Katholische und evangelische Traditionen haben sich befruchtet

Ökumenische Weihnachten: Wie sich Bräuche vermischen

Veröffentlicht am 21.12.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Wie wir heute den Advent und Weihnachten begehen, ist sowohl von katholischen wie evangelischen Traditionen geprägt. Über die Jahre haben sie sich angeglichen, sind verschmolzen oder haben sich ausgestochen. Manche Herkunft kann man aber immer noch erahnen.

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Seit Ende des vierten Jahrhunderts wird die Adventszeit begangen. Papst Gregor der Große legte vier Adventssonntage fest, als Symbol für die 4.000 Jahre, die die menschliche Seele nach kirchlicher Überlieferung seit dem Sündenfall auf den Erlöser warten muss. Die Adventszeit bereitet bis heute auf Weihnachten vor – wobei der lateinische Ursprung "adventus" (Ankunft) auf das Eintreffen Jesu Christi verweist. Mit der Zeit haben sowohl katholische wie evangelische Christen ganz unterschiedliche Bräuche entwickelt, die Advents- und Weihnachtszeit zu begehen. Viele davon stehen heute in ökumenischer Zweisamkeit. Katholisch.de stellt die Herkunft einiger Traditionen vor.

Die Krippe

Das Weihnachtsgeschehen zum Anfassen gab es schon in der Alten Kirche – Hinweise auf Krippen hat man schon im antiken Armenien um das Jahr 400 gefunden. In einer bedeutenden Kirche Roms, der 420 gebauten Santa Maria ad praesepe (Heilige Maria an der Krippe) war sogar eine gesamte Seitenkapelle für die Geburtsdarstellung reserviert. Die Kirche gibt es heute noch – sie heißt Santa Maria Maggiore.

Aus den Krippen entstanden dann die Krippenspiele, was auch der unbelebten Bibeldarstellung einen Aufschwung bescherte. Vor allem in Gemeinden, die keine opulenten Spiele in der Messe veranstalten konnten, waren die Figuren interessant. Von Italien aus brachten die Jesuiten den Brauch der Krippen über die Alpen, 1562 soll in Prag die erste Krippe des Nordens aufgestellt worden sein.

Die Krippe ist seit jeher ein spezifisch katholischer Brauch gewesen, steht sie der reformierten Bilderfeindlichkeit doch entgegen. Doch die Tradition war nie unumstritten. Herrschern der Aufklärung war der als rückständig empfundene Brauch ein Dorn im Auge, die österreichische Kaiserin Maria Theresia verbot vier Mal, Krippen aufzustellen – vergebens. Denn auch in Familien wurden sie immer beliebter. Bis heute sind sie in der Weihnachtszeit präsent, wenn sie auch durch den Weihnachtsbaum ernstzunehmende Konkurrenz bekommen haben.

Ganz viele unterschiedliche Menschen kommen zur Weihnachtskrippe.
Bild: ©pdp / Ronald Pfaff

Die jahrhundertealte Tradition der Krippen besteht bis heute – wie hier im Paderborner Dom.

Das Krippenspiel

Schon seit dem 11. oder 12. Jahrhundert wurden an hohen Festtagen die jeweiligen Bibelstellen in dramatischer Form im Gottesdienst aufgeführt. In etwa gleichzeitig entwickelten sich so Passions-, Oster- und Krippenspiele. Sie waren Teil eines damals als sehr zeitgemäß empfundenen Liturgieverständnisses: Im Rahmen der szenischen Liturgie wurden gerne darstellende Elemente in den Gottesdienst eingeflochten, um den Gottesdienstbesuchern das Geschehen auch emotional näher zu bringen. Ein berühmtes Beispiel dafür war Franz von Assisi: Er feierte an Weihnachten 1223 in einem Wald bei Greccio eine Mitternachtsmette, bei der er eine Krippe mit einem Jesuskind aus Wachs aufstellen ließ, Ochs, Esel und Schafe besorgte und sich einige Anhänger als Hirten verkleideten. Maria und Josef suchte man hier noch vergebens. Das Event machte auf die Gläubigen aber trotzdem sichtlich Eindruck. Bis heute wird die Weihnachtserzählung in der italienischen Gemeinde nachgestellt.

Nach und nach lösten sich die Krippenspiele dann vom Gottesdienstgeschehen, im 13. Jahrhundert sind erstmals Aufführungen des Weihnachtsgeschehens außerhalb des Gottesdienstes belegt. Mit dem Schritt hinaus aus der Messe wuchsen die Spiele: Zusätzlich zum Geschehen um die Geburt Jesu wurden nun auch etwa der Kindermord des Herodes oder die Flucht aus Ägypten in die Handlung einbezogen. Lokal entwickelten sich auch zu Festen im Umkreis von Weihnachten Traditionen mit ähnlich spielerischen Ansätzen: So wurden am Tag der unschuldigen Kinder "Kinderbischöfe" gekürt oder Mitte Januar zur Flucht nach Ägypten ein "Eselsfest" gefeiert, bei dem in Liedern der Ruf des Esels nachgeahmt wurde.

