Präfekt der Gottesdienstkongregation vor 40 Jahren zum Bischof geweiht

Robert Sarah: Vom "Baby-Bischof" zum streitbaren Kardinal

Veröffentlicht am 07.12.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Kardinal Robert Sarah
Bild: © KNA

Vatikanstadt/Bonn ‐ Die Wortmeldungen von Kardinal Robert Sarah haben ihn zum Wortführer der Konservativen innerhalb der Kirche gemacht. Der streitbare Kirchenmann aus Afrika betont jedoch, loyal hinter Papst Franziskus zu stehen. Vor 40 Jahren wurde Sarah zum Bischof geweiht. Ein Porträt.

  • Teilen:

Kardinal Robert Sarah ist sich mehr als sicher, wie die Kirche ihre Krise überwinden kann: Die derzeitigen kirchlichen Probleme seien eine "Krise des Priestertums", sagte der amtierende Präfekt der Gottesdienstkongregation jüngst bei der Vorstellung seines neuen Buchs "Herr bleibe bei uns" in Deutschland. Die fehlenden Priesterberufungen hätten dazu geführt, dass niemand mehr die Menschen zu Gott führe. Gerade deshalb bräuchte es heute "eifrige, fromme, gottesfürchtige Priester, die ihr Leben ganz dem Herrn schenken".

Während die deutsche Kirche derzeit auf dem "synodalen Weg" nach einer der Gegenwart angemessenen Form des Kirche-Seins sucht und Papst Franziskus die Weltkirche durch mehr Synodalität und Dezentralisierung für die Zukunft fit machen will, orientieren sich Sarahs Lösungen der Kirchenkrise eher an der Vergangenheit. Die Feier der Heiligen Messe ad orientem, die Ablehnung der Segnung homosexueller Paare und die Beibehaltung des großen Einflusses der vatikanischen Behörden sind nur einige der Mahnungen des Kirchenmanns aus Guinea, die stets von lautstarker Zustimmung konservativer Gläubiger begleitet werden. Medien stellen den 74-Jährigen wegen seiner Ansichten oft als Gegenspieler von Franziskus dar – was Sarah jedoch entschieden ablehnt und darauf verweist, dass er "loyal zum Papst" stehe. Ein Blick in Sarahs bewegte Biografie mag erklären, warum der vor 40 Jahren zum Bischof geweihte Kardinal seine umstrittenen Positionen vertritt. 

"Ich bin im Frieden und in der unschuldigen Natürlichkeit eines kleinen Dorfes aufgewachsen", schreibt Sarahs in seinem 2015 erschienenen Buch "Gott oder Nichts" über seine glückliche Kindheit im westafrikanischen Guinea. Seine Eltern waren Mitglieder des Volkes der Coniagui und von französischen Ordensleuten zum Christentum bekehrt worden, die in ihrem Dorf eine Missionsstation aufgebaut hatten. Sarah wurde am 15. Juni 1945 geboren und im Alter von zwei Jahren getauft. Bereits als Kind zeigte er ein großes Interesse am Glauben und wurde Messdiener. Dennoch lernte er auch die traditionellen religiösen Vorstellungen seines Volkes kennen, in denen die Verehrung der Ahnen eine große Rolle spielt. Die animistische Religion der Eingeborenen lobt Sarah, da sie wie das Christentum einen Schöpfergott kennt. Doch für ihn ist überaus wichtiger, dass die Missionare seinen Vorfahren vermittelt hätten, "dass einzig Jesus uns das Geschenk macht, neu geboren zu werden".

Bild: ©Christopher Beschnitt/KNA

Kardinal Gerhard Ludwig Müller und Kardinal Robert Sarah bei der Vorstellung von Sarahs jüngstem Buch im November 2019 im Kloster Weltenburg.

Als kleiner Junge spürte Sarah das erste Mal den Ruf zum Priestertum, als er die Missionare beobachtete, wie sie ins Gebet versunken in der Stille ausharrten. Als einer der Geistlichen ihn fragte, ob er selbst ins Seminar gehen und so wie er Priester werden wolle, sagte er spontan ja. Auch Sarahs Eltern stimmten dem Plan ihres Sohnes zu, auch wenn sie zunächst darüber erstaunt waren, dass ein Schwarzer überhaupt Priester werden kann – bisher waren ihnen nur die Franzosen als Kleriker bekannt. Wenn Sarah von dem gewagten Entschluss seiner Eltern, ihr einziges Kind ins Seminar zu geben, und seiner Schulzeit erzählt, hört es sich so an, als sei sein Leben einem göttlichen Plan gefolgt. Dabei war sein dreijähriger Aufenthalt im Knabenseminar in der Elfenbeinküste von beschwerlichen Reisen, Krankheit und diplomatischen Problemen geprägt, die schließlich seine Rückkehr nach Guinea nötig machten.

