Laurentius von Brindisi: Ein Kirchenlehrer, verehrt wie ein Pop-Idol
Hysterisch suchen Fans die Berührung. Kreischend bedrängen sie das Objekt ihrer Begierde. Ihr Ziel ist kein modernes Pop-Idol, sondern ein hutzeliger, gichtgeplagter Mönch mit wallendem Bart: der Kapuzinerheilige Laurentius von Brindisi. Bereits zu Lebzeiten als "il Santo" verehrt, starb er am 22. Juli 1619 während einer diplomatischen Mission in Lissabon, genau an seinem 60. Geburtstag.
Kirchenlehrer und Friedensstifter
Wo Lorenzo auftrat, strömten die Leute zusammen. In Italien hatte der Wanderprediger Wunderbares geleistet: als Mönch von vorbildlich asketischem Lebenswandel, als Kirchenlehrer und Kanzelredner, als Friedensstifter auf dem glatten Parkett der Diplomatie.
In den Interessenskonflikten der großen Mächte in Italien vermochte Lorenzo ein echter Makler zu sein. Das Land war nicht durch Glaubensspaltung in feindliche Lager zerrissen wie Deutschland. Heikler war seine Mission in Bayern, Österreich und Böhmen, wo er seine Kapuziner aus der Ordensfamilie des heiligen Franziskus heimisch machte.
Die Jesuiten hatten in Deutschland die Gegenreformation eingeleitet, um die Kirche auf Basis des tridentinischen Konzils zu erneuern. Sie gründeten in Zusammenarbeit mit katholischen Landesherren Jesuitenkollege, Eliteschulen für die Jugend des Adels. Die Kapuziner füllten eine pastorale Lücke; ihr Wirken richtete sich an alle sozialen Schichten.
Lorenzo, geboren in der apulischen Hafenstadt Brindisi, hat eine exzellente Ausbildung genossen. Sprachbegabt hat er außer den modernen auch die alten Idiome der Bibel gelernt wie Hebräisch und Aramäisch, die Mundart Jesu. Als junger Kanzelredner predigte er in päpstlichem Auftrag in Rom - später auch in anderen Städten wie München oder Prag.
Vom jungen Lektor, über den Dozenten für den Ordensnachwuchs in Venedig bis zum General an der Spitze der stürmisch wachsenden Kapuziner: Lorenzo hat die ihm anvertrauten Ämter mit Umsicht und Nachsicht, manchmal auch mit kräftiger Hand geführt. Als Provinzial der Ordensprovinz Venedig hat er die Ausdehnung nach Tirol geleitet.
Anfang August 1599 brach Lorenzo mit zwölf Brüdern nach Böhmen auf - nach Art der Bettelmönche zu Fuß. Eine schwierige Mission: denn Böhmen war ein Brennpunkt rivalisierender reformatorischer Strömungen. Auf der Karlsbrücke fiel ein Schlägertrupp über den Pater her. Lorenzo trat deshalb nicht leiser auf. Bereits im Frühjahr 1600 wurde der Grundstein des Klosters nahe der Prager Burg gelegt.
Doch schon wartete eine neue Herausforderung. Auf päpstlichen Befehl stellte er sich als Feldprediger zur Verfügung, um dem kaiserlichen Heer im Türkenkrieg beizustehen. Wie ein Held wurde der Kapuziner danach gefeiert. Als vor der ungarischen Grenzfestung Stuhlweißenburg die Schlachtordnung wankte, zog er "gegen den Halbmond mit dem Kreuz voraus" und motivierte mit donnernder Stimme die zaudernden Soldaten zum siegreichen Kampf gegen den überlegenen Feind.
Die Legende sagt, dass der Geschosshagel des Feindes am Ordenskleid des Kapuziners abprallte wie an einem Panzer. Der Sieg wurde Lorenzos Führungstalent und Mut zugeschrieben. Der zunächst ungeliebte Padre aus dem Welschland wurde respektiert.
Mit Maximilian I. von Bayern verband ihn ein einzigartiges Vertrauensverhältnis. Lorenzo fand bei seiner päpstlichen Mission, die katholischen Fürsten zu einen und die Gegenreformation voran zu treiben, in dem Herzog einen kongenialen Mitstreiter. Taktvoll befasste sich Lorenzo mit der herzoglichen Ehekrise, wo der Kindersegen ausblieb. Als endlich der ersehnte Thronfolger geboren wurde, glaubte Maximilian das dem Rat und Gebet der Kapuziner zu verdanken.
Organisator, Politiker, Mystiker
Am Vorabend des Dreißigjährigen Kriegs hat Lorenzo in Deutschland nicht als Friedensstifter wirken können. Im Dienst seiner Kirche, die er für die allein seligmachende hielt, hat er dem Machtblock der evangelischen Union - in Pendeldiplomatie zwischen Prag, München, Rom und Madrid - das Bündnis der katholischen Liga entgegengesetzt. Lorenzo von Brindisi war eine selten vielseitige Persönlichkeit: ein großer Organisator, mutiger Politiker, tiefer Mystiker.