"Ehre, Gruß und Segen Euch, die ihr den Mond erobert habt"
"Ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein großer für die Menschheit" – die ersten Worte, die ein Mensch auf dem Mond gesprochen hatte, sind heute sprichwörtlich. Bevor jedoch der Apollo-11-Kommandant Neil Armstrong die Raumkapsel verließ und Geschichte schrieb, richtete der Pilot der Mondlandefähre, Buzz Aldrin, nachdenkliche Worte an die Menschheit: "Ich bitte um einige Momente Stille und lade alle, die zuhören, wo sie auch sind, wer sie auch sind, zu einer kurzen Unterbrechung ein, um die Ereignisse der vergangene Stunden zu betrachten und Dank zu sagen."
Was in den Aufzeichnungen des Funkverkehrs nicht zu hören ist: Der Astronaut las danach still im Johannesevangelium. "Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben", dann nahm der Presbyterianer Brot und Wein zu sich und betete für die Mond-Mission. Die Funkstille hatte einen guten Grund: Schon einmal stand die Weltraumbehörde NASA in einem Rechtsstreit wegen religiöser Botschaften bei einer Weltallmission. Bei der Mondumrundung an Weihnachten 1968 hatte die Weihnachtsbotschaft zu einer Klage eines Atheisten geführt.
Eine Messe für die Astronauten
Was vom Mond aus über den Äther ging, wurde weltweit gehört – auch im Vatikan nahm man großen Anteil an der Weltraumbegeisterung. Der US-amerikanische Kurienkardinal John Joseph Wright, damals Präfekt der Kleruskongregation, verbrachte die ganze Nacht mit einigen Gästen vor dem Fernseher und feierte am Tag darauf – seine Behörde blieb ausnahmsweise geschlossen – eine Messe für die Astronauten.
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Papst Paul VI. (1963-1978) selbst verfolgte von der päpstlichen Sternwarte nahe Castel Gandolfo aus die Mondlandung und schickte den Astronauten kurz nach ihrer Landung über Funk eine Botschaft: "Ehre, Gruß und Segen Euch, die ihr den Mond erobert habt, das bleiche Licht unserer Nächte und unserer Träume. Bringt dem Mond mit unserer lebhaften Teilnahme die Stimme des Geistes, den Hymnus für Gott, unseren Schöpfer und Vater."
Auch von ihrer Missionszentrale aus wurden die Astronauten mit Gebet begleitet: Nachdem bei einem Unfall die drei Astronauten der ersten Apollo-Mission verunglückten, gründete der Pastor und NASA-Wissenschaftler John Stout die "Apollo Prayer League", um die gefährlichen Mondmissionen geistlich zu unterstützen. Binnen kurzer Zeit schlossen sich über 40.000 Menschen der Apollo-Gebetsliga an, die zusätzlich zu ihrem Gebetsapostolat für den Weltraum auch Spenden für Katastrophen auf der Erde sammelte und der es später gelang, Hunderte von Bibeln auf Mikrofilmen auf den Mond und wieder zurück zu bringen.
Papst Paul VI. und der "Bischof des Mondes"
Das Mondprogramm inspirierte in den 1960ern die ganze Menschheit – und auch an ungewöhnlichen Orten fand das einen Niederschlag. Mit der Vatikanischen Sternwarte war der Vatikan schon lange vor der bemannten Raumfahrt ein wichtiger Player der Astronomie, so dass es nur folgerichtig war, dass der Heilige Stuhl auch von Anfang an in der Weltraumpolitik mitspielte. 1967 gehörte er zu den ersten Unterzeichnern des UN-Weltraumvertrags, mit dem sich die Staatengemeinschaft auf die friedliche Nutzung des Alls verpflichtet hatte. Neben dem staatlichen Recht spielte natürlich auch das Kirchenrecht eine Rolle: Wer sollte zuständig sein für den Mond und den Weltraum? Als erster soll der Bischof der erst 1968 errichteten Diözese Orlando, William Borders, Anspruch auf den Mond erhoben haben. Bei seinem ersten Ad-limina-Besuch in Rom stellte er sich dem Papst mit typisch amerikanischer Bescheidenheit als "Bischof des Mondes" vor – schließlich liege Cape Canaveral, der Startort der Apollo-Missionen, in seinem Bistum. Und als Bischof des Heimathafens sei ja wohl er für die neu entdeckten Gebiete zuständig. Geklärt wurde der kanonische Anspruch auf den Erdtrabanten allerdings nie.