1964 erhält der spätere Kurienkardinal sein Abitur und wird für das Theologiestudium nach Nancy in Frankreich geschickt. Eine einmalige Chance für den jungen Priesteramtskandidaten aus sehr einfachen Verhältnissen. Dort verbringt er glückliche Jahre, durchlebt aber auch eine Berufungskrise, als er unter dem ungerechtfertigten Zorn seines Bischofs aus Guinea leidet, der als besonders strenger Mann auf die Herausgabe des Geldes besteht, das sich seine Seminaristen in den Semesterferien durch einfache Arbeiten verdienen. Mit Hilfe seines geistlichen Begleiters übersteht Sarah diese als geistliche Prüfung verstandene Zeit und hofft auf einen gerechteren Nachfolger – als sei es eine Ironie der Geschichte, wurde er es schließlich selbst.

Sarah landet auf Todesliste

Aufgrund politischer Probleme zwischen seinem Heimatland Guinea und Frankreich wurde Sarah gezwungen, seinen Studienort zu wechseln. Er machte seinen Abschluss in Theologie schließlich im Senegal und wurde vor 50 Jahren, am 20. Juli 1969 für das Erzbistum der guineischen Landeshauptstadt Conakry geweiht. Nach weiterführenden Studien in Rom und Jerusalem kehrte er nach Afrika zurück, um zunächst als Leiter des Knabenseminars von Conakry und ab 1978 als Privatsekretär des Apostolischen Administrators zu arbeiten. Ein Jahr später wurde er zum Erzbischof ernannt und am 8. Dezember 1979 – vor 40 Jahren – geweiht. Damals war Sarah mit 34 Jahren der jüngste Erzbischof der katholischen Kirche und soll von Papst Johannes Paul II. liebevoll "Baby-Bischof" genannt worden sein.

Doch Sarahs Aufgabe als Erzbischof von Conakry, die er mehr als 20 Jahre ausübte, war alles andere als kinderleicht. Guinea wurde in jener Zeit vom marxistischen Diktator Ahmed Sékou Touré mit strenger Hand geführt. Sarah wurde zum Wortführer der Gegner des Regimes, weil er die Verfolgung von Priestern und Gläubigen mutig anprangerte. Dadurch erwarb er sich auch großen Respekt bei der muslimischen Bevölkerung. Sékou Touré persönlich setzt ihn auf eine Todesliste. 1984 starb der Diktator jedoch und das faktische Todesurteil wurde nicht mehr vollstreckt.

Bild: ©KNA

Nicht immer ist die Stimmung zwischen Papst Franziskus und Kardinal Robert Sarah so gut.

Johannes Paul II. berief Sarah 2001 als Sekretär an die Kongregation für die Evangelisierung der Völker im Vatikan. Seine Abreise aus Guinea nutzte Sarah, um die Regierung des damaligen Präsidenten Lansana Conté zu kritisieren: Die Gesellschaft Guineas basiere auf der Unterdrückung der Unbedeutenden durch die Mächtigen. 2010 nahm Sarah den nächsten Schritt auf der kirchlichen Karriereleiter und wurde Präsident des Päpstlichen Rates Cor Unum, der für die Hilfsaktionen des Heiligen Stuhls in Krisengebieten zuständig war. Damit wurde Sarah, nach dem Ghanaer Peter Turkson, zum zweiten Afrikaner überhaupt, der ein vatikanisches Dikasterium leitete. Papst Benedikt XVI. machte ihn im gleichen Jahr zum Kardinal. Im November 2014 versetzte ihn Papst Franziskus schließlich an die Spitze der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung und machte Sarah damit zum Hüter über die Liturgie.

