"Synodaler Weg": Theologin will Bischöfe und Laien zum Zuhören bringen
Wenn sich Geistliche und Laien Ende Januar zur ersten Plenarversammlung des "synodalen Wegs" in Frankfurt treffen, ist sie als geistliche Begleiterin mit dabei. Gemeinsam mit Pater Bernd Hagenkord wird sie die Debatten begleiten und Impulse geben. Wichtig ist ihr dabei, dass jeder zu Wort kommt und gehört wird: "Wenn alle bei ihren vorgefertigten Meinungen bleiben, dann brauchen wir keinen 'synodalen Weg'".
Frage: Frau Boxberg, Papst Franziskus hat bereits im Vorfeld des "synodalen Wegs" dazu aufgerufen, nicht bloß über Strukturen zu sprechen. Sind Sie jetzt dafür zuständig, dem Prozess einen geistlichen Anstrich zu geben?
Boxberg: Lassen Sie es mich so sagen: Natürlich können Strukturen helfen oder auch hindern, aber das Wichtigste ist, dem näher zu kommen, was Gott heute von seiner Kirche in Deutschland erwartet. Unsere Aufgabe in der geistlichen Begleitung ist es, darauf zu achten, wie wir in den Diskussionen miteinander umgehen. Das bedeutet, dass alle hören – und zwar in vielfältiger Art und Weise. Das heißt zunächst, auf denjenigen zu hören, der gerade spricht, und nicht währenddessen innerlich zu überlegen, was ich selbst sofort erwidern möchte. Gerade bei leidenschaftlichen Diskussionen ist das nicht immer leicht. Der zweite wichtige Schritt ist, in sich hineinzuhören, was das Gesagte in mir auslöst, und drittens als Christ darauf hören, was Gott dazu sagt. Der Papst hat selbst bei der Amazonien-Synode und den anderen Synoden viel Aufsehen mit der Anweisung erregt, nach einer bestimmten Zahl an Beiträgen vier Minuten Stille zu lassen. Das haben viele als sehr positiv wahrgenommen.
Frage: Agieren Sie also auch als Vermittlerin, die dafür sorgt, dass jeder sprechen darf und die unterschiedlichen Meinungen nicht zu Streit führen?
Boxberg: Dafür ist das Moderatorenteam zuständig. Ich habe gar nichts dagegen, dass leidenschaftlich diskutiert wird – und das wird es auch. Es wird Streit geben und Situationen, die sich wie eine Sackgasse anfühlen und es auch sind. Wichtig ist dann, zuzuhören und wahrzunehmen, dass der andere genauso ein Anliegen und eine Liebe zur Kirche hat und Position dazu zu beziehen. Meistens haben wir ja auch in uns viele Facetten von Positionen und Empfindungen zu einer Frage. Deshalb sollte man auch versuchen, sich in die andere Position hineinzuversetzen. Wenn alle bei ihren vorgefertigten Meinungen bleiben, dann brauchen wir keinen "synodalen Weg". Gerade in dem Miteinander gibt es die Chance, dass wirklich etwas Neues entsteht.
Frage: Beim "synodalen Weg" sind zahlreiche Bischöfe und Geistliche dabei. Wofür braucht es da noch geistliche Begleiter?
Boxberg: Das liegt ein bisschen auch an dem Wort "geistlich". Ich benutze es in einem etwas weiteren Sinne. Für mich ist jeder Christ geistlich, weil er von Gott geschaffen und durch Taufe und Firmung geistbegabt ist. Das schließt ein, in der Beziehung zu Jesus Christus weiter zu wachsen, und Gott immer mehr in die alltäglichen Angelegenheiten einzubeziehen. Das ermutigt, sich in diese Welt einzubringen und Verantwortung zu übernehmen. Im Eifer des Gefechts wird das schon mal vergessen. Ich glaube, das geht gleich gut und gleich schlecht für jede Frau und jeden Mann in der Kirche und damit auch für Bischöfe, Priester und Ordensleute.
