So sieht ein Tag im Leben von Papst Franziskus aus
Mit der Afrikareise hat Papst Franziskus sein Arbeitsprogramm nach den etwas ruhigeren Sommermonaten wieder voll aufgenommen. In sechs Tagen 30 Stunden Flug, 19.000 Kilometer, 18 Reden, drei große Messen, dazu Treffen mit Staatsmännern, Begegnungen mit Religions- und Kirchenvertretern und Besuche an sozialen Brennpunkten. Auch wenn das Programm der 31. Auslandsreise gegenüber früheren Visiten etwas ausgedünnt wurde, war das Pensum hart und dem Pontifex am Ende die Erschöpfung anzusehen.
Auch mit 82 Jahren und in seinem siebten Pontifikatsjahr absolviert Jorge Mario Bergoglio ein enormes Arbeitsprogramm, meist in einem 16 Stundentag. Anders als seine Vorgänger verzichtet er auf Urlaub oder längere Erholungspausen. Er bleibt in Rom, in seiner Wohnung, freilich ohne offizielle Termine. Aus Gewohnheit: seinen letzten Urlaub außerhalb von Buenos Aires verbrachte er 1975, mit einer jesuitischen Gemeinschaft. Aber auch aus Bescheidenheit: der Aufwand für den traditionellen Sommersitz Castel Gandolfo wird reduziert, und die enorme Logistik für eine Sommerfrische in den norditalienischen Alpen entfällt komplett. Der Papst aus Argentinien treibe Raubbau mit seinem Körper, geben Mediziner zu bedenken. Aber Franziskus bewältigt dieses enorme Pensum mithilfe eines strengen Tagesablaufs – mit frühem Aufstehen und früher Bettruhe.
Schon gegen 4.30 Uhr beginnt für den Papst der Tag in seinem Appartement im zweiten Stock des vatikanischen Gästehauses Santa Marta. Die ersten Stunden sind vor allem dem Gebet und der Meditation gewidmet, aber auch größeren Schriften oder Projekten.
Der erste halböffentliche Termin ist um 7.00 Uhr die Frühmesse mit Gästen in der Kapelle. Waren in der ersten Phase des Pontifikats die Mitarbeiter der verschiedenen Kurienbehörden geladen, so nehmen jetzt Pfarrgemeinde-Gruppen aus dem römischen Bistum des Papstes teil, bis zu 30 Personen. Bereits eine Viertelstunde vor Messbeginn nimmt der Papst in seinen liturgischen Gewändern in der Sakristei auf einem Stuhl Platz. Offensichtlich reflektiert er noch einmal über seine Predigt, die anschließend in Kurzform über die vatikanischen Medien verbreitet wird. Freilich finden die gemeinsamen Frühmessen inzwischen nicht mehr täglich statt, wie zu Beginn der Amtszeit, sondern in der Regel nur noch drei Mal in der Woche. An den übrigen Tagen zelebriert Franziskus in der Privatkapelle seiner Suite 201. Er will und muss mit den Kräften haushalten – was sich an verschiedenen Stellen zeigt.
Nur ein Glas Saft
Zum anschließenden Frühstück im Speisesaal von Santa Marta nimmt Franziskus nur im Stehen am Buffet einen Fruchtsaft, und begibt sich sofort mit dem von den Ordensschwestern eingepackten Panino in seine Wohnung. Hier stimmt er sich auf die anstehende Agenda des Vormittags ein, die Audienzen, Gespräche und Reden.
Gegen 9.00 Uhr fährt er im Auto zum 300 Meter Luftlinie entfernten Apostolischen Palast, wo sein offizielles Tagesprogramm auf ihn wartet. Begleitet wird er in dieser Phase vom Präfekten des Päpstlichen Hauses, Erzbischof Georg Gänswein. Der hat die Liste der Audienzgäste vorbereitet. Staatsgäste empfängt der Präfekt bereits bei der Ankunft im Damasus-Hof und geleitet sie zur Privat-Bibliothek des Papstes im Zweiten Stock. Übrige Papst-Besucher werden von Mitarbeitern der Präfektur begleitet. Für Gruppen stehen Audienzsäle unterschiedlicher Größe bereit.
Dieser Arbeitsteil ist eng getaktet. Der Papst empfängt Spitzenpolitiker zu Staatsbesuchen, Kurienleiter zu Arbeitsgesprächen, ökumenische Gäste oder Religionsführer zum Austausch. Er gibt Audienzen für Botschafter zum Dienstantritt oder zur Verabschiedung, lässt sich von Nuntien über die Lage in den Ortskirchen informieren. Und er begrüßt Ordenskapitel, Teilnehmer von Vatikan-Kongressen, Abordnungen geistlicher Gemeinschaften aber gelegentlich auch Wissenschaftler- oder Sportlergruppen. Für die Begegnungen sind meist 15 bis 20 Minuten vorgesehen, mit Luft nach oben. Das Treffen mit Trump dauerte eine knappe halbe Stunde, mit Kanzlerin Merkel unterhielt er sich 45 Minuten und mit Russlands Putin zuletzt eine Stunde. Letztere Zeit ist auch für die Bischöfe vorgesehen, die im Vatikan ihren alle fünf Jahre fälligen Ad-limina-Besuch absolvieren. Oder für die Präfekten etwa der Glaubens-, der Bischofs- oder der Missionskongregation, die regelmäßige Audienztermine beim Papst zur Abstimmung über Sachfragen und Personalentscheidungen haben.
Zum Abschluss dieses Arbeitsteils, meist gegen 13 Uhr begleitet Gänswein den Papst zurück zum Gästehaus Santa Marta – und dort übernehmen die Privatsekretäre. Sie nehmen mit Franziskus zusammen das Mittagessen ein, bevor dieser sich zu einer rund einstündigen Siesta zurückzieht.
Danach beginnt der private Arbeitsteil des Papstes. Er studiert Akten über Erlasse oder Bischofsernennungen, arbeitet an Reden, Botschaften und größeren Texten, liest die Berichte der Nuntien aus der Weltkirche. Er telefoniert mit alten Freunden und Beratern und er empfängt Gäste. Diesen Arbeitsteil plant er mit Unterstützung seiner beiden Privatsekretäre, zum beachtlichen Teil aber auch selbst. Gesprächspartner sind dann Chefs von Kurienbehörden, mit denen er sich ausführlicher beraten will, aber auch Leiter von geistlichen Gemeinschaften. Mitunter gibt er auch Interviews für Journalisten. Zudem verrichtet er die liturgischen Stundengebete, die Vesper oder die Komplet.
Recht früh begibt er sich zum Abendessen in den Speisesaal. Außer den Sekretären isst er dann mitunter gemeinsam mit Gästen, mit Freunden oder älteren Kurienkardinälen. Gelegentlich zieht er sich dazu auch in einem abgetrennten, nicht einsehbaren Bereich zurück. Danach widmet er sich nochmals seiner Arbeit, den Akten, und dem Gebet. Meist schon gegen 22 Uhr begibt Franziskus sich dann zur Ruhe. Danach sind die Fenster der Suite 201 dunkel.