Bischof nach USA-Reise über die Priesterausbildung

Timmerevers: Eucharistische Anbetung kann zentral für Berufungen sein

Veröffentlicht am 23.08.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Timmerevers: Eucharistische Anbetung kann zentral für Berufungen sein
Bild: © KNA

Bonn ‐ Anders als hierzulande bleibt die Zahl der Priesteramtskandidaten in den USA stabil. Nach einem Besuch dort sieht Heinrich Timmerevers, Bischof von Dresden-Meißen, gleich mehrere Faktoren, die in den Vereinigten Staaten besser laufen.

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Einen kirchlichen Neuaufbruch hat der Bischof von Dresden-Meißen, Heinrich Timmerevers, jüngst auf einer Reise durch die USA beobachtet. Der Bischof, der auch Mitglied der Kommission für Geistliche Berufe und Kirchliche Dienste der Bischofskonferenz ist, zeigte sich beeindruckt von dem dort "vollzogenen Kulturwandel" in der Berufungspastoral. Im Interview spricht er darüber, was Deutschland von der US-Kirche lernen könnte.

Frage: Herr Bischof, wie schafft es die katholische Kirche in den USA, dass keine totale "Ebbe" in den Seminaren herrscht?

Bischof Timmerevers: Tatsächlich hat sich die Anzahl der Priesterweihen in der katholischen Kirche in den USA zuletzt stabilisiert. Während im Jahr 2000 laut CARA-Institut 442 junge Männer zu Priestern geweiht wurden, waren es im Jahr 2018 dann 518, was beinahe der Zahl von 1985 mit 533 entspricht. Die Erklärung für diese Entwicklung ist vielfältig. Drei Aspekte fielen mir auf.

Frage: Welche?

Timmerevers: In den letzten 15 bis 20 Jahren hat sich in den USA allmählich eine Vision und Kultur der Berufung entwickelt, die sich - ausgehend von den Bischöfen - in Pfarreien sowie der Jugend- und Hochschulpastoral wiederfindet. Junge Menschen kommen an vielen Orten mit der Frage nach ihrer Berufung unkompliziert in Berührung. Die Berufungspastoral ist beispielsweise selbstverständlich bei den großen Jugendkonferenzen der von Franziskanern getragenen Steubenville University oder der Seek-Conference der Hochschulinitiatve FOCUS präsent. Junge Menschen werden dabei keineswegs verzweckt, sondern sollen - so die Verantwortlichen der Berufungspastoral, mit denen wir gesprochen haben, - frei den Ruf Gottes für ihr Leben hören.

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"Berufung" – die betrifft doch nur wenige Auserwählte... Tatsächlich? Richtet sich Gottes Ruf nur an Priester, Ordensleute und Co.? Oder gibt es eine Berufung für alle Christen? Pastor Christian Olding geht dem Thema auf den Grund.

Frage: Wie geht es weiter, wenn sie sich für diesen Weg entscheiden?

Timmerevers: Eine zentrale Rolle im Prozess der Entscheidung zum Priestertum spielt die eucharistische Anbetung, die laut CARA-Institut etwa 75 Prozent der jungen Männer, die dann ins Seminar eintraten, regelmäßig besucht haben. Auch sie wird vielfach gefördert. Die Berufungspastoral ist sehr gut vernetzt mit Verantwortlichen in Pfarreien und der Jugend- und Hochschulpastoral. Der gemeinsame Fokus, der auch auf Konferenzen zum Ausdruck kommt, ist die Berufung junger Menschen in der Nachfolge Christi.

Frage: Welche Rolle spielen Frauen in der US-Priesterausbildung?

Timmerevers: Unsere Reise wurde organisiert und begleitet von Rosemary Sullivan. Sie ist die Nationaldirektorin der Konferenz der Diözesanverantwortlichen für die Berufungspastoral. Sie ist hauptverantwortlich für die US-weite Berufungspastoral, stimmt sie mit den Bischöfen ab, bildet auch die neuen "Vocation directors" der Diözesen aus und weiter und steht in beständigem Kontakt mit ihnen. In diesen Tagen findet die von ihr organisierte nationale Berufungspastoralkonferenz mit über 300 Teilnehmenden statt.

Frage: Und über diese Einzelfigur hinaus?

