Letzte juristische Chance nach Missbrauchsurteil

Bestätigt: Kardinal Pell beantragt Berufung vor Oberstem Gericht

Veröffentlicht am 17.09.2019 um 12:09 Uhr – Lesedauer: 

Melbourne ‐ Einen Tag vor Ablauf der gesetzlichen Frist: Der wegen Missbrauchs in zweiter Instanz verurteilte Kardinal George Pell hat einen letzten Antrag auf Berufung gestellt. Seine Verteidiger begründen den Schritt wie folgt.

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Der wegen sexuellen Missbrauchs verurteilte Kardinal George Pell hat beim obersten australischen Gericht einen Antrag auf Zulassung eines letzten Berufungsverfahrens gestellt. Pells Verteidiger hätten den zwölf Seiten langen Antrag am Dienstag, einen Tag vor Ablauf der gesetzlichen Berufungsfrist eingereicht, berichteten australische Medien. In der Begründung beziehe sich das Anwaltsteam auf die Entscheidung des Revisionsgerichts in Melbourne, das die Verurteilung Pells zu sechs Jahren Haft wegen Missbrauchs zweier Chorknaben bestätigt hatte. Die drei Richter hatten am 21. August mit zwei zu eins Stimmen die erste Revision Pells abgewiesen.

Die beiden Richter des höchsten Gerichts im Bundesstaat Victoria hätten sich in ihrer Schlussfolgerung "geirrt", heißt es laut Medienberichten in dem Berufungsantrag. Darüber hinaus werfen die Anwälte dem Melbourner Gericht vor, unzulässigerweise die Beweislast umgekehrt zu haben. In einem Strafverfahren müsse nicht der Angeklagte seine Unschuld beweisen, sondern die Anklage dessen Schuld. Im Prozess gegen Pell sei aber vom Angeklagten der Nachweis verlangt worden, dass er die ihm zur Last gelegten Taten unmöglich begangen habe könne.

Letzte juristische Chance für einen Freispruch

Die Berufung vor dem Obersten Gericht in Canberra wäre die letzte juristische Chance des 78-Jährigen, doch noch einen Freispruch zu erreichen. Pell hat immer wieder seine Unschuld betont, im Strafverfahren aber nicht zur Sache ausgesagt. Falls das Gericht dem Berufungsantrag zustimmt, ist laut den Berichten erst 2020 mit dem Beginn des Verfahrens zu rechnen. Rechtsexperten schätzen die Erfolgsaussichten einer Berufung eher skeptisch ein. Der High Court ist bekannt dafür, bei Missbrauchsfällen Urteile früherer Instanzen selten zu revidieren. Obwohl das Anwaltsteam von Pell aus hoch angesehenen Juristen bestehe, werde es ein harter Kampf, die Urteile der Jury und des Berufungsgerichts zu revidieren.

Pell war im Dezember von einer Jury für schuldig befunden worden, 1996 als Erzbischof von Melbourne einen 13 Jahre alten Jungen missbraucht und einen anderen belästigt zu haben. Im Februar war der Kardinal zu sechs Jahren Haft verurteilt worden, von denen er mindestens drei Jahre und acht Monate absitzen müsste, bevor ein Antrag auf vorzeitige Entlassung auf Bewährung gestellt werden kann.

Das Urteil hatte weltweit für Aufsehen gesorgt. Der ehemalige Erzbischof von Melbourne und Sydney, der von 2013 bis 2018 das vatikanische Wirtschaftssekretariat leitete, ist der bisher höchste katholische Würdenträger, der von einem weltlichen Gericht wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt wurde. Der Vatikan hatte das Urteil gegen den Kardinal anerkannt. Gleichzeitig erinnere man daran, dass Pell sich während des gesamten Verfahrens für unschuldig erklärt habe und die Berufung vor dem Obersten Gericht noch ausstehe, hieß es in einer Erklärung. Auch der jetzige Erzbischof von Melbourne, Peter Comensoli, hatte erklärt, weiterhin an die Unschuld Pells zu glauben. (tmg/KNA)