Verein unterstützt Sanierung christlicher Wahrzeichen

Die Retter der Dorfkirchen

Veröffentlicht am 30.10.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Schwerin/Stralsund ‐ Rund 1.000 Dorfkirchen aus mehreren Jahrhunderten prägen das Landschaftsbild Mecklenburg-Vorpommerns. Viele von ihnen sind jedoch akut vom Verfall bedroht. Der private Verein "Dorfkirchen in Not" hilft seit 25 Jahren dabei, das kulturelle und religiöse Erbe der Gotteshäuser zu retten.

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Mecklenburg-Vorpommern ist nicht gerade als christliches Kernland bekannt. Laut aktuellen Zahlen gehört nur gut ein Fünftel der Bevölkerung in dem Bundesland einer der beiden großen Kirchen an, die große Mehrheit der Menschen ist dagegen – auch aufgrund von 40 Jahren DDR-Sozialismus – konfessionslos.

Aus historischer Perspektive kann die Region zwischen Ostsee und Brandenburg jedoch auf ein reiches christliches Erbe zurückblicken. Bereits im 10. Jahrhundert wurde damit begonnen, die Gebiete östlich der Elbe zu missionieren – angesichts der massiven Gegenwehr der dort lebenden Slawen zunächst jedoch nur mit geringem Erfolg. Ab dem 12. Jahrhundert gelang es jedoch, das Gebiet nachhaltig zu christianisieren. Das wohl sichtbarste Ergebnis dieses Missionserfolgs war eine umfangreich einsetzende Kirchenbautätigkeit.

Sehenswerte Gotteshäuser unterschiedlicher Epochen

Noch heute prägen rund 1.000 Dorfkirchen aus mehreren Jahrhunderten das Landschaftsbild Mecklenburg-Vorpommerns. Von frühen Feldsteinkirchen über mittelalterliche Backsteinkirchen und barocke Fachwerkkirchen bis hin zu neugotischen Ziegelkirchen aus dem 19. Jahrhundert – Deutschlands nordöstlichstes Bundesland beheimatet eine Fülle sehenswerter Gotteshäuser unterschiedlicher Epochen, in denen vielfach besondere kulturhistorische Schätze zu finden sind.

Doch das beeindruckende kirchenbauliche Erbe ist bedroht. In den vergangenen Jahrzehnten hat der Zahn der Zeit gnadenlos an den meist evangelischen Gotteshäusern genagt, zahlreiche Dorfkirchen sind akut vom Verfall bedroht. Ob undichte Dächer, kaputte Fenster und Türen oder einsturzgefährdete Außenmauern – viele Kirchen in der Region müssen dringend saniert werden, wenn sie als steinerne Zeugnisse der Kultur- und Religionsgeschichte für künftige Generationen bewahrt werden sollen.

Linktipp: Experte warnt vor Verfall von Dorfkirchen

Brandenburgs Landeskonservator hat vor einem erneuten Verfall bereits sanierter Dorfkirchen gewarnt. Pflege und Nutzung vieler Gotteshäuser stünden infrage.

Um dieses Ziel zu erreichen, engagiert sich neben kirchlichen und staatlichen Einrichtungen seit 25 Jahren auch der private Verein "Dorfkirchen in Not". Seit seiner Gründung im Jahr 1994 hat er bereits rund 200 Kirchen in Mecklenburg-Vorpommern finanziell gefördert. Zwei Millionen Euro aus Spenden, Stiftungen und Erbschaften konnte der Verein, der etwa 180 Mitglieder in ganz Deutschland hat, für notwendige Sanierungsarbeiten zur Verfügung stellen. In der Satzung des Vereins heißt es zum Ziel des Engagements: "Der Verein will Dorfkirchen in Mecklenburg und in Vorpommern als hervorragende, landschaftsprägende Bestandteile der Region südlich der Ostsee im Bewusstsein bewahren. Der Verein wirkt dem Verfall unwiederbringlicher Wahrzeichen deutscher Kultur und christlichen Glaubens in Mecklenburg und in Vorpommern entgegen."

Vorsitzender des Vereins ist seit sechs Jahren Jens Amelung. Er kam über seinen Beruf als Denkmalpfleger beim Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern mit der Vereinigung in Kontakt. "Ich bin damals von Vertretern des Vereins angesprochen worden, ob ich mir eine Mitarbeit vorstellen könnte" erzählt Amelung im Gespräch mit katholisch.de. Seine Zusage war für den Verein ein kleiner Coup – denn bei seiner hauptberuflichen Tätigkeit im Landesamt ist Amelung schwerpunktmäßig für die Denkmalpflege von Sakralbauten zuständig. "Dorfkirchen in Not" gewann mit dem 57-Jährigen also einen echten Experten für das Anliegen des Vereins.

