theologie im Fernstudium an der Universität Luzern und ist mitverantwortlich für die Öffentlichkeits- und Medienarbeit ihres Ordens.

Ausgelegt!

Katholisch.de nimmt den Sonntag stärker in den Blick: Wie für jeden Tag gibt es in der Kirche auch für jeden Sonntagsgottesdienst ein spezielles Evangelium. Um sich auf die Messe vorzubereiten oder zur Nachbereitung bietet katholisch.de nun "Ausgelegt!" an. Darin können Sie die jeweilige Textstelle aus dem Leben Jesu und einen Impuls lesen. Diese kurzen Sonntagsimpulse schreibt ein Pool aus Ordensleuten und Priestern für uns.