Warum die Kirche den "Wettersegen" spendet
Vielerorts ist es ein alter Brauch, dass während der Sommermonate am Ende des Gottesdienstes der Priester einen besonderen Segen spendet. Dieser Segenswunsch gilt in dieser Zeit besonders den Früchten der Erde, die während der heißen Tage heranreifen und auf gedeihliches Wetter angewiesen sind. Daher trägt dieser Segen landläufig auch den Namen "Wettersegen": Nicht, weil mit ihm das Wetter gesegnet werden soll, sondern weil man in ihm vor allem das Gott anvertraut, was in dieser Zeit vom Wetter bedroht werden kann. In früheren Zeiten war dies besonders wichtig, als die Menschen noch hauptsächlich mit der Landwirtschaft ihren Lebensunterhalt verdienten und nur das zum Leben hatten, was sie selbst angebaut und geerntet hatten. Das ist vielerorts lange vorbei. Und doch erfreut sich der Wettersegen einer großen Beliebtheit. Wie ist das Ritual eigentlich entstanden? Und wie können wir diesen uralten Segenswunsch in unserer heutigen, modernen Gesellschaft in angemessener Weise verstehen?
Zunächst einmal ist auffällig, dass der Wettersegen nicht das ganze Jahr über erteilt werden darf. Die Zeit für den Wettersegen unterliegt regionalen Unterschieden. Meist kann er ab dem Markustag (25. April) gespendet werden, mancherorts ab dem Gedenktag des heiligen Georg (23. April). Früher galt häufig auch der 3. Mai als Beginn der Zeit für den Wettersegen: An ihm beging man das Fest der Kreuzauffindung. Als letzter Termin für die Erteilung des Wettersegens gilt gemeinhin das Fest der Kreuzerhöhung, also der 14. September. Mit der Festlegung von Ende April bis Mitte September fällt der Wettersegen in die Zeit des Frühlings und Sommers. Das ist der Zeitraum, der für den Anbau von Gemüse und Pflanzen von besonderer Bedeutung ist: Hier entscheidet sich, bestimmt durch das Wetter, ob es eine gute Ernte wird, ob Pflanzen gedeihen und wachsen oder ob durch Unwetter Missernten herbeigeführt werden. Wo letzteres der Fall ist, stehen Hungersnöte und eine harte Winterszeit ins Haus. Daher war es von alters her so bedeutsam, in dieser geprägten Zeit den Wettersegen zu erteilen. Das hat sich bis heute so bewahrt, obwohl die Pflanzen in den Gewächshäusern längst nicht nur im Sommer wachsen und Gemüse und Obst ganzjährig bei uns im Supermarkt verfügbar sind.
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Heute kann der Wettersegen am Ende der Messfeier im Rahmen des allgemeinen Schlusssegens erteilt werden. Der Text des Wettersegens lautet: "Gott, der allmächtige Vater, segne euch und schenke euch gedeihliches Wetter; er halte Blitz, Hagel und jedes Unheil von euch fern. Er segne die Felder, die Gärten und den Wald und schenke euch die Früchte der Erde. Er begleite eure Arbeit, damit ihr in Dankbarkeit und Freude gebrauchet, was durch die Kräfte der Natur und die Mühe des Menschen gewachsen ist." Damit rückt der Wettersegen nicht nur die Bitte um "gedeihliches Wetter" in den Mittelpunkt, er thematisiert auch das, was nach dem Anbau und der Ernte geschieht: Nämlich der achtsame Umgang mit der Nahrung, mit den Geschenken der Schöpfung. In "Dankbarkeit und Freude" soll man die Früchte der Natur gebrauchen. Dankbar, weil sie ein Geschenk sind, das der Mensch durch seine Arbeit nur in einem bestimmten Maß beeinflussen kann. Und freudig, weil alle Schöpfung eine Gabe Gottes ist, der sich um den Menschen sorgt und sich um sein Wohlergehen kümmert. Jede Ernte ist Ausdruck einer zweifachen Sorge: Sie ist Ergebnis von menschlicher Arbeit und Geschenk von Gottes guter Schöpfung. Das gilt es nachhaltig zu würdigen – auch wenn gerade letzteres gerne beim Genuss der irdischen Gaben vergessen wird. Jede Ernte ist nie Selbstverständlichkeit, sondern immer ein Geschenk.
