Anwalt: Übergriffe eines deutschen Priesters im Vatikan nicht verjährt
Der Münchner Rechtsanwalt Alexander Stevens hat einen Zeitungsbericht zu sexuellen Übergriffen eines deutschen Priesters auf einen Geistlichen im Vatikan bestätigt. Zur Tatzeit sei der Beschuldigte im vatikanischen Staatssekretariat beschäftigt und Vorgesetzter seines Mandanten gewesen, erklärte der Anwalt gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Der Vorwurf laute daher nicht auf Missbrauch, sondern sexuelle Nötigung. Die Taten seien nach deutschem Recht nicht verjährt. Der Beschuldigte, der wieder in Deutschland lebt und bis zur Klärung der Anschuldigungen seine Ämter ruhen lässt, weist alle Vorwürfe zurück.
Der Geistliche arbeitete während der Amtszeit von Papst Benedikt XVI. (2005-2013) im Vatikan. Weder der Papst noch dessen Privatsekretär Erzbischof Georg Gänswein seien gegen ihn vorgegangen, obwohl sie von den Übergriffen gewusst hätten, schreibt die "Bild"-Zeitung. Sie zitiert den Anwalt mit den Worten: "Es geht nicht nur um Sexualstraftaten eines einzelnen römischen Kirchenfunktionärs, sondern auch um gezielte Einschüchterung, Amtsmissbrauch und systematische Strafvereitelung durch die oberste Führungsriege der Kirche, deren Verpflichtung die weltweite Bekämpfung übergriffiger Priester wäre."
Nach Angaben des Anwalts hat sein Mandant Strafanzeige gegen den mutmaßlichen Täter erstattet und wurde ausführlich von der Kriminalpolizei vernommen. Die zuständige Staatsanwaltschaft bestätigte gegenüber KNA Vorermittlungen zur Frage, ob die erhobenen Vorwürfe strafrechtlich relevant seien. Stevens teilte ferner mit, ihm sei die eidesstattliche Versicherung "eines weiteren höherrangigen Kirchenwürdenträgers aus dem Staatssekretariat zugegangen". Darin würden neue strafrechtlich relevante Vorwürfe gegen den Beschuldigten erhoben, die frappierend mit den anderen Taten übereinstimmten.
Zeitung: Prälat habe entscheidend zur Papstwahl Ratzingers beigetragen
Dass der damalige Papst "den Prälaten gedeckt haben könnte" und nicht gegen ihn vorgegangen sei, erklärt die Zeitung unter der Überschrift "Später Dank?" mit einer Begebenheit aus dem Jahr 2005. Damals habe der deutsche Prälat entscheidend zur Papstwahl Joseph Ratzingers beigetragen, indem er konservative Kardinäle auf eine geheime Wahlabsprache liberaler Papstwähler hingewiesen habe.
In dieser Woche läuft in deutschen Kinos der Film "Verteidiger des Glaubens" an. Darin wird Ratzinger vorgeworfen, er sei nicht konsequent genug gegen Priester vorgegangen, die Minderjährige sexuell missbraucht hatten. Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn widersprach in einem KNA-Gespräch dieser Darstellung. Ratzinger habe als Kardinal und als Papst dafür gesorgt, dass Missbrauchstäter aus dem Priesteramt entfernt worden seien. (KNA)