Wie die Synodenteilnehmer in den römischen Katakomben berieten
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"Neue Wege für eine ganzheitliche Ökologie." Die heißeren Sommer und Millionen junger Leute machen deutlich, dass wir in Deutschland, Europa, teils weltweit eine existentielle Krise wissend ignorieren: die Herausforderungen durch den Klimawandel. Das neue Jahrhundert stellt uns einen Gegensatz vor Augen, der bislang nicht an oberster Stelle stand, den zwischen Mensch und Natur. Mit der Natur können wir nicht verhandeln. Sie reagiert und weint.
Bei den indigenen Völkern in die Schule gehen
Um die Sprache der Schöpfung zu verstehen, können wir eine Anleihe bei indigenen Völkern und Bewohnern des Urwaldes machen und bei ihnen in die Schule gehen. Ein Zitat aus dem Ergebnis einer von zwölf Arbeitsgruppen, in denen wir vergangene Woche zwei Tage arbeiteten, macht die unterschiedliche Bedeutung und Beziehung zur Erde greifbar. Da steht: Bei der "Gier nach großen Wirtschaftsprojekten für indigene Gebiete, angesichts von Ökozid (ökologische Zerstörung einer Kulturlandschaft) und Ethnozid (erzwungene Aufgabe kultureller Eigenständigkeit) sowie der Ermordung und Kriminalisierung von Führungspersönlichkeiten, ist es Aufgabe der Kirche, die Abgrenzung und den Schutz von indigenen Ländern und afro-brasilianischen Nachkommen sowie die Rechte anderer traditioneller Gemeinschaften zu verteidigen." Von dieser Verpflichtung aus gesehen wirft die Klimakrise ein neues Licht auf die Brände in Amazonien und im Kongobecken, auf die Verwüstungen der Erde und die betroffenen Menschen, die dort leben und in die Entscheidungen in der Regel nicht eingebunden sind.
Ein anderer Mosaikstein der Synode. Dom Pedro, Kardinal und Erzbischof von Huancayo in den zentralen Anden Perus, spricht in einer eher poetischen Weise Spanisch und sagt in der vergangenen Woche im Interview mit einer nordamerikanischen Jesuitenzeitschrift und in einem gemeinsamen Gespräch: "Die Synode zu betreten bedeutet, bereits im Amazonasgebiet einzutreten." Die zweijährige Vorbereitung dieser Versammlung sei zu vergleichen mit dem Zufluss der 1.100 Zuflüsse in den 4.000 Meilen langen mächtigen Fluss. "Der Amazonas ist so breit, dass man manchmal das Flussufer nicht von einer Seite zur anderen sehen kann ... Im Moment sitzen wir in einem Boot im Amazonasgebiet, mit einem langsamen, aber guten Rhythmus."
Im Bewusstsein, dass einige der Synode sehr kritisch gegenüberstehen, fügt Dom Pedro hinzu: "Man kann Kritik von Menschen hören, die am Flussufer sind, nicht im Boot, sie können schreien, sie können mit ausgeklügelten Mikrofonen beleidigen, aber sie ändern nicht unseren sicheren Kurs." Kritikpunkte von Menschen werden greifbar, die in Politik, Wirtschaft und Kirche unterwegs sind, die unterschiedliche Interessen und Perspektiven vertreten; die große Mehrheit von ihnen hat noch nie in einem solchen Boot gesessen.
Wir kommen langsam auf die Zielgerade der dreiwöchigen Synode in Rom. Am Missionssonntag gestern starten wir früh in die Katakomben der Heiligen Domitilla. Wir sind etwa 200 Menschen, die in und außerhalb der Synodenaula die Sorge um das Gemeinsame Haus umtreibt. Die Katakombenbasilika steht für die Märtyrer und Märtyrerinnen der ersten Gemeinden, für einen Ort der Zuflucht und des Schutzes vor Verfolgung, der Gemeinschaft. Und besonders ist diese Katakombe ein Ort von Glaubenszeugnissen in der Nachfolge Jesu. Hier wurde vor mehr als 50 Jahren der Katakombenpakt von 42 Zelebranten unterzeichnet, dem sich später noch circa 500 weitere Bischöfe anschlossen. Als Dank für ihren Heroismus verbünden wir uns nun in unserer Entscheidung, ihren Einsatz mit Entschlossenheit und Mut fortzusetzen. Es ist ein Gefühl der Dringlichkeit angesichts der Aggressionen, die heute das Amazonasgebiet zerstören, bedroht durch die Gewalt eines ausbeuterischen und konsumorientierten Wirtschaftssystems.
