Neuausrichtung der kirchlichen Mission vor 100 Jahren

"Maximum illud": Gegen koloniales Denken bei der Mission

Veröffentlicht am 30.11.2019 um 13:28 Uhr – Lesedauer: 
Papst Benedikt XV.
Bild: © KNA

Bonn/Rom ‐ Wer missioniert heute wen? Die Amazonas-Synode im Vatikan hat wieder sehr deutlich gemacht: In der katholischen Kirche herrscht keineswegs Einigkeit, wie und wo christliche Mission stattfinden muss. Vor 100 Jahren wurden wichtige Weichen gestellt.

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Papst Franziskus hat den Oktober 2019 als "außerordentlichen Monat der Mission" ausgerufen. Gerade in Zeiten, die von Krieg geprägt seien sowie vom "betrüblichen Willen, Unterschiede zu betonen und Auseinandersetzungen zu schüren", sei es wichtig, allen Menschen mit neuem Eifer die gute Nachricht der Bibel zu überbringen, so der Papst in seiner Ankündigung. Die Weitergabe des Glaubens an alle sei nicht nur "erste Aufgabe der Kirche", sondern auch ihre "größte Herausforderung".

Als er dies schrieb, wusste Franziskus noch nicht mal von den hasserfüllten Reaktionen auf die indigenen sogenannten Pachamama-Figuren in Rom, die ein österreichischer Theologiestudent in den Tiber warf. In der katholischen Kirche herrscht heute weniger denn je Einigkeit, wie und wo christliche Mission stattfinden muss: vor allem in Asien, Afrika und Lateinamerika - oder umgekehrt auch im inzwischen weitgehend säkularisierten Europa, wo manche christlichen Fundamentalisten giftend ihre vermeintlichen Besitzstände an Heiligkeit verteidigen?

Franziskus stellte seinen außerordentlichen Monat für die Weltmission ausdrücklich in die Tradition des Papstschreibens "Maximum illud", das vor 100 Jahren, am 30. November 1919, veröffentlicht wurde. In dem Dokument legte Papst Benedikt XV. (1914-1922) Eckpunkte einer modernen Missionsarbeit dar. Unter anderem forderte er Respekt vor anderen Kulturen und grenzte die kirchliche Verkündigung von kolonialen Bestrebungen ab.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lag der Fokus auf Fernost

Historisch sind die Missionsstrategien der katholischen Kirche bislang stets auch im Licht der außenpolitischen Konzeptionen Europas zu bewerten. Das frühe 20. Jahrhundert war noch ganz von der Frontstellung zwischen europäischem Kolonialismus und ersten Unabhängigkeitsbestrebungen geprägt. Zur Zeit des Ersten Weltkriegs stand dabei der Ferne Osten im Fokus, vor allem China.

Afrikanische Bischöfe beraten bei einer Synode in Rom.
Bild: ©KNA

Afrikanische Bischöfe beraten bei einer Synode in Rom.

In diesem Kontext steht das Papstschreiben "Maximum illud". Benedikt XV. betont darin unmittelbar nach dem großen Krieg, Missionare müssten auf kulturelle Eigenheiten der Völker eingehen und vor allem einen einheimischen Klerus ausbilden. Dies bedeute ein Ende des selbstgerechten europäischen Machtanspruchs und Egoismus. "Denkt daran", schreibt er den Missionaren ins Stammbuch, "ihr habt nicht ein Menschenreich auszubreiten, sondern das Reich Christi!" Und: "Begreift, dass Ihr nicht für das Vaterland hier auf Erden Bürger zu werben habt, sondern für das Vaterland, das droben ist."

Die ersten einheimischen Bischöfe

Sein Nachfolger Pius XI. (1922-1939) ging diesen Kurs weiter. 1926 wurden im Petersdom die ersten chinesischen Bischöfe geweiht und bald darauf die ersten aus Japan und Vietnam. Für Afrika dauerte der Wandel etwas länger. Doch in den 1930er Jahren wuchs mit Blick auf die totalitären Ideologien des Bolschewismus und Faschismus das Bewusstsein der Kirchenleitung, zur wirklich universalen Verteidigung des Völkerrechts und der Menschenrechte aufgerufen zu sein.

Die Gemeinschaft der Nationen, verankert im Naturrecht, sowie der Kampf gegen ein neues Heidentum waren Hauptthemen von Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli, später Pius XII. (1939-1958). 1939 ernannte der neue Papst Joseph Kiwanuka (1899-1966) zum Apostolischen Vikar von Masaka in Uganda - der erste einheimische Bischof des lateinischen Ritus in Afrika seit den Zeiten des heiligen Augustinus (354-430).

Seither ist viel geschehen: Wer missioniert heute wen? Patres aus Indien, dem Kongo und Nigeria predigen deutschen Gemeinden, aus denen seit Jahrzehnten kein Priester mehr hervorgegangen ist. Missionsorden, die in Asien und Afrika inzwischen florieren, betreiben in Deutschland oft nurmehr Seniorenheime. Im 21. Jahrhundert ist das katholische Koordinatensystem längst verändert - auch wenn das noch nicht in allen Köpfen angekommen ist.

Bei seiner jüngsten Thailand-Reise sagte Papst Franziskus vor wenigen Tagen, Mission bedeute, "Türen zu öffnen, um die heilende Umarmung Gottes zu erfahren und zu teilen". Er erinnerte an die Opfer von Sextourismus, an Drogenabhängige und Migranten, "ausgebeutete Fischer und unbeachtete Bettler". Um sie sich zu kümmern, das sei christliche Mission.

Von Alexander Brüggemann (KNA)