Timmerevers: In den von uns besuchten Seminaren konnten wir mit den jeweiligen Rektoren sprechen, die selbst Priester sind. Sie haben auch von Frauen in der Ausbildung berichtet, die etwa als Psychologinnen und Professorinnen tätig sind - und nicht selten über die Aufnahme und den Verbleib der Seminaristen mitentscheiden. Das Miteinander von Frauen und Männern mit ihren jeweiligen Berufungen geschieht in der Ausbildung in einer sehr wohltuenden und einheitlich-geistlichen Weise.

Frage: Welchen Einfluss hatten die Missbrauchsskandale auf die Priesterberufungen und auf die Ausbildung?

Timmerevers: Da die Zahl der Priesterweihen in den letzten Jahren gestiegen ist und keine Statistiken darüber vorliegen, warum sich jemand nicht für das Priestertum entschied, ist es schwer, etwas zur Auswirkung des Missbrauchsskandals auf die Priesterberufungen zu sagen. Die Ausbildung hat sich jedoch in dessen Folge geändert: Die Auswahlkriterien für die Kandidaten und deren Überprüfung in den Seminaren wurden deutlich strenger.

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Ein Priester betet den Rosenkranz.

Frage: Machen sich diese Änderungen bereits bemerkbar?

Timmerevers: Dass sie eine Verbesserung bringen, zeigt der Pennsylvania Grand Jury Report. Danach wurde von den in den Jahren von 2005 bis 2017 Neugeweihten ein Priester zum Missbrauchstäter. Ein Beispiel für die hohe Sensibilität in dieser Frage ist mir im Kenrick-Glennon Seminary in St. Louis aufgefallen: In den Gängen ist die Nummer der Missbrauchsbeauftragten des Bistums angebracht, und die Seminaristen werden angehalten, jegliche Übergriffigkeit direkt dort zu melden. Die beauftragte Person steht außerhalb der Bistumsleitungsstruktur.

Frage: Gibt es in der Priesterausbildung in der USA Ideen und Konzepte, die sich in Deutschland übernehmen lassen?

Timmerevers: Im soeben genannten Seminar kommen 115 junge Männer aus 21 Diözesen zusammen. Damit ist eine gute Seminargröße gegeben, die das Wachstum des Einzelnen ermöglicht, aber auch das Lernen des Gemeinschaftslebens. Viele Seminare legen zudem den Schwerpunkt darauf, jungen Männern das Beten zu lehren und ein umfassend geistliches und zugleich bodenständiges Leben einzuüben. Sie verrichten vielfältige soziale Tätigkeiten und arbeiten auch in der Hauswirtschaft mit.

Frage: Gibt es weitere positive Beispiele?

Timmerevers: Das St. John Vianney Seminary der Erzdiözese Denver beginnt die Ausbildung im Propädeutikum mit einem "Spirituellen Jahr", in dem die Kandidaten nur an den Samstagen Social Media oder digitale Geräte nutzen dürfen. Das stellt eine Herausforderung dar, doch entsteht so der Raum der Stille, in dem die eigene Berufung unterschieden werden kann. Zusätzlich sind sie in dieser Zeit in vielfältigen Sozialeinsätzen aktiv. Während die jungen Männer im zweijährigen Philosophiestudium in der auch bei uns bekannten Seminarform beheimatet sind, leben sie während des vierjährigen Theologiestudiums in Gruppen von zwölf Personen in Pfarreien zusammen und werden vom Pfarrer oder einem zusätzlichen Ausbilder betreut. Vor Ort gestalten sie die Pastoral mit und verbinden so Leben und Studium. Wir haben auf unserer Reise einen Ausschnitt der Berufungspastoral und Seminarausbildung der USA wahrgenommen, werden die Ergebnisse prüfen und nachdenken, was übertragbar ist.

Von Paula Konersmann (KNA)

Linktipp: So findet man die eigene Berufung

Der Weltjugendtag ist ein besonders guter Nährboden für Berufungen, finden Schwester Magdalena Morgenstern und Pater Clemens Blattert. Die beiden Ordensleute sind auf dem Weltjugendtag in Panama Ansprechpartner für deutschsprachige junge Menschen, die Fragen zu diesem Thema haben. Und dabei geht es nicht nur um künftige Priester und Ordensleute.