Viele Gläubige schütteln über Wortmeldungen Sarahs den Kopf

Bei Sarah sei die Verantwortung für die Liturgie der Weltkirche "in guten Händen", wie Benedikt XVI. ihm in einem Nachwort zu einem seiner Bücher bescheinigt hatte. Sarah revanchierte sich beim Papa emeritus, als er ihm sein jüngstes Buch mit den lobenden Worten "Für Benedikt XVI., den unvergleichlichen Baumeister im Wiederaufbau der Kirche" widmete. Sarahs Verhältnis zu Franziskus ist trotz aller Loyalitätsbeteuerungen seinerseits jedoch angespannt: Sarah hatte 2017 einen Erlass des Papstes zur Übersetzung liturgischer Texte durch die jeweiligen Bischofskonferenzen eigenmächtig zu Gunsten seines Dikasteriums ausgelegt und wurde daraufhin von Franziskus mit ungewöhnlich offenen Worten gerüffelt.

Viele Gläubige schütteln die Köpfe über die regelmäßigen Wortmeldungen des Kardinals, in denen er etwa eine zu große Migration kritisiert, die Gott nicht gewollt habe, oder die Gender-Theorie als Ideologie und Bedrohung der Institution Familie darstellt. Die reaktionär und erzkonservativ anmutenden Rundumschläge Sarahs machen ihn in der öffentlichen Wahrnehmung zu einem Wortführer der Traditionellen in der Kirche. Konkret war das bei der Familiensynode 2015 zu beachten, bei der Sarah heftige Störfeuer gegen jegliche Neuerungen der kirchlichen Morallehre abfeuerte. Ein bizarrer Höhepunkt war seine Einlassung, dass die Kirche gleichzeitig von den "homosexuellen und Abtreibungs-Ideologien des Westens und dem islamischen Fundamentalismus" bedroht sei, die heute das seien, "was Nazifaschismus und Kommunismus im 20. Jahrhundert waren".

Papst Franziskus nach seiner Wahl am 13. März 2013 auf der Loggia des Petersdoms.
Bild: ©picture alliance / dpa/Donatella Giagnori / Eidon

Papst Franziskus nach seiner Wahl am 13. März 2013 auf der Loggia des Petersdoms.

Sarahs Lust an radikalen Ausdrucksweisen täuscht jedoch darüber hinweg, dass er durchaus ein offener, hochgebildeter und spiritueller Mensch ist: Trotz der Differenzen zwischen Christentum und Islam schätzt er den Ein-Gott-Glauben der Muslime, den er aus seinen Schul- und Studienaufenthalten in mehrheitlich islamischen Ländern kennt. Außerdem plädiert er für eine "liturgische Versöhnung" zwischen Tridentinischer Messe und Ordentlichem Messritus, anstatt eine einseitige "Reform der Reform" zu fordern. Zu seinen wohl mit Bedacht gewählten verbalen Entgleisungen mögen ihn seine Erfahrungen als mutiger Vertreter einer verfolgten Kirche in einem atheistischen Staat und seine anscheinend aufrichtige Sorge um die Reinheit von kirchlicher Lehre und Liturgie veranlassen.

Wie lange Sarah noch Präfekt der Gottesdienstkongregation sein wird, ist allerdings nicht sicher. In diesem Jahr hat er seine fünfjährige Amtszeit im Liturgie-Dikasterium vollendet und müsste eigentlich vom Papst bestätigt werden. Nach der Auseinandersetzung um die Kompetenz für die Übersetzung liturgischer Texte ist das jedoch mehr als fraglich. Ebenso wie die Mutmaßung, ob Sarah noch weiter Karriere in der Kirche machen wird. Beim Konklave im Jahr 2013, aus dem Franziskus als Papst hervorging, wurde Sarah als "papabile", also möglicher Papstkandidat, gehandelt.

Dass er nach einer eventuellen Papstwahl in der Zukunft bei der Vorstellung eines neuen Pontifex auf der Benediktionsloggia des Petersdoms dabei sein wird, kann jedoch als sicher gelten. Denn wenn Sarah nicht als Papst vor die Menge tritt, so doch als dienstältester Vertreter des Kardinalprotodiakons, der aus Altersgründen nicht mehr am Konklave teilnehmen darf und traditionell den neugewählten Papst verkündet. Eine Aufgabe, die Sarah sicherlich mit allergrößter Loyalität zum neugewählten Heiligen Vater übernehmen würde.

Von Roland Müller