Alfred Bengsch – Bischof im geteilten Berlin
Alfred Bengsch war die herausragende Persönlichkeit der katholischen Kirche in der DDR. Noch nach seinem frühen Tod 1979 im Alter von 58 Jahren prägte der Berliner Kardinal die Kirchenpolitik der Bischöfe in dem Jahrzehnt bis zum Ende des SED-Staates. Am Freitag jährt sich sein Todestag zum 40. Mal. Dabei war Bengsch in seinem Kurs keineswegs immer unumstritten. Aber seine Autorität stand in den 18 Jahren seiner Amtszeit als Bischof von Berlin und Vorsitzender der Berliner Ordinarienkonferenz – seit 1976 Berliner Bischofskonferenz – weder nach innen noch nach außen je in Zweifel.
Der gebürtige Berliner wurde am 16. August 1961, drei Tage nach dem Mauerbau, im Alter von knapp 40 Jahren zum Bischof des politisch geteilten Bistums ernannt. Seine Wahl durch das Domkapitel war bereits im Juli, kurz nach der Berufung seines Vorgängers Julius Döpfner zum Erzbischof von München und Freising, erfolgt. Döpfner hatte seit 1958 nicht mehr in die DDR einreisen dürfen. Bengsch, der seinen Wohnsitz im Ostteil Berlins hatte, durfte West-Berlin zunächst nur an zehn, später an 30 Tagen im Quartal besuchen.
Der "Arm" Kardinal Döpfners in Ost-Berlin
Die Nachfolge Döpfners war Bengsch fast zwangsläufig zugefallen. Der Sohn eines Postbeamten und einer Schneiderin hatte nach Ost-Berliner Kaplansjahren in München in Dogmatik promoviert. Danach war er Dozent am Pastoralseminar in Neuzelle und bereits seit 1959 als Weihbischof gleichsam der "Arm" Döpfners in dem für ihn gesperrten Bistumsteil gewesen. Mit seiner unverblümten Berliner Art zu reden verband Bengsch Volkstümlichkeit mit Unmissverständlichkeit gegenüber den Staatsvertretern.
Bei aller unverhohlenen Ablehnung des sozialistischen Staates vertrat Bengsch in der Öffentlichkeit eine Haltung der "politischen Abstinenz". Seine Zurückhaltung bei allgemeinpolitischen Aussagen war keine Leisetreterei. Wenn es um Grundsätzliches ging, um Gewissensfreiheit, das Erziehungsmonopol des Staates, um Abtreibung oder den Zwang zur Jugendweihe, meldete sich Bengsch ebenso wie die anderen ostdeutschen Bischöfe zu Wort. Von seinen Vorgängern übernahm er die Anweisung an die Geistlichen, Kontakte mit staatlichen Stellen zu meiden, es sei denn in offiziellem kirchlichen Auftrag. Mit diesem Konzept gelang es Bengsch, die Seelsorge für die Katholiken nicht nur in beiden Teilen seines Bistums, sondern auch DDR-weit sicherzustellen.
Seit 1967 im Kardinalskollegium
Innerkirchlich scheute Bengsch, der mit dem persönlichen Titel Erzbischof ausgezeichnet und 1967 ins Kardinalskollegium berufen wurde, nicht den Konflikt, wenn Wichtiges auf dem Spiel stand. So wandte er sich, wenn auch vergeblich, beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) gegen die Pastoralkonstitution "Gaudium et spes" über die Kirche in der Welt von heute, weil diese nach seiner Auffassung von kommunistischen und anderen atheistischen Regierungen zum Schaden der Kirche missbraucht werden könne. 1968 wollte er die "Königsteiner Erklärung" der Deutschen Bischofskonferenz zur Enzyklika "Humanae Vitae" von Papst Paul VI. verhindern, konnte sich aber damit nicht durchsetzen. Den Text, der die Gewissensentscheidung der Betroffenen bei der Empfängnisverhütung betonte, lehnte Bengsch auch aus der Sorge ab, die Bischöfe könnten gegen den Papst ausgespielt werden.
Zu Bengschs unumstrittenen Leistungen gehört es, dass er die kirchliche Einheit des politisch geteilten Bistums Berlin verteidigte, die nicht nur vom SED-Staat bedroht, sondern auch innerkirchlich in Frage gestellt wurde. Für dieses Ziel stellte er sich sogar gegen den Vatikan, der in den 1970er Jahren zur Anerkennung der DDR-Grenzen und zur Errichtung von ostdeutschen Bistümern bereit war. Erst nach der Wahl des Polen Karol Wojtyla zum Papst Johannes Paul II. waren diese Pläne endgültig vom Tisch.