Standpunkt

Das Leitwort des Ökumenischen Kirchentages ist peinlich

Veröffentlicht am 04.11.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Das Leitwort des Ökumenischen Kirchentages 2021 lautet "schaut hin". Das ist nicht nur banal, sondern steht für einen unfreiwillig komischen Umgang mit der Bibel, kommentiert Lucas Wiegelmann.

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Als die Berliner Philharmoniker 1982 ihren 100. Geburtstag feierten, gehörte zu den Gratulanten auch Loriot. Seine Ansprache war eine Parodie auf einen ratlosen Festredner, der mangels eigener Ideen seinen Zitatkasten zurate zieht, in der Hoffnung, die schiere Erwähnung irgendeines berühmten Gewährsmannes werde den Vortrag schon retten, egal wie nichtssagend das Zitat ist. Loriot sagte also: "Musik, so meine ich, … oder wie Thomas Mann es einmal formuliert hat: 'Hundert Jahre sind eine lange Zeit!' Und Adorno dreißig Jahre später: 'Jaja, die Musik!'."

In ähnlicher Weise, nur halt im Ernst, haben soeben der Evangelische Kirchentag und das ZdK ihr "Leitwort" für den Ökumenischen Kirchentag (ÖKT) 2021 in Frankfurt vorgestellt. Es sei "inhaltlich richtungsweisend für die weiteren Planungen", hieß es. Es soll also als eine Art Zusammenfassung dessen gelesen werden, was die Kirchen 2021 gemeinsam über sich und ihre Anliegen mitteilen wollen. Das Leitwort lautet: "schaut hin". Da wäre "Jaja, Gott!" gehaltvoller gewesen.

Die Banalität des Slogans (ÖKT-Präsidentin Bettina Limperg: "Schauen ist mehr als sehen.") ist noch nicht einmal das Traurigste. Und daran, dass sich die Kirchen lieber allgemeine Moralappelle auf die Fahnen schreiben (die Augen vor dem Leid nicht verschließen!), statt für ihr religiöses Proprium zu werben, hat man sich ohnehin gewöhnt (beim ersten ÖKT 2003 hieß es dagegen übrigens noch: "Ihr sollt ein Segen sein").

Das eigentlich Peinliche ist, dass man das Leitwort, um seine Inhaltsleere zu kaschieren, in Loriot-würdiger Weise als Bibelzitat ausweist (Mk 6,38!). Das ist nichts als ein Taschenspielertrick: Die Formulierung "schaut hin" kann man in allen möglichen Büchern finden, bestimmt auch bei Thomas Mann und Adorno. Umgekehrt lässt sich die Bibel natürlich als Beleg für alle möglichen Aussagen heranziehen, wenn man die Zitatfetzen nur klein genug macht ("schaut hin" stammt übrigens an der Markus-Stelle aus einem Zitat Jesu bei der Brotvermehrung). 

Das Leitwort des ÖKT mag eine Randnotiz sein. Trotzdem ist es ein unfreiwillig komisches Beispiel von Beliebigkeit der Kirchen im Umgang mit ihrer Botschaft. Oder um es mit den Worten der Heiligen Schrift zu sagen: Käse (Ijob 10,10).

Von Lucas Wiegelmann

Der Autor

Lucas Wiegelmann ist Chefkorrespondent Vatikan der Herder Korrespondenz in Rom.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.