Religionsunterricht nach Greta: Weniger rechtfertigen, mehr machen!
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Das Schuljahr hat wieder begonnen. Neues Schuljahr, neue Klassen, neue Schüler. Und dieses Mal eher gemischte Gefühle, weil ich in den Ferien nachgedacht habe über meine Rolle als Religionslehrerin und die Zukunft des Religionsunterrichts.
Was ist passiert? Ich hatte tolle Ferien, in denen ich so viel Neues gelesen, gesehen, gehört habe, sodass ich inspiriert und vollgepackt mit Ideen bin. Inspiriert und beeindruckt bin ich aktuell auch von der Pippi Langstrumpf des Klimawandels: Greta Thunberg.
Wissen Sie, was mich an ihr am meisten fasziniert? Dass sie etwas tut, obwohl doch alle Welt suggeriert, wie schwierig es wäre. Sie setzt ihre Erkenntnisse in Handlungen um.
Beschränkung auf Rechtfertigung
Inspiration einerseits und das Nachdenken über Gretas Handeln andererseits haben mich nachdenklich werden lassen: Wie setze ich meine Ideen in Handlungen um? Wie mache ich meine Ansätze zugänglich für meine Schüler? Meine ehrliche Antwort: Ich beschränke mich meist auf Rechtfertigung. Darüber, was Religionsunterricht sein soll, anstatt den Fokus darauf zu legen, das zu tun, wovon ich überzeugt bin. Und ganz oft dafür, dieses Fach noch – oder überhaupt – zu unterrichten. Ich habe den Eindruck, dass nicht nur ich, sondern eine ganze Riege an Religionslehrern krampfhaft versucht zu begründen, warum ihr Unterricht grundsätzlich sinnvoll ist. Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass ich nachts um drei angehende Religionslehrer wecken könnte und sie mir eine Litanei an guten Gründen für den Religionsunterricht herunterbeten können. Grundsätzlich ist es löblich, dass man sein eigenes Fach begründen und vertreten kann. Und ich stimme den meisten Argumenten sogar zu.
Mein Problem sind nicht die Argumente, sondern dass ich diesen Diskurs nicht mehr als Begründung, sondern als Rechtfertigung erlebe. Und diese tritt nun mal dann ein, wenn man sich angegriffen und gegen die Wand gedrückt fühlt. Ist es nötig, sich gegen Widerstände gegen das Fach zu verteidigen? Und mehr noch: Hat das jemals einen Konflikt aufgelöst?
Diese Form der Rechtfertigung ist für mich mittlerweile mehr trotziges Auf-den-Boden-Stampfen darüber und der Versuch argumentativ zu lösen, was strukturell hakt und gesellschaftlich hinterfragt wird. Und das heißt noch nicht, dass es auch andere (im Bestfall die, für die es ein soll: unsere Schüler!) mitbekommen und dass wir das umsetzen, was wir ... nun ja ... predigen. Lost in Rechtfertigung.
Mit meinen von Greta ausgelösten Gedanken gehe ich in meine erste Schulwoche. Und nehme mir vor herauszufinden, welche Widerstände es scheinbar geben muss, gegen die argumentiert wird.
Die Religionskurse sind merklich geschrumpft. Ich sehe mich vor meinem inneren Auge in Zukunft vor leeren Rängen Reden schwingen. Deswegen habe ich meine Themen heute Morgen spontan daheim gelassen und mich entschlossen, anders einzusteigen. Erstmal unbekanntes Terrain erkunden quasi. Also sprechen, schreiben, lesen, erarbeiten lassen, was Religionsunterricht "bringen" soll, was die Schüler erwarten, was sie sich wünschen.
