Analyse der Synode: Vier Wege der Bekehrung und Mut zu Kreativität
Am Ende herrschte dann doch allgemeine Zufriedenheit. Das Schlussdokument der Amazonas-Synode, das zunächst auf herbe Kritik gestoßen war, wurde noch einmal massiv überarbeitet. Und so fanden schließlich die 185 Mitglieder sich und ihre dreiwöchigen Diskussionen darin weitgehend wieder. Alle 120 Punkte des 34-seitigen Papiers wurden mit der erforderlichen Zweidrittel-Mehrheit angenommen, auch die "heißen Eisen": So ausführlich und konkret hatte noch nie ein Bischofstreffen über die Möglichkeiten einer Priesterweihe von verheirateten Männern in bestimmten Extremsituationen oder über mehr kirchliche Leitungsämter für Frauen nachgedacht – und dem Papst dazu schriftliche Vorschläge unterbreitet. Nun liegt es an Franziskus, ob und wie er diese Anregungen im offiziellen Abschlussdokument aufgreift. Er selbst hatte die Teilnehmer zum Abschied nochmals zur Kreativität aufgerufen.
Die Diskussionen um "viri probati", um die Weihe bewährter verheirateter Männer zur Linderung des gravierenden Priestermangels in der Amazonas-Region nahm breiten Raum in der Debatte ein. Ebenso die Frage nach mehr und wichtigeren Gemeindeämtern für Frauen – bis zu einer Diakoninnenweihe. Daneben seien manche andere und zentralere Fragen etwas kurz gekommen, klagten Teilnehmer. In der Tat zeigt das verabschiedete Schlusspapier ein sehr breites und differenziertes Bild. Es stellt die gesamte Synode unter das Grundmotiv der "integralen Bekehrung", einer ganzheitlichen Umkehr. Dabei sucht es "neue Wege" in vier Bereichen, in der Pastoral, der Kultur, der Ökologie und schließlich eine synodale Umkehr.
Kirche Amazoniens brauche "indigenes Gesicht"
Zu den neuen Wegen einer pastoralen Bekehrung zählt die Synode mehr Engagement in der Ökumene, im interreligiösen und kulturellen Dialog mit den indigenen Religionen und Kulturen, die die Kirche kennenlernen und respektieren muss. Sie räumt ein, dass der Kontakt mit den Pfingstkirchen nicht leicht sei und eine neue Konkurrenz und Herausforderung für die Kirche bilde. Vor allem aber müsse die Kirche Amazoniens selbst missionarisch werden, sie muss auch ein indigenes Gesicht tragen. Hierzu gehört eine neue Pastoral und eine stärkere Evangelisierung unter den Migranten in den Peripheriezonen der Städte. Und sie soll sich stärker um die Jugendlichen angesichts der vielen Herausforderungen durch Armut, Gewalt, sexuelle Ausbeutung und Drogenmissbrauch kümmern, angesichts neuer Formen der Sklaverei und einer steigenden Selbstmordrate. Konkret begrüßen die Synodalen Initiativen einer Besuchspastoral durch missionarische Seelsorgeteams.
Die kulturelle Bekehrung verlange von der Kirche, sich als Alliierter, als Verbündeter der amazonischen Völker zu fühlen und zu verhalten. Sie müsse ihre Werte, Kulturen, ihren Lebensstil achten. Vor allem müsse sie für ihre Rechte eintreten und alle Angriffe gegen das Leben der indigenen Gemeinschaften und ihren Lebensraum aufzeigen und sie gegen die vielfältigen Formen von Ausbeutung zu verteidigen. Für die Kirche sei die Verteidigung des Lebens und der Rechte der indigenen Völker "ein Prinzip des Evangeliums". Ausdrücklich lehnt die Bischofsversammlung "eine Evangelisierung im Kolonialstil" ab. Die Kirche habe die Aufgabe zur Evangelisierung, aber die dürfe nicht mit Proselytismus vermischt werden.
Ausdrücklich fordert das Synoden-Dokument dann neue Wege einer ökologischen Bekehrung angesichts der enormen sozio-ökologischen Krise mit ihrer Gefahren für den weltweiten Klimawandel. Die unbeschränkte Ausbeutung des "gemeinsames Hauses und seiner Bewohner" müsse gestoppt werden. Veränderungen im Wirtschaftssystem seien ebenso notwendig wie eine umfassende Solidarität. "Angesichts der drängenden Situation des Planeten sowie von Amazonien ist eine integrale Ökologie kein Weg, den die Kirche für die Zukunft in diesem Territorium auswählen kann, sondern sie ist der einzige möglich Weg; es gibt keinen anderen praktikablen Weg zur Rettung der Region."
Das Papier wendet sich gegen die Kriminalisierung von Personen, die sich für Menschenrechte einsetzen. Der Einsatz für diese Rechte ist nicht nur eine politische Pflicht und eine soziale Aufgabe, sondern auch ein Erfordernis des Glaubens. Auch wenn die Kirche nicht überall die zerstörerischen und ausbeutenden Entwicklungsmodelle unmittelbar ändern könne, müsse sie deutlich zeigen, auf welcher Seite sie stehe. Sie müsse sich für eine gerechte, solidarische und nachhaltige Entwicklung einsetzen. Grundlage bilde dabei die Soziallehre der Kirche, die ausdrücklich die Ökologie einbezieht.
