Produkte werden schon jetzt teurer

"Sehr erschreckend": Gibt es bald keinen Weihrauch mehr?

Veröffentlicht am 08.11.2019 um 11:01 Uhr – Lesedauer: 

Altötting ‐ Laut einer Studie ist der Bestand der Weihrauchbäume bedroht. In den kommenden 20 Jahren könnte die Produktion massiv zurückgehen, sagen Forscher. Eine Weihrauch-Großhändlerin aus Altötting ist in großer Sorge.

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Das Licht unzähliger Kerzen erleuchtet die Kirche, die Gemeinde singt lautstark bekannte Lieder und das Räucherfass der Messdiener verströmt seinen Duft durch den ganzen Raum. Weihrauch gehört für viele Christen zu stimmungsvollen Festgottesdiensten wie an Weihnachten einfach dazu. Das könnte sich aber bald ändern, denn Forscher der Universität Wageningen in den Niederlanden prognostizieren: In 20 Jahren wird die Weihrauchernte um die Hälfe zurückgegangen sein.

Für eine Studie haben die Forscher 23 Gebiete mit über 20.000 Bäumen der Art Boswellia Papyrifera in Eritrea, Äthiopien und dem Sudan untersucht und Alter sowie Zustand der Pflanzen überprüft. Aus dem Harz der verschiedenen Boswellia-Arten wird Weihrauch hergestellt. Das Fazit der Wissenschaftler: In mehr als 75 Prozent der Bestände gebe es seit Jahrzehnten keine natürliche Regeneration mehr. Außerdem wüchsen kaum noch junge Bäume nach. Grund dafür sind laut den Forschern die zunehmende Viehzucht, häufige Brände und eine rücksichtslose Ernte.

Die Weihrauchernte findet zwischen April und Oktober statt. Dazu wird die Rinde an Stamm und Ästen der Bäume eingeritzt, damit das Harz austritt. Dieses muss mehrere Wochen trocknen, bevor es geerntet werden kann. Bei der ersten Ernte sind die Harztropfen noch dunkel und wenige Millimeter groß. Bei den weiteren Ernten werden die Tropfen größer und das Harz heller, bis es bei der letzten Ernte fast weiß ist. Je häufiger die Bäume jedoch angezapft werden, desto schwächer werden sie. Parasitenbefall ist oft die Folge. Außerdem werden aus den Samen dieser schwachen Bäume seltener gesunde Bäume. In 15 Jahren könnten die Boswellia-Bestände um 50 Prozent zurückgegangen sein, in 25 Jahren um 71 Prozent, berichten die Forscher: "Der Weihrauch ist in Gefahr."

Eine Weihrauchbaum-Plantage in Oman
Bild: ©Christoph_Lischetzki/Fotolia.com

Eine Weihrauchbaum-Plantage in Oman.

"Sehr erschreckend" findet Eva Kilwing die Ergebnisse der Studie. Sie betreibt einen Weihrauch-Großhandel und ein Museum im bayerischen Pilgerort Altötting. Schon seit längerer Zeit gebe es Erkenntnisse darüber, dass viele Weihrauchbäume bedroht seien. "Weihrauch ist grundsätzlich ein sehr wertvolles Handelsgut und schwer zu beschaffen", erklärt Kilwing. Der Rohstoff stamme meist aus ärmeren Ländern, in denen zum Teil auch politisch schwierige Verhältnisse herrschten.

Auch die Kosmetik- und die Pharma-Industrie hätte aufgrund seiner heilenden Wirkung Interesse an dem Rohstoff, sagt Kilwing. Seit Jahren setze sie sich dafür ein, dass der Weihrauch gewürdigt werde – wegen seiner natürlichen Besonderheit, der Bedeutung im religiösen, kirchlichen Leben und im Glaubensalltag vieler Menschen. Durch die große Nachfrage würden die Produkte deshalb teurer. "Man muss damit rechnen, dass der Weihrauch jetzt den Wert erhält, den er verdient", sagt Kilwing.

Bild: ©katholisch.de

Die Weihrauchmischung in der Kirche: helle Körner des reinen Aden-Weihrauchs, dunkle Myrrhe und Kohle um das Räucherwerk zu verbrennen.

Schon die alten Ägypter verbrannten Weihrauch für kultische Zwecke. Auch die antiken Römer nutzen das Harz bei ihren rituellen Opfern und beim Kaiserkult. In der Antike galt Weihrauch daher als äußerst wertvolles Handelsgut. Auch deshalb brachten die Sterndeuter aus in der Bibelerzählung von Jesu Geburt neben Gold und Myrrhe Weihrauch als Geschenk mit. Noch heute haben die Sternsinger in manchen Gegenden Weihrauchgefäße dabei, wenn sie die Menschen besuchen und deren Häuser segnen.

In der katholischen Kirche wird aber nicht nur das Harz der in Studie untersuchten Boswellia-Papyrifera-Bäume eingesetzt. "Das ist wie beim Apfelbaum: Es gibt ganz unterschiedliche Sorten", sagt die Weihrauch-Expertin. Nicht um alle der über 20 verschiedenen Arten ist es so kritisch bestellt. Außerdem wird in der katholischen Kirche nicht nur reiner Weihrauch verbrannt, häufig werden auch andere Harze und Duftstoffe beigemischt. Dass bald Weihnachten ohne Weihrauch gefeiert werden muss, glaubt Kilwing daher nicht. "Da muss man sich keine Sorgen machen."

Von Christoph Brüwer