Als Amelung die Bedeutung der Dorfkirchen beschreiben soll, gerät der zuvor im Gespräch noch etwas wortkarge Mecklenburger regelrecht ins Schwärmen. Die Kirchen im Nordosten seien als Zeugnisse vergangener Jahrhunderte "ein großer Schatz", der unbedingt bewahrt werden müsse. Architektonisch, historisch und kulturell hätten die Gotteshäuser – selbst wenn sie im Laufe der Zeit starke Zerstörungen erlitten hätten – eine kaum zu überschätzende Bedeutung für die Region.

Bild: ©Udo Kruse - stock.adobe.com

Auch die Sanierung der Kirche in Ankershagen wurde von "Dorfkirchen in Not" finanziell gefördert.

Beispielhaft nennt Amelung die aus Backsteinen errichtete St. Laurentius-Kirche in Hornstorf bei Wismar und die frühgotische Feldsteinkirche in Recknitz östlich von Rostock. Die Hornstorfer Kirche stammt aus dem 14. Jahrhundert und verfügt unter anderem über eine sehenswerte Blendrosette und spätgotische Gewölbemalereien, darunter eine Darstellung des heiligen Laurentius. Das Gotteshaus in Recknitz wurde um 1260 errichtet und im Laufe der Jahrhunderte mehrfach erweitert und – dem Geschmack der jeweiligen Epoche entsprechend – verändert. Dies zeigt sich unter anderem an dem neugotischen Altarretabel und dem aufwendigen barocken Orgelprospekt.

Bei beiden Kirchen konnten in den vergangenen Jahren mit Hilfe des Vereins dringend notwendige Sanierungen durchgeführt werden. Allerdings kann "Dorfkirchen in Not" die meist mehrere hunderttausend Euro teuren Baukosten der Kirchen natürlich nicht komplett finanzieren – dafür ist der Verein viel zu klein. Dennoch übernimmt er eine entscheidende Funktion. "Damit Kirchengemeinden öffentliche Fördermittel für ihre Sanierungsarbeiten beantragen können, müssen sie einen bestimmten Anteil an Eigenmitteln aufbringen. Das ist für die Gemeinden meist eine große finanzielle Herausforderung", erklärt Amelung. Damit die Gemeinden trotzdem genug Geld zusammenbekommen, stockt "Dorfkirchen in Not" mit seinen Spenden die Eigenmittel der Gemeinden entsprechend auf. "Dadurch werden sie überhaupt erst in die Lage versetzt, sich um Fördermittel zu bewerben", so Amelung.

Bis zu 15 Kirchen pro Jahr werden gefördert

Die einzelnen Kirchen bekommen in der Regel 5.000 bis 10.000 Euro für ihre Projekte, vergeben werden die Gelder vom Vorstand von "Dorfkirchen in Not". "Pro Jahr wählen wir rund 10 bis 15 Kirchen aus, die gefördert werden", sagt Amelung. Damit bekämen rund 50 Prozent aller Kirchengemeinden, die sich um Mittel bewürben, Unterstützung. Doch der Verein hilft nicht nur mit Geld. Bei Bedarf, so Amelung, überprüfe man auch die Finanzierungspläne der Gemeinden, helfe bei Anträgen und begleite die Sanierungsarbeiten.

Der Einsatz des Vereins – für viele vom Verfall bedrohte Dorfkirchen in Mecklenburg-Vorpommern ist er ein großer Segen. Das würdigte im vergangenen Jahr auch der Ostdeutsche Sparkassenverband, der "Dorfkirchen in Not" als "Verein des Jahres" auszeichnete. "Darauf sind wir sehr stolz", erzählt Amelung. Doch ausruhen auf diesen Lorbeeren wollen sich der Denkmalpfleger und seine Vereinskollegen nicht. Angesichts von rund 1.000 Dorfkirchen in "M-V" gebe es noch genug zu tun. "Wir bekommen von den Kirchengemeinden im Land weiterhin jedes Jahr eine stabile Zahl von Förderanträgen, der Bedarf an Hilfe ist also weiter da", so der Vereinsvorsitzende.

Von Steffen Zimmermann