Jesuit Mertes warnt vor Opferentschädigung aus Kirchensteuergeld
Der Jesuitenpater Klaus Mertes, der 2010 den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche in Deutschland öffentlich gemacht hatte, bewertet eine Opferentschädigung in sechsstelliger Höhe für problematisch. Mertes halte eine Finanzierung aus Kirchensteuermitteln für ausgeschlossen und warne vor einem "Freikauf" der Kirche, berichtet der "Kölner Stadt-Anzeiger" (Montag). "Ich gehe davon aus, dass die Bischöfe eine solche Regelung nicht in der Annahme beschließen, dass nun das Kirchenvolk finanziell in Mithaftung genommen wird", sagte Mertes.
In der vorigen Woche hatten die deutschen Bischöfe auf ihrer Vollversammlung in Fulda einen Systemwechsel hin zu einer umfassenden Entschädigung der Opfer beschlossen. Um festzulegen, welche Summen am Ende gezahlt werden, müssten die Bischöfe noch zahlreiche Fragen im Detail klären, hatte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Kardinal Reinhard Marx, erklärt. Berechnungen, wonach 3.000 Opfer je 300.000 Euro Entschädigung erhalten würden und somit insgesamt knapp eine Milliarde Euro ausgezahlt werden müsste, seien derzeit noch nicht verifizierbar.
"Wir zahlen, dann haben wir unsere Ruhe"?
Mertes' Worten nach würden die Gläubigen, die keine Schuld an Missbrauch und Leitungsversagen haben, zu sekundär Betroffenen des Missbrauchs, wenn Kirchensteuermittel verwendet würden. "Zudem könnte der fatale Eindruck entstehen, die Kirchenleitung kaufe sich auf Kosten des Kirchenvolkes frei: "Wir zahlen, dann haben wir unsere Ruhe" - das darf auf keinen Fall passieren", kritisierte er. Vielen Betroffenen sei es noch wichtiger, dass die Kirche sich ändert, als dass sie zahlt - das gelte auch für Betroffene, die Zahlungen fordern.
Kritik an den Überlegungen hatte am Freitag auch der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, geübt. Über das Thema Entschädigung "müsse noch intensiv beraten werden", sagte Sternberg. Er sei nicht glücklich, "über diese Summen, die da genannt werden". Es gehe um die Kirchenbeiträge der katholischen Gläubigen. "Es muss die grundsätzliche Frage gestellt werden, ob überhaupt die Beiträge der Gläubigen zu Entschädigungszahlungen herangezogen werden können, die in einer Institution geschehen, aber nicht von ihr beabsichtigt worden sind. Man wird diese exorbitanten Zahlen in einem sehr viel größeren Kontext diskutieren müssen."
Pater Klaus Mertes machte 2010 als damaliger Leiter der Berliner Jesuitenschule Canisius-Kolleg Fälle von Missbrauch öffentlich. Damit stieß er eine breite Debatte an, die bis heute nicht abgeschlossen ist. Inzwischen ist Mertes Direktor der Jesuitenschule Kolleg Sankt Blasien im Schwarzwald. (tmg/KNA)