Wegen Missbrauchs: US-Kirche vor milliardenschwerer Klageflut
Die katholische Kirche in den USA stellt sich auf Tausende neue Missbrauchsklagen ein. Wie US-Medien am Dienstag berichten, kommen auf die Diözesen Forderungen in Milliardenhöhe zu. Hintergrund der erwarteten Klageflut ist das Inkraftsetzen von Gesetzen in mehreren US-Bundesstaaten, die das Zeitfenster für Opfer-Klagen erweitern. 15 Bundesstaaten haben die einst kurzen Fristen abgeschafft.
Allein in den bevölkerungsreichen US-Bundesstaaten New York, New Jersey und Kalifornien rechnen Opferanwälte mit mindestens 5.000 neuen Klagefällen. Auf Basis der bisherigen durchschnittlichen Entschädigungshöhe von rund 350.000 Dollar pro Geschädigtem gehen Anwälte davon aus, dass mehr als vier Milliarden Dollar Belastungen auf die Diözesen zukommen könnten.
Bereits mehrere Diözesen insolvent
Die bisherigen Klagen haben bereits 20 Diözesen in den Konkurs geführt. Um den gerichtlichen Entschädigungsauflagen zu entgehen, bieten die Diözesen eigene Entschädigungsfonds an. Diese sind für die Betroffenen aber weniger attraktiv, da sie nur einen Bruchteil der Summe anbieten, die vor Gericht erreichbar wäre.
Am Montag, einen Tag nach dem Inkraftreten des neuen Gesetzes, wurde im US-Bundesstaat New Jersey bereits Klage gegen den früheren US-amerikanischen Kardinal Theodore McCarrick wegen sexuellen Missbrauchs eingereicht. Darin beschuldigt das mutmaßliche Opfer John Bellocchio (37) den 89-Jährigen, ihn als 14-Jährigen missbraucht zu haben. Damals leitete McCarrick die Erzdiözese Newark. Nach Angaben von Bellocchios Anwalt Jeff Anderson ist dies die erste Missbrauchsklage gegen McCarrick.
Seit 1. Dezember können Missbrauchsopfer in New Jersey bis zu ihrem 55. Lebensjahr ein Verfahren gegen die Täter anstrengen. Möglich ist auch ein siebenjähriges Zeitfenster ab dem Tag, an dem den Opfern bewusst wird, dass der Missbrauch ihnen bleibenden Schaden zugefügt hat. Die bisherige Frist betrug nur zwei Jahre.
Die Klage betrifft auch die Erzdiözese Newark. In der Klageschrift sind auch Vorwürfe gegen den Vatikan formuliert. Der Heilige Stuhl habe McCarrick trotz bekannten Fehlverhaltens gefördert.
Aus dem Klerikerstand entlassen
McCarrick wird beschuldigt, zwischen 1970 und 1990 zahlreiche Priesteramtskandidaten und auch mindestens zwei Minderjährige missbraucht zu haben. Am 21. Juni 2018 untersagte Papst Franziskus ihm wegen des als "glaubwürdig und substanziell" eingeschätzten Vorwurfs, 1971 gegen einen Messdiener übergriffig geworden zu sein, öffentlich priesterliche Aufgaben wahrzunehmen. Zugleich musste sich McCarrick vor der Römischen Glaubenskongregation verantworten.
Am 28. Juli 2018 nahm Franziskus seinen Rücktritt als Mitglied des Kardinalskollegiums an. Am 11. Februar 2019 sah es die Glaubenskongregation als erwiesen an, dass sich McCarrick im Sinne der Vorwürfe schuldig gemacht habe. Am 16. Februar wurde er aus dem Klerikerstand entlassen. Seither lebt er unter strengen Auflagen in einem Kapuzinerkloster in Victoria/Kansas. (mal/KNA)