Befreiungstheologe: Müssen Papst unterstützen, sonst verlieren wir ihn
Gustavo Gutierrez, der "Vater der Befreiungstheologie", sieht die katholische Kirche derzeit in einer "gefährlichen Lage". Die Situation sei sehr schwierig, gerade für Papst Franziskus, sagte der 91-Jährige am Dienstagabend in Rom. Das liege weniger an der Opposition an sich gegen sein Pontifikat als vielmehr an der Art, wie die Gegner vorgingen. "Wenn wir den Papst nicht unterstützen, werden wir ihn bald verlieren", so der peruanische Theologe.
Franziskus sei diese Situation klar, so Gutierrez in einem Gespräch mit dem Gründer der Gemeinschaft Sant'Egidio, Andrea Riccardi. Aber der Papst gehe seinen Weg sehr gut. Der Peruaner, der sich derzeit zur Amazonas-Synode in Rom aufhält, traf nach eigener Aussage das Kirchenoberhaupt vergangene Woche im Vatikan. Nicht nur der Papst habe viele Kritiker, sondern auch die Synode, betonte der Theologe. Dabei sei das Bischofstreffen immens wichtig. Er hoffe, dass die Bischofsversammlung "dauerhafte Ergebnisse produziert".
"Es waren harte Jahre..."
Mit Blick auf die fast fünf Jahrzehnte andauernden Vorwürfe und auf die Kritik an ihm und seiner Theologie sagte Gutierrez: "Es waren harte Jahre, auch mit mancher Versuchung, die Brocken hinzuwerfen. Aber ich habe weitergemacht." Er selbst habe die Verdächtigungen vieler Bischöfe in Lateinamerika sowie in der Kurie in Rom auch als Affront gegen die Menschen in Lateinamerika empfunden. Der Vorwurf an die Befreiungstheologie, sie sei marxistisch, habe zu vielen Opfern unter Laien, Priestern und Ordensleuten geführt. "Man hat einen hohen Preis gezahlt", so Gutierrez. Als ein Beispiel nannte er den ermordeten salvadorianischen Erzbischof Oscar Romero (1917-1980): "Heute sind wir froh, diese Person zu haben, dieses Vorbild". Romero wurde im Oktober 2018 heiliggesprochen.
Der Dominikanerpater Gutierrez zählt zu den bekanntesten Vertretern der sogenannten Befreiungstheologie. Sein Buch "Teologia de la Liberacion" von 1971 gab der Bewegung ihren Namen. Es formuliert den Vorrang des konkreten praktischen Lebens vor der theologischen Reflexion, sieht Arme und Unterdrückte als erste Adressaten des Evangeliums.
Die Amazonas-Synode findet noch bis zum 27. Oktober im Vatikan statt. Kardinäle, Bischöfe und Experten sprechen über "neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie" im Amazonas-Gebiet. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei auch der Frage nach der Priesterweihe verheirateter Männer ("viri probati"). (tmg/KNA)