Frage: Welche Aufgaben haben Sie denn ganz konkret als geistliche Begleiterin? Sind Sie bei den Plenarversammlungen dabei?
Boxberg: Ja, Pater Hagenkord und ich werden dabei sein. Wir werden die Möglichkeit für einen Impuls am Anfang haben. Für uns geht es nicht darum, einen frommen Vortrag zu halten und die Frommen noch frömmer zu machen. Wir sind als Begleitende dazu da, in Erinnerung zu rufen, dass der Heilige Geist mit auf dem Weg ist und bereit ist, uns zu führen, und gerade, wenn es heiß hergeht, dem Geist Raum zu eröffnen.
Frage: Wie sieht dann der Tagesablauf aus? Führen Sie Gebetszeiten ein?
Boxberg: Wie bei wohl jedem Gesprächsprozess werden die Teilnehmenden mit einem Morgengebet beginnen. Wir werden miteinander Eucharistie feiern. Am Tagesabschluss stellen wir uns einen kurzen Rückblick vor. Das macht dann in einer Zeit der Stille jeder für sich selbst: Worauf schaue ich dankbar zurück? Mit welcher Bitte an Gott gehe ich in die Nacht und in den neuen Tag? Dazwischen hoffen wir, dass es in der Mittagszeit eine ähnliche Möglichkeit des Innehaltens gibt, um zu schauen, wo wir stehen, ob man dem Gesagten zustimmen möchte oder Ergänzungen, möglicherweise auch Einwände hat. Diese Momente des Innehaltens helfen mit zur erforderlichen Aufmerksamkeit und Konzentration. Deshalb sollten solche Phasen der Stille auch Bestandteile der Sitzungen sein.
Frage: Die Foren werden ja nicht täglich tagen. Dazwischen liegen also auch längere Phasen, in denen inhaltlich gearbeitet wird. Was machen Sie in der Zeit?
Boxberg: Da arbeiten wir weiter in unseren sonstigen Berufen. Ob wir uns den einzelnen Foren in der Zwischenzeit vorstellen, wird sich noch zeigen. Grundsätzlich sind wir erstmal bei den Vollversammlungen präsent und – wie es im Statut steht – als Gäste im erweiterten Präsidium. Dort wird dann überlegt, wie es weitergehen kann. Denn so ein Prozess lässt sich eben nicht auf Stunde und Minute planen, sondern es bewegt sich auch Vieles während der Beratungen.
Frage: Wer braucht denn dann mehr Begleitung – die Bischöfe oder die Laien?
Boxberg: Das wird sich wohl erst am Ende des "synodalen Weges" sagen lassen. Ich glaube, geistliche Begleitung ist für alle eine Chance, ob sie eher gewohnt sind, so zu arbeiten, dass es Momente des Innehaltens und Reflektierens gibt, oder ob sie sich normalerweise eher an strikten Tagesordnungen orientieren.
Frage: Obwohl der "synodale Weg" offiziell ja noch gar nicht begonnen hat, ist die Erwartungshaltung schon jetzt groß. Ist es auch Ihre Aufgabe, am Schluss die zu trösten, deren Erwartungen nicht erfüllt wurden?
Boxberg: Was danach ist, sehen wir dann. Die Aufgabe ist weder anzutreiben noch zu trösten, sondern zu sorgen, dass im Prozess alle zu Wort kommen und gehört werden, so dass im gemeinsamen Hören auf den Geist Gottes neue Wege gefunden werden. Wenn jemand sagt "Ich kann da nicht voll mitmachen", schauen wir nach Möglichkeiten, ob sich das Vorgehen modifizieren lässt. Vor allem hoffe ich, dass jeder das, was letztlich entschieden wird, mittragen kann – auch wenn man bis zum Schluss für eine andere Option gekämpft hat. Und ich hoffe, dass jede Person versucht – möglicherweise trotz und mit ihren Bedenken oder Vorbehalten – konstruktiv an der Umsetzung der Entscheidungen mitwirkt.