Der Tannenbaum

Das Symbol des Baumes als Zeichen für das Leben ist in allen Kulturen und Religionen zu finden. Der Paradiesbaum der Schöpfungsgeschichte wurde in die frühen Krippenspiele einbezogen. In Europa mit seinen kalten Wintern bewunderten die Menschen vor allem die Pflanzen, die auch in der lebensfeindlichen Jahreszeit ihr grünes Kleid behielten. Sie standen für das ewige Leben. Deshalb begann man, zur Weihnachtszeit das Haus mit Lorbeerzweigen zu schmücken – sehr zum Ärger der Päpste, die heidnische Umtriebe witterten. Die Gläubigen ließen sich davon jedoch nicht beeindrucken.

Aus den Zweigen entwickelte sich dann der Brauch, gleich die ganzen Bäume aufzustellen. Die ersten Christbäume sind aus dem Elsass um 1600 bekannt – und verbreiteten sich schnell vor allem in protestantischen Regionen. In Goethes "Leiden des jungen Werthers" sowie in Theodor Storms Erzählung "Unter dem Tannenbaum" werden sie ausführlich erwähnt. Deutsche Einwanderer brachten sie im 19. Jahrhundert auch nach Amerika.

Die Katholiken hatten mit den Bäumen allerdings lange große Probleme. Warum einen Baum aufstellen, wenn man doch bereits eine Krippe zu Hause hatte? Außerdem war manchen das Naturmotiv noch nicht ganz geheuer. So ließ sich an der weihnachtlichen Wohnzimmerdekoration lange Zeit die Konfession ihrer Bewohner ablesen. Das änderte sich mit dem deutsch-französischen Krieg 1870/71. Der Zusammenhalt als Deutsche machte die Konfessionsunterschiede weniger wichtig und Tannenbäume wurden das deutsche Weihnachtssymbol schlechthin. In die katholischen Kirchen schaffte es die Tanne allerdings erst nach dem Zweiten Weltkrieg.

Bild: ©by-studio - stock.adobe.com

Heute ist der Weihnachtsbaum überall in Deutschland verbreitet.

Der Adventskranz

In der evangelischen Welt ist dieser Name bis heute ganz eng mit dem Adventskranz verbunden: Johann Hinrich Wichern. Der Theologe kümmerte sich ab 1833 um Waisenkinder aus den Hamburger Elendsvierteln und gründete den Vorläufer der heutigen Diakonie. Um die Kinder in der Adventszeit etwas aufzumuntern, feierte er mit ihnen Kerzenandachten. Teil dieser Andachten wurde ab 1839 ein großes Wagenrad, das Wichern mit Kerzen ausstattete: Eine für jeden Tag, an jedem Adventssonntag eine etwas dickere. So konnte jeden Tag eine weitere Kerze entzündet werden. Da Weihnachten in jedem Jahr anders liegt, schwankte die Zahl der Kerzen zwischen 18 und 24. Ab 1851 wurde der Kranz mit Tannenzweigen und Tannenzapfen als Symbol des Lebens geschmückt.

Von Norddeutschland aus verbreitete sich der Adventskranz nach und nach in die deutschen Wohnzimmer – nun in der etwas kleineren Variante mit nur noch vier Kerzen für die Adventssonntage. Den urevangelischen Brauch machten sich dann auch irgendwann die Katholiken zu eigen: 1925 hing in Köln erstmals ein Adventskranz in einer katholischen Kirche.

In Hamburg wird übrigens bis heute der "echte" Adventskranz verwendet – und jedes Jahr in Handarbeit hergestellt.

Die Geschenke

Sich gegenseitig zu beschenken, ist schon lange Tradition – allerdings war dafür der sechste Dezember eigentlich der Stichtag. In der Tradition des heiligen Nikolaus von Myra gab es an seinem Gedenktag Präsente. Martin Luther passte das nicht, denn er hielt nichts von Heiligenverehrung. Deshalb versetzte er den Termin um 1535 auf das Weihnachtsfest und setzte als Gabenbringer statt Nikolaus den Heiligen Christ ein, aus dem sich später das Christkind entwickelte. Ironie der Geschichte: Schon 1932 zeigte eine Umfrage, dass der sich aus dem heiligen Nikolaus entwickelte Weihnachtsmann das Christkind in vielen evangelischen Familien Nord- und Ostdeutschlands verdrängt hatte – dafür kamen die Geschenke im katholischen Westen und Süden von der Schöpfung Luthers. Heute sind die Grenzen zwischen Weihnachtsmann und Christkind eher regionaler als konfessioneller Kultur. Sowohl bei Katholiken als auch bei Protestanten hat sich heute allerdings das Weihnachtsfest als Schenktermin eingebürgert.

Weitere Bräuche

Ungeachtet der Konfession gibt es heute überall Weihnachtsmärkte, die sich seit dem 17. Jahrhundert um die Kirchengebäude entwickelt haben. Bis heute werden dort Spielzeug, Krippenfiguren, Gewürze und Christbaumkugeln verkauft. Auch das protestantische Turmblasen gibt es noch: Blasmusiker sollten Jesus durch Konzerte auf den Kirchtürmen auf die Erde herabrufen.

Weniger verbreitet sind dagegen heute etwa Rorate-Messen, mit denen in der Adventszeit frühmorgens bei Kerzenschein Gottesdienst gefeiert wird. Beinahe verschwunden ist die Fastentradition der Adventszeit. Ursprünglich seit dem 11. Jahrhundert wie die Zeit vor Ostern eine Fastenzeit, ist das Fasten in der katholischen Kirche seit 1917 nicht mehr verpflichtend.

Von Christoph Paul Hartmann