"Schauerkerzen" sollten Dämonen abwehren
In der Zeit vor der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils war eine andere Form des Wettersegens üblich. In einem Wechselgebet zwischen Priester und Volk bat man um Erlösung von "Blitz, Hagel und Unwetter" und nach der Anrufung von vielerlei Heiligen um ein Zunichtemachen der "feindlichen Mächte der Lüfte". In früheren Zeiten stand nicht die Bitte um gedeihliches Wetter im Vordergrund, sondern die Vertreibung dämonischer Mächte, die das Wetter verwirren und mit Blitz, Hagel und Ungewitter die Menschheit bedrohen. Vielerlei Bräuche hatten sich in diesem Umkreis entwickelt: Man läutete zum Beispiel die Glocken, um mit ihrem lauten Klang die Dämonen zu vertreiben. Oder man sprach bestimmte Exorzismusgebete, in deren Rahmen viel Weihwasser versprengt wurde, im Glauben daran, dass damit die unheilbringenden Dämonen gebannt würden. Auch das Brauchtum, bei Gewitter eine schwarze Kerze anzuzünden, hat hier seinen Ursprung. Die sogenannten "Schauerkerzen" wurden häufig an Wallfahrtsorten erworben, wo sie aus den Resten des Kerzenwachses hergestellt wurden (daher auch ihre schwarze Farbe). Ihnen wurde eine besondere Wirkmacht zugesprochen. Im Herrgottswinkel aufgestellt und während eines Unwetters angezündet, sollte sie das eigene Haus und den Hof vor Blitzschlag und Hagel bewahren. Mancherorts wurde besonders die heilige Mutter Anna mit einem kurzen Stoßgebet angerufen, in der Bitte, sie möge vor Blitz und Unwetter schützen. Ein solches, einst in Franken verbreitetes Gebet, lautet: "Heilige Mutter Anna, treib es Gewitter von danna, treib es in den tiefen Wald, wo es weder Mensch noch Tieren schad."
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In den Zeiten, in denen die Menschen die Naturphänomene noch nicht hinreichend erklären konnten, wurden Dämonen, Geister und Gespenster als Begründung für Unwetter herangezogen. Kirchlicherseits wurden die Ängste der Bevölkerung ernstgenommen und mit manchem apotropäischen, also Unheil abwehrenden Ritus versuchte man, dem Bösen durch Verbreitung des Guten Einhalt zu gebieten. Die dahinterstehende Logik lautete: Alles Heilige hat die Macht, das Böse zu überwinden und fernzuhalten. Wenn Weihwasser verspritzt und Gebete gesprochen werden, trauen sich die Dämonen nicht, sich zu nähern. Sie schrecken zurück und lassen Haus und Hof in Frieden. In diesem Umfeld hat sich der Wettersegen entwickelt, der zunächst ebenfalls als solch abwehrender Ritus diente. Nach der Liturgiereform durch das Zweite Vaticanum hat sich die Blickrichtung verändert: Es geht nicht mehr nur um die Bewahrung vor einem konkret bevorstehenden Unheil, sondern um die Segensbitte für den gesamten Prozess des Aussäens, des Wachsens, Erntens und Genießens. Vom ersten Saatkorn bis zum letzten Bissen Brot, der aus der Ernte hergestellt wurde, wird alles eingeordnet in Gottes gute Schöpfung.
Vielleicht ist es heutzutage gar nicht mehr aktuell, den Wettersegen nur in der Sommerzeit zu spenden. Immerhin haben die Menschen von heute nicht nur die Ernte auf den eigenen Feldern und Gärten zuhause vor Augen. Wenn in den Regalen der Supermärkte ganzjährig alle Sorten von Früchten und Gemüse angeboten werden, die aus den unterschiedlichsten Ländern kommen, dann stehen auch sie im Blick des Wettersegens. Oder die Ernte in den Treibhäusern, die nicht nur im Sommer ansteht, sondern mittlerweile beinahe das ganze Jahr umfasst. Mitunter ist es gerade auch im Winter wichtig, Gott in besonderer Weise um den Schutz vor Unwetter zu bitten. Auch unheimlich starker Schneefall oder sehr niedrige Temperaturen können zu Schäden führen und das Leben der Menschen in unnatürlicher Weise beeinträchtigen. Gerade das Thema Klimaerwärmung, das momentan hochaktuell ist, zeigt, wie sehr wir Menschen lernen müssen, verantwortungsvoll mit der Schöpfung umzugehen. Die Spendung des Wettersegens will uns dafür sensibel machen. Der Wettersegen alleine bewahrt nicht vor dem Klimawandel und vor Unterwetterkatastrophen. Aber er weist auf die Schöpfung hin und ruft zu einem bewussten Umgang mit ihr auf. Er macht deutlich, dass die ganze Erde Geschenk und Aufgabe ist, die Menschen mit ihrer Arbeit pflegen müssen. Gottes Segen begleitet diese Mühe, die Zusage ist im Wettersegen enthalten. Gottes Gegenwart offenbart sich inmitten seiner Schöpfung, wo Menschen in "Dankbarkeit und Freude" bewusst mit dem umgehen, was sie als Frucht der Erde empfangen haben.