Vier Hände für ein Halleluja
Es sind merk- und denkwürdige Monate in der christlichen Welt. Kaum vergehen zwei Wochen, in denen nicht wieder eine der christlichen Konfessionen der Welt ihr Oberhaupt verliert - oder ein neues bekommt. Nun fällt es ausgerechnet zusammen, dass die neuen Führer der beiden bedeutendsten in Westeuropa ansässigen fast auf den Tag zeitgleich den Thron besteigen.
Verbessertes ökumenisches Klima
Die Inthronisation von Justin Welby (57) in Canterbury war seit Monaten für diesen Donnerstag angesetzt. Nun kommt ihm der römische Papst Franziskus (76) aus Argentinien noch um zwei Tage zuvor. Zu ihm reisen Delegationen aus rund 180 Ländern, darunter erstmals seit fast 1.000 oder sogar mehr Jahren der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., sowie der (ebenfalls neu gewählte) koptische Papst-Patriarch Tawadros II.
Nun braucht der so bescheidene wie humorvolle Welby tatsächlich wohl nichts weniger als den großen Auftritt. Sehr wahrscheinlich ist aber, dass er aus ebendiesen Termingründen seinerseits am Dienstag nicht zur Krönung von Papst Franziskus reisen kann - wie es seine Vorgänger seit dem verbesserten ökumenischen Klima durch das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) fast regelmäßig getan hatten.
Intellektueller Freundschaft der beiden Vorgänger
Welbys direkter Vorgänger Rowan Williams und der zurückgetretene Papst Benedikt XVI. (2005-2013) pflegten nachgerade eine Art intellektueller Freundschaft. Die beiden großen Denker schätzten sich sehr - obwohl das ökumenische Klima zuletzt wegen mancher gegenläufiger Entwicklungen gar nicht zwangsläufig ungetrübt sein musste. Stichworte kirchenpolitischer Dissonanzen sind der anglikanische Umgang mit weiblichen Bischöfen und mit homosexuellen Geistlichen einerseits oder die Einrichtung eigener katholischer Strukturen für übertrittswillige Anglikaner 2009 andererseits.
Noch wäre es allzu früh, Vorhersagen über das künftige anglikanisch-katholische Verhältnis treffen zu wollen. Sicher ist allerdings, dass zumindest in punkto Bereitschaft zur Ökumene und persönlicher Sympathiewerte beide neuen Kirchenoberhäupter als gewinnende Persönlichkeiten einen schon beachtlichen Vertrauensvorschuss erhalten.
Klare, kompetente Worte
Welby, Ehrenoberhaupt von rund 77 Millionen Anglikanern weltweit, besticht durch klare, kompetente Worte etwa zu wirtschaftsethischen Fragen - war er doch vor seiner überraschenden Wahl im November lange Zeit Finanzmanager im Öl-Geschäft. Zudem scheut er sich nicht vor entwaffnender (und beeindruckender) Offenheit mit Blick auf seine persönlichen Beweggründe und sein Privatleben. So offenbarte er noch am Sonntag vor seiner Inthronisierung, dass er sehr gerne mal einen Drink nehme. Als Sohn eines Alkoholikers sei er jedoch sehr darauf bedacht, dass seine Ehefrau ein Auge auf seinen Alkoholkonsum halte.
Papst Franziskus, Oberhaupt von 1,2 Milliarden Katholiken, hat in den nur fünf Tagen seit seiner Wahl weltweit Überraschung und Begeisterung hervorgerufen. Aus vielen seiner Gesten und Worte spricht der Wille zu einem neuen Stil im Vatikan; der Wille zu neuer Bescheidenheit, ja gewählter Armut. Dahinter steht allerdings auch ein im ökumenischen Sinne harter Kern, sprich eine theologisch konservative Gesinnung. Es bleibt abzuwarten, was dies für eine interkonfessionelle Verständigung angesichts von Fragen wie der "Homo-Ehe" oder der Frauenordination bedeuten wird.
Einstweilen aber machen beide vor allem "Spaß": Primas Welby wie Papst Franziskus sind Hoffnungsträger eines neuen Stils christlicher Sozialverkündigung. Ihre Bewährungsproben werden wohl schon bald kommen. Nun aber stehen erst mal ihre Feiern an.
Von Alexander Brüggemann (KNA)