Käme "Selbstsäkularisierung der christlichen Kirchen" gleich

Religionssoziologe warnt Kirche vor Rückzug aus ländlichem Raum

Veröffentlicht am 28.11.2019 um 09:35 Uhr – Lesedauer: 

Hamburg ‐ "Wenn das ländliche Gemeindeleben ausblutet, nur weil tendenziell viele Kirchenmitglieder wegziehen, treten die Verbliebenen absehbar aus der Kirche aus": Religionssoziologe Gert Pickel warnt eindringlich vor einem Rückzug der Kirche vom Land.

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Der Religionssoziologe Gert Pickel warnt vor dem Abbau kirchlicher Strukturen auf dem Land. Studien belegten, dass dort die Bindung an die beiden großen Kirchen pro Kopf wesentlich höher sei als in den Städten. "Da wäre es eine Art Selbstaufgabe von Kirche, wenn sie sich in die Großstädte zurückzöge", sagte Pickel der "Zeit"-Beilage "Christ und Welt" (Donnerstag).

Die Kirche müsse zwar auch in Städten präsent sein, gehe jedoch ein "Schrumpfrisiko" ein, wenn sie dafür den ländlichen Raum verlasse. Dem demografischen Trend nachzugeben, kommt laut Pickel einer "Selbstsäkularisierung der christlichen Kirchen" gleich. Er warnte: "Wenn das ländliche Gemeindeleben ausblutet, nur weil tendenziell viele Kirchenmitglieder wegziehen, treten die Verbliebenen absehbar aus der Kirche aus."

Kritik an Reformplänen wie in Trier

Reformen wie sie das Bistum Trier mit der Einrichtung von Großpfarreien ursprünglich geplant hatte, sieht Pickel kritisch. "Letztlich ist das nur eine Mangelverwaltung." Darunter litten vor allem die Seelsorge und das Glaubensleben. "Die Leute fahren innerhalb einer Großgemeinde ja nicht kilometerweit über Ortschaften hinweg in den nächsten Gottesdienst", so Pickel weiter.

Kirche sei vor allem erfolgreich wegen des Sozialkapitals, das sie biete. Der Soziologe forderte deswegen, Laien stärker einzubeziehen. Das sei das "Überlebenselixier" für ländliche Regionen. "Dafür fehlt den Kirchen aber bislang noch das Vertrauen, dass auch die einfachen Gläubigen etwas auf die Beine stellen können, das eine theologische Tiefe erreicht."

Ende Oktober hatte Dresdens Altbischof Joachim Reinelt zu einer Konzentration der kirchlichen Aktivitäten auf die Großstädte geraten. Dort sei die Zahl der Firmungen und Erstkommunionen bereits jetzt zehn Mal so hoch wie in Kleinstädten und Dörfern, sagte Reinelt mit Blick auif die Diözese Dresden-Meißen. Die Gemeinden auf dem Land seien überaltert und würden immer kleiner. "Das ist nicht zu ändern, wir müssen uns dem stellen und dort im Einsatz sein, wo die Menschen sind", sagte Reinelt, der das Bistum von 1988 bis 2012 leitete. (tmg/KNA)