Damit stoße ich meinen Schülern gehörig vor den Kopf und zu Beginn sehe ich in verwunderte, teils sogar verunsicherte Gesichter, als an der Tafel steht: "Was bringt Religionsunterricht?" Gemurmel über das, was man schreiben könnte, wie kritisch man sein darf. Will Frau Maximini das hören? Einer (noch) unbekannten Lehrerin um die Ohren hauen, was man von ihrer Arbeitsgrundlage denkt? "Also verstehen Sie mich jetzt nicht falsch, ...", "Kann ich das jetzt so sagen ...?" Aus einer Ecke sagt eine Schülerin: "Ich hätte überhaupt mal gerne richtigen Religionsunterricht!"
Was soll der Religionsunterricht bringen?
Zusammengefasst ist das Erschreckende für mich daran: Es kommen kaum Antworten auf die Frage. So steht in einer Stunde als Fazit der Klasse darüber, was Religionsunterricht bringen soll, an der Tafel: "Neue Einsichten". Und "Bitte keine Bibel". Das ist ungefähr so, als wenn man um Einschätzung zu einem Menschen fragt und dann die Verlegenheitsantwort kommt: "Ja, der ist nett."
Kein Wunder, oder? Wenn man so fragt! Ja und Nein, muss ich antworten. Zu erzählen haben meine Schüler viel. Was sie erlebt haben im Unterricht, was sie nicht mehr wollen und nach dem Warmwerden mit meiner Holzhammermethode auch, was sie aktuell bewegt und interessiert.
Ich gebe es zu: Nach den Gesprächen mit meinen Schülern kann ich sie besser verstehen. Unsere ganzen Rechtfertigungen und Begründungen kamen nicht bei ihnen an.
Es gab Themen, von denen sie mir erzählen konnten und die für sie wichtig wurden. Aber genuine Religionsunterrichtsthemen waren das nicht immer. Oder: Sie wären es wert gewesen, dort behandelt zu werden – wurden es aber nicht.
Erweitern wir das Ganze mal. Denken Sie, Schüler können die Relevanz von Deutsch- oder Matheunterricht ad hoc verbalisieren? Ich weiß es nicht, wohl eher nicht. Ich glaube aber, dass vor allem die Anwendung dieser Fächer im alltäglichen Leben nachvollziehbar ist oder wird. Und dass diese Fächer weniger in der Krise stecken. Letztlich kommt es aber auch hier darauf an, dass nur dann sinnhaft gelernt werden kann, wenn es sinnvoll erscheint. Und hier bringen uns unsere in akademischer Manier ausgearbeiteten Begrün... Rechfertigungen, die uns selbst beruhigen (sollen), herzlich wenig.
Man könnte fatalistisch behaupten: Wer weiß schon, was unsere Schüler in 25 Jahren für ihre Karriere und ihr Leben brauchen, wenn wir noch nicht einmal eine Ahnung von den Berufen haben, die es in Zukunft geben wird? Vielleicht wird der aktuelle Fächerkanon obsolet. Vielleicht werden aber gerade die Fächer wichtig, die uns die Welt interpretieren und verstehen lassen: Kunst, Musik, Literatur, Religion. Merken Sie, dass ich schon wieder abstrakt rechtfertige?
Plausible Erklärungen sind gefragt
Fest steht für mich: Wenn wir es jetzt nicht schaffen, plausibel zu zeigen, dass es etwas "bringt" und unseren Schüler ermöglichen, etwas zu machen (zu erleben, zu fühlen, sich mit etwas auseinanderzusetzen), dann können wir noch so viele Jahre Texte zur Begründung schreiben. Es kommt dann aber niemand mehr.
Ich nehme mir vor, weniger rechtzufertigen und mehr zu fragen, zuzuhören, zum Handeln zu bewegen.
Dass man etwas tut, obwohl doch alle Welt suggeriert, wie schwierig es wäre: Greta Thunberg tritt für ihre Ideen und einen Wandel ein. Und Pippi Langstrumpfs Mottos kann man in dem Zusammenhang als Inspiration lesen, weniger zu rechtfertigen und mehr zu machen: "Ich mach mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt!"