"Der Name der Rose" – ein Welterfolg als Musical auf 70 Stufen
Das Buch war ein Welterfolg, der darauf basierende Kinofilm ebenfalls. "Der Name der Rose", das 1980 erschienene Opus magnum des italienischen Schriftstellers Umberto Eco, das sechs Jahre später mit Sean Connery in der Hauptrolle verfilmt wurde, begeistert und fasziniert bis heute. Das mehrschichtige Werk, das gleichzeitig Epochenporträt, philosophischer Essay und breit angelegter Kriminalroman ist, hat stärker und nachhaltiger als jede Geschichtswissenschaft das moderne Bild vom Mittelalter geprägt.
Ab diesem Freitag nun wagen sich die Erfurter Domstufen-Festspiele an den monumentalen Stoff. Für die Festspiele, die in diesem Jahr ihren 25. Geburtstag feiern, hat das norwegische Autorenduo Øystein Wiik (Text) und Gisle Kverndokk (Musik) die opulente Handlung des Buchs erstmals überhaupt zu einem rund dreistündigen Musical geformt. Das Publikum, das in den kommenden Wochen die 21 Vorstellungen auf den zur Bühne umfunktionierten 70 Stufen unterhalb des Erfurter Doms besucht, erlebt also eine Weltpremiere.
Mysteriöse Todesfälle in einer norditalienischen Benediktinerabtei
Inhaltlich geht es in der im November 1327 angesiedelten Geschichte – jedenfalls im Hauptstrang der Handlung – um mysteriöse Todesfälle in einer norditalienischen Benediktinerabtei. Der Mönch Adson von Melk, der als Erzähler durch das Geschehen führt, begleitet seinen Lehrer, den Franziskanermönch William von Baskerville, in das einsam in den Bergen gelegene Kloster. Dort wollen führende Köpfe des Franziskanerordens mit einer Gesandtschaft von Papst Johannes XXII. (1316-1334) zusammenkommen, um brisante theologische Fragen des Für und Wider der Armut der Kirche zu diskutieren und damit gleichzeitig Machtpositionen abzustecken.
Noch bevor das Treffen beginnt, bittet Abt Abbo von Fossanova den für seinen Scharfsinn bekannten William – der früher einmal Inquisitor war –, einen mysteriösen Todesfall aufzuklären, der sich unlängst in dem Kloster ereignet hat. Während Williams detektivischer Arbeit an dem Fall kommen innerhalb weniger Tage vier weitere Mönche auf ungeklärte Weise zu Tode. Überschattet von diesen Verbrechen gerät die theologische Konferenz zur Farce, die verfeindeten Parteien gehen im Streit auseinander. Der junge Adson erlebt in diesen Tagen Abgründe menschlicher Verblendung und wird zugleich durch sein erstes Liebeserlebnis vor eine schwere Entscheidung gestellt.
Eine vielversprechende Spur führt William und Adson bei ihren Recherchen zu den Morden in die Klosterbibliothek. Dort hütet der blinde Bibliothekar Jorge von Burgos einen besonderen Schatz: das einzig erhaltene Exemplar des "Zweiten Buches der Poetik" des Aristoteles, in dem – nach der Tragödie im ersten Teil – die Komödie behandelt wird. Der greise Jorge hält die in diesem Buch vertretene positive Einstellung zur Freude und zum Lachen für derart verwerflich, dass er es mit einem Gift versehen hat und es lieber vernichten würde, als es in fremde Hände fallen zu lassen. Als der Versuch scheitert, nach den fünf Mönchen auch William durch das vergiftete Buch zu töten, setzt Jorge die weitgerühmte Bibliothek in Brand. William und Adson können den Flammen zwar entkommen, das Feuer greift jedoch auf das gesamte Kloster über und vernichtet es.
Dass die komplexe Handlung der Romanvorlage überhaupt für ein Musical komprimiert werden konnte, verdankt sich einem dramaturgischen Kniff der beiden Autoren: Während der gesamten Vorstellung ist Adson von Melk als Erzähler auf der Bühne anwesend. "Er erzählt die Geschichte, kommentiert das Geschehen und treibt die Handlung dadurch voran, dass er dem Publikum Fakten vermittelt, die sonst viel Zeit in Anspruch nehmen würden", erklärt Librettist Wiik, der gemeinsam mit Komponist Kverndokk schon 2008 mit dem Martin-Luther-Musical "Martin L." ein Werk für die Domstufen-Festspiele geliefert hatte. Durch die Rolle des Erzählers werde auch sichergestellt, so Wiik, dass neben der Kriminalgeschichte auch die philosophischen, poetischen und kontemplativen Aspekte des Romans bei der Aufführung Berücksichtigung fänden.
Indirekt an den vom Erfurter Theater durchgeführten Festspielen beteiligt ist auch das Bistum Erfurt. Nicht nur bietet die Diözese mit dem Dom und der benachbarten Severikirche die beeindruckende Kulisse für die Aufführungen von "Der Name der Rose", das Katholische Forum im Land Thüringen begleitet die Aufführungen zudem mit zwei eigenen Veranstaltungen. Bereits am Dienstag führten auf Einladung der bistumseigenen Akademie der Musikwissenschaftler Helmut Loos, der Kirchenhistoriker Jörg Seiler und der Erfurter Dramaturg Arne Langer inhaltlich in das Musical ein. Und an diesem Sonntag sprechen die beiden Autoren des Stücks um 11.30 Uhr in der Erfurter Predigerkirche mit den Theologen Jörg Seiler und Dietmar Mieth über Fragen nach der Dramatisierung des Werks, der historischen Genauigkeit und dem Verhältnis von Fakten und Fiktion.
Themen, die die Kirche im Mittelalter innerlich erschüttert haben
In einem Grußwort hat sich zudem der Erfurter Weihbischof Reinhard Hauke zu dem Musical geäußert. Er hoffe, so der 65-Jährige, dass sich die Zuschauer auch über die historischen Hintergründe der Musical-Handlung informierten. In der Romanvorlage würden Themen vorgestellt, die die Kirche im Mittelalter innerlich erschüttert hätten – etwa die Frage nach der Armut und nach dem Zulassen wissenschaftlicher Erkenntnisse. "Vielleicht gelingt es auch, eine gewisse Dankbarkeit dafür zu empfinden, dass diese Zeiten und Auseinandersetzungen im Wesentlichen überwunden sind und zu einem neuen Denken und Handeln geführt haben, das der Frohen Botschaft Jesu entspricht", so Hauke.
Wer sich "Der Name der Rose" auf den Erfurter Domstufen anschauen möchte, muss sich beeilen – mehrere Vorstellungen sind bereits ausverkauft, für alle anderen gibt es nur noch Restkarten. Die Kartenpreise beginnen bei 66,50 Euro, die letzte Aufführung findet am 1. September statt.