Abschieben um jeden Preis schade dem Ansehen Deutschlands

Wegen Kirchenasyl: Bundesarbeitsgemeinschaft kritisiert Seehofer

Veröffentlicht am 29.08.2019 um 13:04 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Seit einem Jahr gelten in Deutschland strengere Regeln für das Kirchenasyl. Seitdem würden fast keine Härtefälle von Flüchtlingen mehr anerkannt werden, kritisieren Asylorganisationen nun in einem offenen Brief an Innenminister Seehofer.

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Die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in einem offenen Brief aufgefordert, die humanitäre Praxis des Kirchenasyls zu respektieren. Er solle zu einer lösungsorientierten Haltung zurückzukehren, heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Schreiben. Zu den Unterzeichnern gehören auch der "Jesuiten-Flüchtlingsdienst", "Pro Asyl" und die "Initiative Kirche von unten".

Seit August 2018 wurden die Regelungen für das Kirchenasyl verschärft. Das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gehört zum Geschäftsbereich des von Seehofer geführten Innenministeriums. Nach Angaben der Asylverbände war die Folge der Änderungen, dass fast keine Härtefälle mehr anerkannt würden.

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Weiter heißt es in dem Brief, die gegenwärtige Praxis des BAMF im Umgang mit Härtefällen und die Sanktionen während und nach einem Kirchenasyl schadeten dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland. Ein Rechtsstaat, der Kirchenasyl als Korrektiv de facto verhindere, zeige Schwäche, nicht Stärke. Die gegenwärtige Praxis der Abschiebens um jeden Preis sei "kurzsichtig und untergräbt unser Vertrauen in den Rechtsstaat". Die Unterzeichner forderten Seehofer dazu auf, sich für eine Politik einzusetzen, „die das Kirchenasyl überflüssig macht, statt es zu bekämpfen“.

Zugleich rief die Bundesarbeitsgemeinschaft den 30. August zum Tag des Kirchenasyls aus. An diesem Tag starb 1983 in Berlin der 23-jährige politische Flüchtling Cemal Kemal Altun. Er stürzte sich während seiner Verhandlung aus Angst vor der Abschiebung in die Türkei aus dem Fenster des Gerichtssaals. Seitdem seien viele weitere Menschen als Folge der Abschiebungspolitik Deutschlands zu Tode gekommen, körperlich oder seelisch verletzt worden. Kurz nach Altuns Tod begann das erste in der Bundesrepublik dokumentierte Kirchenasyl in der Berliner Heilig-Kreuz-Gemeinde.

Bereits im Juli hatten Ordensobere aus Würzburg einen offenen Brief an Seehofer geschrieben, in dem sie die verschärften Regeln des Kirchenasyls kritisierten. Einen ähnlichen Brief hatten zudem im Februar Pfarrer beider Konfessionen aus der Metropolregion Nürnberg geschrieben, wo das BAMF ansässig ist. (rom/KNA)