Napoleon und die Kirche – ein taktisches Verhältnis
Frankreich feiert den 250. Geburtstag von Napoleon Bonaparte. Der Feldherr und Kaiser, der am 15. August 1769 im korsischen Ajaccio zur Welt kam, hat Europas Landkarte umgekrempelt. Auch für Katholizismus und Kirche war seine Herrschaft ein Wendepunkt.
"Ich sterbe in der apostolischen und römischen Religion, in deren Schoß ich vor mehr als 50 Jahren geboren wurde." So heißt es im Testament, das Napoleon 1821 kurz vor seinem Tod am 15. Mai in der Verbannung auf St. Helena diktierte. Zuvor hatte er von zwei italienischen Patres die Sterbesakramente erhalten.
Dennoch: Napoleons Verhältnis zur Religion war weithin taktisch geprägt. Persönlich war er nicht fromm, sah den Katholizismus aber als Teil seines Lebens und als "die Religion meiner Väter", wie seine Biografen Günter Müchler und Adam Zamoyski betonen. Religion war für ihn Klebstoff für die Gesellschaft und Schutz vor sozialen Unruhen. Der christliche Glaube an die ausgleichende Gerechtigkeit im Himmel sorgte aus seiner Sicht dafür, dass die Menschen auf Erden große Besitzunterschiede und Armut akzeptierten.
Vor diesen Hintergrund stand für Napoleon, der im November 1799 die Macht durch einen Staatsstreich eroberte, die Versöhnung der Gesellschaft auf dem Programm. Nach den Wirren der Revolution mussten Kirche und Adel befriedet und radikale linke Kräfte gezähmt werden. Er war deshalb entschlossen, Frieden mit dem Papsttum zu schließen und das Schisma zu heilen, das die Revolution in der Kirche ausgelöst hatte: Die Revolutionäre hatten die Kirchengüter enteignet, einen streng antikirchlichen Gegenkult geschaffen und von Priestern und Bischöfen einen Eid auf die revolutionäre Verfassung gefordert – was Tausende ins Gefängnis brachte oder ins Exil trieb. Der Papst wiederum wollte Frankreich, "die älteste Tochter der Kirche", zurück in deren Schoß führen.
Am 15. Juli 1801 wurde das Konkordat unterzeichnet. Darin erkannte Napoleon die römisch-katholische Religion als die "Religion der großen Mehrheit des französischen Volkes" an – aber nicht als Staatsreligion. Der Vatikan verzichtete auf eine Entschädigung für enteigneten Kirchenbesitz. Der Staat übernahm die Entlohnung der Priester und Bischöfe. Sie mussten der Regierung Treue schwören, Napoleon ernannte die Bischöfe, denen der Papst dann die kirchenrechtliche Investitur verlieh. Die Kirche wurde gewissermaßen zu einer staatlichen Einrichtung.
Napoleon brauchte die Legitimation der Kirche
Dennoch hatten beide Seiten ihre wichtigsten Ziele erreicht. Dass Napoleon zu seiner Kaiserkrönung am 2. Dezember 1804 Papst Pius VII. nach Paris kommen ließ und der Papst den Herrscher salbte, zeigt, wie sehr er der kirchlichen Legitimation bedurfte.
Das Einvernehmen hielt allerdings nur kurz – bis Napoleon verlangte, die Häfen des Kirchenstaats für seinen Krieg gegen England zu nutzen. Als der Papst sich weigerte, befahl der Kaiser Ende 1807 die Besetzung Roms. Der Kirchenstaat wurde mit Frankreich vereint. Als Pius den Kaiser daraufhin exkommunizierte, wurde er verhaftet und zunächst in die ligurische Hafenstadt Savona, dann nach Fontainebleau gebracht – als Gefangener, der aber aus seiner politischen Ohnmacht einen moralischen Triumph zu machen verstand. Anfang 1814 kam der Papst frei. Nach Napoleons Niederlage kehrte er im Triumphzug heim nach Rom, wo er sämtliche Neuerungen und Reformen der Revolution wieder aufhob.
Hirten "von Staates Gnaden"
Der Vatikan steht wegen des China-Abkommens in der Kritik. Die Regierung in Peking dürfe kein Mitspracherecht bei Bischofsernennungen erhalten, heißt es. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass eine staatliche Einmischung bei der Besetzung von Bischofsstühlen nichts Neues ist.Lang anhaltende Auswirkungen hatte Napoleons Politik auch auf die Kirchen in Deutschland. Im sogenannten Reichsdeputationshauptschluss von 1803 wurde festgesetzt, dass die weltlichen Fürsten für ihre linksrheinischen Gebietsverluste an Frankreich abgefunden werden sollten. Dies geschah durch Säkularisation kirchlicher sowie durch Mediatisierung kleinerer weltlicher Herrschaften rechts des Rheins. Insgesamt wurden zwei Kurfürstentümer, neun Reichsbistümer und 44 Reichsabteien aufgelöst – Entschädigungszahlungen erhalten die Kirchen noch heute.
Die territoriale Neuordnung bedeutete zugleich einen Zugewinn an religiöser Toleranz: Die Bevölkerung der verbliebenen deutschen Staaten wurde religiös vielfältiger, und es gab Fortschritte bei der Gleichberechtigung der Konfessionen.