Wenn die Pfarrei wegbricht, fehlen nicht nur Gottesdienste!
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Warum wählen so viele Menschen Empörung, Ausgrenzung und Menschenhass? Nach den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen gab es viele Erklärungen. Viele davon strukturell. Genannt werden fehlender ÖPNV, fehlende Infrastruktur, der Wegzug der Jungen, der Frauen. Online-Medien bieten interaktive Karten an, die Leerstand und demographische Daten zeigen. Viel ist die Rede davon, dass "die Parteien", "die Politik" diese Gegenden aufgegeben hätten. Was in den interaktiv aufgearbeiteten Karten kaum vorkommt: Daten über die selbstorganisierte Zivilgesellschaft. Über Vereine pro Kommune, über Vereinsmitgliedschaften pro Einwohner, über Initiativen, die Bürgerbusse, fahrende Tante-Emma-Läden und Dorfkneipen selbst organisieren, und ja, auch: Über Kirchenmitgliedschaft und kirchliches Engagement.
Die Ergebnisse wären wohl ernüchternd, wenn auch nicht überraschend. Der Journalist Philipp Greifenstein, der im sachsen-anhaltinischen Lutherstadt Eisleben wohnt, hat jüngst im Eule-Magazin über den Rückzug ins Private, Resignation und die Schwierigkeit gemeinsamen Engagements in seiner Stadt geschrieben. "Zur Demokratie gehört Öffentlichkeit", betont er. Wenn der Musikverein, der Sportverein mangels Engagierter wegbrechen, dann fehlen nicht nur Chöre und Fußballspiele. Wenn die Pfarrei wegbricht, dann fehlen nicht nur Gottesdienste. "Auch die Stadtgemeinde braucht den Bürgersinn der Christen", schreibt Greifenstein, und er hat recht. Wie kommt man dahin, wenn nicht nur die Christen weniger werden, was hilft über wohlfeile Appelle an die Selbstorganisation hinaus? Das Problem ist ja gerade die Abwärtsspirale, bei der weniger Menschen zu weniger Infrastruktur zu weniger Engagement zu mehr Wegzug führen.
Es gibt Beispiele, wie gegengesteuert werden kann. Das im Umfeld der Katholischen Landfrauenbewegung im Erzbistum Freiburg entstandene "Netzwerk Nachbarschaftshilfe" etwa mit mittlerweile Dutzenden von Vereinen, die bürgerschaftlich Infrastruktur auf Dörfern erhalten. Damit solche Gruppen wachsen können, braucht es vor Ort Engagierte und Begeisterte. Die lassen sich durch kein staatliches Förderprogramm erschaffen. Politisch und zentral lässt sich wenig aufbauen, aber viel erschweren durch bürokratische Hürden, Steuer- und Sozialgesetze und andere Regulierungen, bei denen zivilgesellschaftliche Initiativen nicht mitgedacht werden. Hier gilt es anzusetzen: Jede neue Regulierung daraufhin zu überprüfen, was sie für Vereine und die Zivilgesellschaft bedeutet, und wie ihnen der Umgang damit möglichst einfach gemacht wird. Das ist kein Allheilmittel und wirkt nicht umfassend und sofort. Aber es erweitert den Engagierten den Handlungsspielraum, um ihr Umfeld selbst lebenswert zu machen.