Ab heute im Amt: Das ist der neue Chef der Regensburger Domspatzen
Christian Heiß nennt es "einen Kindheitstraum, einen, den man halt so als 10- oder 11-Jähriger hat". Damals war er in der sechsten Klasse am Musikgymnasium der Regensburger Domspatzen. Georg Ratzinger stand an der Spitze des weltberühmten Knabenchors, als Domkapellmeister. Genau das wolle er auch einmal werden, hatte ihm Heiß gesagt. Nun wird der Kindheitstraum für den 52-Jährigen wahr. Ab 1. September übernimmt er das Amt; nach Roland Büchner ist er der zweite Familienvater an der Spitze des Chors.
"Es fordert mich heraus und spornt mich an", sagt Heiß über seine Berufung auf eines der wichtigsten Ämter in der katholischen Kirchenmusik. Unter 40 Mitbewerbern, darunter erstmals auch Frauen, hat sich Heiß durchgesetzt. Für das neue Amt bringt er nicht nur seine eigenen Erinnerungen mit. Nach seiner Zeit als Sänger bei den Domspatzen studierte Heiß Kirchenmusik, erwarb das A-Diplom und ein Orgel-Meisterklassendiplom in München, unter anderem als Schüler von Franz Lehrndorfer (1928-2013).
"Viel Energie und Hirnschmalz"
1999 wurde er in Eichstätt Domorganist, ab 2002 Domkapellmeister. Außerdem ist er als Komponist tätig und vertonte unter anderem den Primizspruch von Benedikt XVI. Das Werk war offizielles Geschenk der Deutschen Bischofskonferenz an den Papst zu dessen Deutschland-Besuch im September 2011.
Der Abschied von Eichstätt, von den ans Herz gewachsenen Chören, fällt ihm schwer. Das Angebot der Kirchenmusik hat er dort erweitert. "Viel Energie und Hirnschmalz" sei in den Aufbau der Kinder- und Jugendgruppen sowie der Gregorianik geflossen, sagt er. Das alles lasse er nun hinter sich. "Ich werde es vermissen, jeden Sonntag am Pult im Dom zu stehen", sagt Heiß.
Bei den Domspatzen ist er nicht nur für die musikalische Gestaltung der Liturgie im Dom zuständig, sondern auch konzertant unterwegs. Ein großes Geschenk sei es, an den Ort zurückzukehren, der ihn als Menschen und Musiker entscheidend geprägt habe. Nun könne er etwas davon zurückgeben: "Ich liebe es, geistliche Musik zu machen. Ich liebe es, in der Liturgie zu sein."
"Quasi mit der Muttermilch" habe er bereits die Kirchenmusik aufgesogen, erzählt Heiß. Sein Vater habe nebenberuflich den Kirchenchor geleitet und Orgel gespielt. "Ich konnte kaum laufen, da saß ich schon auf dem Orgelbock." Auch seine gute Stimme hätten die Eltern bemerkt. Wo also hin nach der Grundschule? Er habe damals als Bub Konzerte vom Windsbacher Knabenchor und den Domspatzen besucht. Der katholische Knabenchor ist es dann letztlich geworden.
Selbst keine sexuellen Übergriffe erlebt
Heiß war von 1977 bis 1986 im Musikgymnasium und dem Internat der Domspatzen. Damals habe er selbst keine sexuellen Übergriffe erlebt oder diese mitbekommen. Bei einem Klassentreffen vor wenigen Jahren sei dies auch von Mitschülern seiner Jahrgangsstufe bestätigt worden. Dazu kommt, dass er nicht die Vorschule der Domspatzen besuchte, in der die meisten Taten geschehen sind.
Heiß betont, dass er die Vorfälle nicht kleinreden wolle - ganz im Gegenteil. Auch wenn nun mit der historischen und der kriminologischen Studie die Aufarbeitung und Aufklärung weitestgehend abgeschlossen sei, bleibe das Thema präsent. "Für mich ist vollkommen klar, dass diese Zeit und die Taten zur Geschichte der Domspatzen gehören." Er stehe in der Pflicht, Offenheit und Transparenz im Haus zu pflegen. Ohne die Aufarbeitung wäre es mehr als fraglich für ihn gewesen, sich um die Leitung der Domspatzen zu bewerben.
Probleme mit der Prägung der Domspatzen als A-cappella-Chor hat Heiß nicht. Der Blick auf die Arbeit des Domkapellmeisters sei in Regensburg intensiver als in Eichstätt. "Ob das eine Last sein kann, muss ich selbst erfahren." Privat bedeutet der Wechsel für Heiß jedenfalls erst einmal viel Pendeln. In Regensburg wird er eine kleine Wohnung beziehen, seine Familie bleibt zunächst in Eichstätt. Sein Sohn hat bereits Abitur gemacht, die beiden Töchter gehen noch zur Schule. "Man lässt viel hinter sich", sagt Heiß. "Aber enge Freundschaften überstehen das."