Differenzen um verheiratete Priester und weibliche Gemeindeleiter
Die zur Abstimmung des Schlussdokuments anwesenden 181 Synodalen akzeptierten mit überwältigender Mehrheit die Vorschläge und Analysen zur pastoralen, kulturellen und ökologischen Bekehrung; die Nein-Stimmen blieben durchgehend einstellig. Strittiger war dagegen der vierte Bereich, die synodale Bekehrung, der auch die oben erwähnten "heißen Eisen" behandelte.
Die Kirche brauche neue synodale Erfahrungen, ein neues Miteinander, eine Kultur des Dialogs und des Zuhörens, um auf die pastoralen Herausforderungen zu antworten. Besonders hebt das Papier dabei die Mitverantwortung der Laien hervor. Für die amazonische Kirche sei es wichtig, die Ämter "gleichermaßen Männern und Frauen" zuzuweisen. Bei Abwesenheit eines Priesters etwa könnte der Bischof die Ausübung der Gemeindepastoral an Gemeindemitglieder ohne Priesterweihe vergeben, auf begrenzte Zeit, nach einem Rotationsprinzip. Dieser Vorschlag fand 14 Gegenstimmen. Elfmal "Nein" – bei 159 Ja-Stimmen – sagten die Synodalen zum Vorschlag, ein "Amt der weiblichen Gemeindeleiterin" einzuführen.
Noch mehr Ablehnung, nämlich 41 Nein-Stimmen, erhielten dann die Überlegungen zu einer Priesterweihe von verheirateten Diakonen. Der Text ist hier zwar deutlich, bemüht sich aber erkennbar um Absicherung. Der Begriff der "viri probati" (also der bewährten, älteren Gemeindemitglieder) – der in der Aula in fast jedem dritten Beitrag zur Sprache gekommen sein soll – wird auffallend vermieden. Und der Vorschlag ist behutsam auf die Ausnahmesituationen des akuten Priestermangels in den abgelegensten Regionen Amazoniens eingeschränkt, wo gerade einmal im Jahr oder noch seltener ein Priester vorbeikommen könne. Um auch in diesen Notlagen das Leben der christlichen Gemeinden durch Predigt und Sakramentenfeier aufrechtzuerhalten, "schlagen wir vor, Kriterien und Anweisungen seitens der zuständigen Autorität zu schaffen, … um geeignete und anerkannte Männer der Gemeinde zu Priestern zu weihen". Es gehe um Männer, die bereits erfolgreich als Ständiger Diakon wirken und eine angemessene weitere Ausbildung erhalten – und dabei ihre feste und stabile Familie behalten können.
"Wir wertschätzen den Zölibat als Geschenk Gottes", steht gleichzeitig in diesem Absatz 111. In der Synode sei es keinesfalls um die Abschaffung des Zölibats gegangen, hieß es immer wieder aus Synodenkreisen. Allerdings hätten sich "einige Synodale dafür ausgesprochen", eine solche ausnahmsweise Priesterweihe "auch auf weltkirchlicher Ebene zu behandeln".
Frauen spielen in Amazonien eine wichtige Rolle bei der Glaubensweitergabe
Ging es bei dieser Frage darum, "Kriterien" für einen Sonderweg "zu entwickeln", sind die Äußerungen zu einem möglichen Ständigen Diakonat der Frau noch vorsichtiger. Das Thema sei in der Vorbereitungsphase wie auch in der Aula präsent gewesen, vermerkt das Schlussdokument. Aber zum Diakonat der Frau habe der Papst 2016 eine Studienkommission eingerichtet, diese Ergebnisse sollten geteilt werden. "Wir erwarten ihre Ergebnisse", bleiben die Synodalen zurückhaltend.
Aber genau zu diesem Thema äußerte Franziskus bereits in seinem improvisierten Schlusswort eine erste Reaktion. Nachdem die bisherige Kommission zum Diakonat der Frau zu keinem klaren Urteil gekommen sei, werde er in Zusammenarbeit mit der Glaubenskongregation neue Personen in diese Kommission berufen und die Arbeit vorantreiben. Denn Frauen hätten im Amazonasgebiet eine große Bedeutung für die Weitergabe des Glaubens, das sei bislang noch nicht richtig verstanden worden.
Und noch zu einem weiteren etwas strittigen Thema gab der Papst beim Schlusstreffen eine erste Antwort: Ein Arbeitskreis hatte in der zweiten Synodenwoche überraschend vorgeschlagen, einen neuen "amazonischen Ritus" einzuführen. Dieser könnte, wie die bereits bestehenden 23 katholischen Riten, "das liturgische, theologische, disziplinäre und geistliche Erbe Amazoniens" zum Ausdruck bringen. Da die Riten der katholischen Ostkirchen nicht mit der Zölibatspflicht für Gemeindepriester verbunden sind, deuten Beobachter dies als möglichen Weg, um eine Priesterweihe verheirateter Männer unter bestimmten Umständen zu ermöglichen. Während hierzu 22 Synodenväter mit Nein stimmten, ermunterte der Papst zum Abschluss die Teilnehmer, geeignete Vorschläge bei der zuständigen Gottesdienst-Kongregation einzureichen.
Aber auch zum Ruf der Synode nach "neuen Ämtern" fand Franziskus bei der Verabschiedung ermunternde Worte. Gefragt sei auch hier Kreativität – man müsse sehen, wie weit man gehen könne. Die Entscheidungen darüber trifft letztlich der Papst im offiziellen Schlussdokument der Synode. Und das wolle er – so versicherte er den Synodenteilnehmern – noch in diesem Jahr schreiben.