Standpunkt

Keine Angst vor Argumenten bei Diskussionen in der Kirche

Veröffentlicht am 13.09.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Zuletzt hatte Papst Franziskus zu bedenken gegeben, eine Synode sei kein Parlament. Peter Otten findet noch weitere Beispiele dafür, dass sich Oberhirten gegen die Macht des Arguments wenden. Die Bibel spreche aber eine andere Sprache.

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Das Argument ist in Verruf geraten. In Großbritannien schickt sich der Premierminister an, ein von einem demokratisch gewählten Parlament verabschiedetes Gesetz zu ignorieren oder zu brechen, um doch noch zum 31. Oktober den Ausstieg ohne Vertrag aus der Europäischen Union hinzukriegen. In Rom warnt der Papst, eine Synode sei kein Parlament. "Eine Synode ist kein Abstimmen wie in der Politik: ich gebe dir dieses, du mir jenes." Das klingt, als seien Kompromisse weniger eine demokratische Kunst als ein schmutziger Handel. Der Münchener Kardinal Reinhard Marx sagt im Hinblick auf die Möglichkeit der Zulassung von Frauen zum Priesteramt: "Das ist entschieden, auch wenn die Diskussion nicht zu Ende ist." Argumentieren auf katholisch: Das Buffet ist da. Jetzt geht es noch darum, wie die Menükärtchen geschrieben werden. Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki lehnt die Diskussion über das Frauenpriestertum ebenfalls ab. Er wendet sich dagegen, unter Hinweis "auf angeblich neuere wissenschaftliche Erkenntnisse" insbesondere der Sozial- und Humanwissenschaften Glaube und Lehre der Kirche zur Disposition zu stellen.

"Mich überrascht es immer wieder, dass die Religion des Logos, als die sich das Christentum gerne sieht, so viel Angst vor einem vernünftigen Ringen um das beste Argument hat" sagt der katholische Theologe Michael Seewald. "Es kommt darauf an, dass man in allem, auch in Glaubensfragen, gute Argumente aufbietet für das, was man vertritt." Er empfiehlt beharrlich "Argumente statt Autorität." 

Mir kommt die Ängstlichkeit vor dem Argument mitunter so vor wie die Haltung des Dieners bei Matthäus, der das Talent Silbergeld, das ihm anvertraut wurde im Boden vergräbt, während die Kollegen mit ihren Talenten beherzt ins Risiko, in die Auseinandersetzung gehen – und gewinnen. "Ich wusste, du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst, wo du nicht ausgestreut hast" sagt er. "Weil ich Angst hatte, habe ich dein Geld in der Erde versteckt."

Ja, genau. Ernten, wo du nicht gesät hast, meint: Damit rechnen, dass der Andere Recht haben könnte. Dass Neugier und Offenheit für Argumente einfach kluge heilsame Haltungen sind.

Von Peter Otten

Der Autor

Peter Otten ist Pastoralreferent in der Pfarrgemeinde St. Agnes in Köln. Seit einigen Jahren bloggt er unter www.theosalon.de.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.