Eine Rolle spielte die Weltraumfahrt aber dennoch – und zwar in der Theologie. Die musste nun darüber nachdenken, wie sie mit Menschen im Weltraum und der Möglichkeit von außerirdischen Intelligenzen umgehen sollte. Kein geringerer als Karl Rahner zeigt sich im "Lexikon für Theologie und Kirche" für den Bereich der Weltraumtheologie verantwortlich. Im 1964 erschienenen neunten Band der theologischen Enzyklopädie denkt er im Eintrag "Sternenbewohner" darüber nach, was die Menschwerdung Gottes auf dem dritten Planeten unsere Sonnensystems für Bewohner anderer Planeten bedeuten könnte. Allzu bestimmt will er sich aber dann doch nicht festlegen: "Die Frage ist nach allen Seiten mit größter Zurückhaltung anzugehen", schreibt der große Theologe angesichts der, so sieht er es, "existentiellen Bedeutungslosigkeit der Frage": Es sei schließlich angesichts der enormen Entfernungen im All nicht davon auszugehen, dass man je Außerirdische treffen könnte. Viel realistischer schien es dagegen, dass die Menschheit dauerhaft ins All vorstoßen würde.
Kurze Zeit später, 1967, widmete sich daher die amerikanische Zeitschrift "Liturgical Arts" dem All. Inspiriert von einem Artikel über eine mögliche Mondstation, die der Science-Fiction-Autor Isaac Asimov im selben Jahr für das "New York Magazine" entworfen hatte und die auch Raum für eine Kapelle vorsah, malte sich der Oratorianerpriester Terence J. Mangang eine Mondkapelle aus. Das Gotteshaus sollte den Kolonisten dabei helfen, "den Glauben und die Wissenschaft zu integrieren, den Blick aufs Universum mit dem auf Gott und das Selbst zu vereinen". Das eigentliche Design der unterirdischen Kapelle – verantwortlich war der Architekt Mark Mills, ein Schüler Frank Lloyd Wrights – war schlicht: Wände aus Beton, eine zentrale Luke im Dach, durch das Licht hineinfallen und die Blicke zu den Sternen hinaufgehen konnten, gelenkt von einem zeltartigen Trichter aus durchscheinenden Folien.
"Gott ist größer als der Planet Erde"
1967 ging man noch davon aus, dass die visionäre Architektur im Jahr 2000 Wirklichkeit werden könnte. Heute, an der Schwelle zum dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts, gibt es immer noch keine Mondstation. 1972 wurde das Apollo-Programm der NASA eingestellt, seither hat kein Mensch mehr den Mond betreten. Die bemannte Raumfahrt spielt sich im Erdorbit ab, auf der Internationalen Raumstation ISS. So richten sich die päpstlichen Videokonferenzen mit Astronauten auch nicht mehr an Mondgänger, sondern an die Besatzung der ISS. Bibeln werden schon lange nicht mehr auf anderen Himmelskörpern verteilt. Der Papst hat zwar einen Raumanzug, aber keinen Nuntius auf dem Mars. Statt Kapellen für Mondgemeinden gibt es nur viele Krater und Himmelskörper, die die Namen von Ordensleuten tragen, die sich um die Astronomie verdient gemacht haben – und sogar einen Asteroiden namens "Ratzinger". Immerhin nehmen russische Kosmonauten immer wieder Reliquien mit ins All. Dass die Menschen so lange nicht über den Mond hinauskommen würden, hätte in den optimistischen 1960er Jahren wohl kaum jemand gedacht.
Der Chef-Astronom des Vatikans, der Jesuitenbruder Guy Consolmagno, zeigt sich dennoch weiterhin optimistisch und inspiriert von den ersten Menschen auf dem Mond. Die hätten gezeigt: "Gott ist größer als der Planet Erde. Der blaue Himmel über uns ist keine Grenze zwischen dem göttlichen Himmel und der Erde." So wie die Weltraumfahrt ein Projekt sei, das zu einem höheren Ziel diene als unmittelbar anwendbarem Nutzen, so richte auch die Liebe Gottes den Menschen auf ein höheres Ziel aus. "Wir können kein Paradies im Weltraum erwarten", so Consolmagno. "Wir haben das Paradies schon lange verloren. Aber wir können auch neue und wunderbare Orte finden, um Gott zu begegnen."