Vor den Heiligen und Märtyrern Roms, unseren Ortskirchen und den Kirchen weltweit, verpflichten wir uns mit unserer Unterschrift im "neuen" Katakombenpakt für das Gemeinsame Haus, für eine Kirche mit einem amazonischen Gesicht einzutreten, arm und dienend, prophetisch und samaritanisch. Ort und Moment bewegen mich; ich erinnere mich an Namen und Gesichter, die offen und verborgen für eine größere Gerechtigkeit und Frieden kämpf(t)en. Neben Kardinälen, Bischöfen und Priestern unterschreiben Indigene, Laiinnen und Laien und Vertreter anderer Kirchen den Pakt. "Tudo está interligado ..." - "alles ist miteinander verbunden..." Ein besonderer Moment in diesem reich an Compassion geladenen Gottesdienst am Ende, vor dem Segen: Dom Claudio Hummes, der dem Gottesdienst vorstand, trug dabei die Stola von Dom Helder Camara. Dieser war einer der Promotoren des Katakombenpaktes 1965 gewesen, Prophet einer armen und befreienden Kirche. Dom Claudio übergab diese Stola Dom Erwin Kräutler, Prophet einer Kirche mit indigenem Gesicht und Sorgetragender für das Gemeinsame Haus.
Es gibt weitere bewegende Momente an diesen Tagen. Am Samstag ist es in der Frühe ein besonderes Ereignis: Etwa 300 Menschen, vorwiegend aus Lateinamerika, einzelne mit traditionellem Federschmuck aus ihrer Heimat und bemalten Gesichtern, pilgern singend und betend auf einem Kreuzweg von der Engelsburg bis zum Petersdom.
Mitten im religiösen Zentrum der italienischen Hauptstadt bringen die Pilger die Themen der Amazonien-Synode auf die Straße. Viele von ihnen halten Fotos von Menschen in der Hand, die wegen ihres Engagements für die Rechte der Indigenen, für den Umweltschutz, ermordet wurden. All jene Gewalt und Rücksichtslosigkeit, die sich Ureinwohner etwa in Brasilien ausgesetzt sehen, weil große Unternehmen ihnen ihr Land streitig machen, um es kommerziell auszubeuten, alle Ungerechtigkeiten und Verbrechen an Mensch und Natur im Amazonien-Gebiet kommen fast vier Stunden lang zur Sprache. Die Pilgerinnen und Pilger belassen es nicht bei der Klage, ihre Gebete und Gesänge strahlen Kraft und Hoffnung aus, Zuversicht und großen Zusammenhalt, sie bezeugen ihren Glauben.
Alles ist mit allem verbunden
Ganz im Sinne der Sozial- und Umweltenzyklika von Papst Franziskus "Laudato Si" stimmen wir immer wieder das Lied der "Casa Comun" an, des Gemeinsamen Hauses Erde, das durch Klimawandel und die Art und Weise der Ressourcenausbeutung in Gefahr ist: "Tudo está interligado – alles ist mit allem verbunden." Der Appell an die Menschheit, dem ein ebenso gemeinsames wie entschlossenes Handeln für ein würdevolles Leben aller Erdbewohner in Gerechtigkeit entgegenzusetzen, wird bereichert durch jenes flehentliche und zugleich eine Option ausdrückende Lied von Mercedes Sosa: "Gott, allein darum bitte ich, dass das Leiden der anderen mir nicht gleichgültig werde."