Die Kirchen sollten beim Kirchenasyl mehr zivilen Ungehorsam zeigen
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Ein ungewöhnlicher Einsatz der Polizei hat am vergangenen Wochenende große Empörung ausgelöst: Polizisten stürmen ein österreichisches Kloster und dringen in den Klausur-Bereich der Ordensschwestern ein. Ihr Auftrag: Einen afghanischen Flüchtling festnehmen, der dort im Kirchenasyl lebt und abgeschoben werden soll. Derart rigides Vorgehen gegen das Kirchenasyl ist leider kein Einzelfall.
Auch in Deutschland wird diese Form des Schutzes von Asylsuchenden in menschlich sehr schwierigen Lagen seit einiger Zeit von Politik und Verwaltung torpediert: Die Länder und das zuständige Bundesamt (BAMF) haben die ursprünglich mit Unterstützern des Kirchenasyls abgestimmten Regeln drastisch verschärft. So müssen Flüchtlinge seit vergangenem Jahr nicht mehr sechs, sondern 18 Monate im Kirchenasyl ausharren, ehe Deutschland ein Asylverfahren ermöglicht. Diese Änderung führte dazu, dass im aktuellen Kalenderjahr nur noch weniger als zwei Prozent der Flüchtlinge im Kirchenasyl aus humanitären Gründen Aufenthalt in Deutschland beantragen durften. 2016 hatte dieser Wert noch bei etwa 80 Prozent gelegen.
Die Verantwortlichen der beiden großen christlichen Kirchen müssen angesichts dieses staatlichen Angriffs auf das Kirchenasyl noch viel deutlicher als bisher Stellung für diese seit vielen Jahrhunderten bewährte Schutzpraxis beziehen. Ein Bischof aus Norwegen kann dafür als beeindruckendes Beispiel dienen: Gunnar Stålsett wird wahrscheinlich 45 Tage ins Gefängnis gehen müssen, weil er eine geduldete Frau aus Eritrea beschäftigt hat. Stålsett wollte der Geflüchteten durch die Anstellung in seinem Haushalt dabei helfen, ihr Überleben zu sichern. Denn als Geduldete hat sie keinen Zugang zum norwegischen Sozial- und Gesundheitssystem und keine Arbeitserlaubnis. Der Bischof hat sich öffentlich gegen die Gesetze seines Landes gestellt: "Es geht hier um eine Form von zivilem Ungehorsam. Er richtet sich gegen eine amoralische Ordnung."
Wie gut täte es den Kirchen in Deutschland, würden sie wie Stålsett ihre "Christenpflicht" erfüllen und sich eindringlich, medienwirksam sowie mit hohem persönlichen Einsatz zugunsten des Kirchenasyls positionieren. Denn es bringt einen Funken Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe in staatliche Regeln, die sich auch nach dem Abflauen der Flüchtlingskrise weiterhin als "amoralisch" erweisen. Die Kirchen könnten so zeigen, dass viele der Entscheidungen des BAMF falsch sind. Nicht umsonst wurde 2018 die Hälfte der negativen Bescheide von Gerichten aufgehoben. Und schließlich hat das Engagement der Kirchen manchmal auch Erfolg, so wie in Österreich: Der Flüchtling, der zu seiner Abschiebung gewaltsam aus dem Kloster geholt wurde, darf nun erstmal bleiben.