"Zahlreiche Argumente" gegen priesterliche Ehelosigkeit

Hubert Wolf pocht auf Überprüfung des Zölibats durch Bischöfe

Veröffentlicht am 16.10.2019 um 10:52 Uhr – Lesedauer: 

Wien ‐ Es gebe einen klaren "Zusammenhang zwischen klerikal männerbündischem Kirchensystem, Macht, Missbrauch und Zölibat": Laut dem Kirchenhistoriker Hubert Wolf sprechen "zahlreiche Argumente" für die Aufhebung des Pflichtzölibats.

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Der Kirchenhistoriker Hubert Wolf pocht auf eine Überprüfung des Zölibats durch die Bischöfe. Es gebe "zahlreiche Argumente", die den Zölibat als "Risikofaktor" für Missbrauchsfälle erscheinen ließen und die für eine Aufhebung des Pflichtzölibats sprächen, sagte Wolf am Dienstagabend in Wien. "Wenn die Bischöfe ihre Ankündigungen ernst nehmen, dass es ihnen wirklich um die Opfer und das ihnen von Geistlichen zugefügte Leid geht, dann sind sie verpflichtet, den Zölibat grundsätzlich auf den Prüfstand zu stellen", so der Kirchenhistoriker.

Die bisherige Aufarbeitung des Missbrauchskandals bezeichnete Wolf als "halbherzig". Daraus und aus den hohen Kirchenaustrittszahlen habe sich eine "Systemkrise" der "Männerkirche" entwickelt. In diesem System spiele der Pflichtzölibat eine wichtige und zugleich fatale Rolle, da er eine "intensive Sozialkontrolle innerhalb der klerikalen Hierarchie" ermögliche, zu einem "elitären klerikalen Bewusstsein" führe und auch dazu beitrage, "das Machtgefälle zwischen Männern und Frauen in der katholischen Kirche zu konsolidieren". Es gebe einen klaren "Zusammenhang zwischen klerikal männerbündischem Kirchensystem, Macht, Missbrauch und Zölibat".

Zölibat keine theologisch zwingend erforderliche priesterliche Lebensweise

Ein Blick in die Kirchengeschichte lehre zudem, dass der Zölibat keine theologisch zwingend erforderliche priesterliche Lebensweise beschreibe, so Wolf weiter. Wenn die derzeit in Rom tagende Amazonas-Synode also etwa die Weihe verheirateter Männer zu Priestern vorschlagen würde, dann stünde sie "durchaus auf dem Boden der kirchlichen Tradition. Niemand, der die Kirchengeschichte ernst nimmt, könnte ihnen einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel oder gar Traditionsbruch vorwerfen."

Wer tatsächlich auf eine Reform der katholischen Kirche dränge, der müsse "das klerikale System insgesamt infrage stellen" und dürfe dieses "nicht zur notwendigen und unveränderlichen Gestalt der katholischen Kirche verklären", erklärte der Kirchenhistoriker. Eckpunkte einer solchen Reform würden auch etwa in der Schaffung "transparenter und gerechter Strukturen" bestehen sowie in "einklagbaren Grundrechten für alle Christen", einer "unabhängigen Verwaltungsgerichtsbarkeit, einer zeitgemäßen Sexualmoral, der Gleichberechtigung von Frauen und der Auswahl kirchlicher Amtsträger auf allen Ebenen durch die Gläubigen". - Wolf war Festredner beim Fakultätstag der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.

Der Kirchenhistoriker hat sich in der Vergangenheit mehrfach für die Aufhebung des Pflichtzölibats ausgesprochen. Seiner Auffassung nach wäre dies kein Traditionsbruch und kein Verstoß gegen ein Dogma. Papst und Bischöfe vollzögen keinen Paradigmenwechsel und keinen Bruch der kirchlichen Tradition, wenn sie sich für die Weihe verheirateter Männer zu Priestern aussprächen, so Wolf, der im Juli sein aktuelles Buch "Zölibat. 16 Thesen" vorgelegt hat. (tmg/KNA)