Erzbistum Berlin: Hauptstadtbistum mit bewegter Geschichte
Wer die Geschichte des Erzbistums Berlin erzählen möchte, könnte möglicherweise versucht sein, eine zeitliche Abkürzung zu wählen und erst mit dem Jahr 1994 anzufangen. Falsch wäre das zwar nicht, denn das in Berlin, Brandenburg und Vorpommern angesiedelte Erzbistum wurde in der Tat erst vor 25 Jahren – als direkte Folge der staatlichen Wiedervereinigung vom 3. Oktober 1990 und der damit einhergehenden Neuordnung der deutschen Bistumslandschaft – errichtet. Und doch würde eine solche Erzählung ausblenden, dass es selbstverständlich auch schon vor 1994 katholisches und diözesanes Leben im Nordosten Deutschlands gab.
Wollte man tatsächlich zu den Anfängen des Christentums auf dem Gebiet des heutigen Erzbistums Berlin zurückgehen, müsste man die Erzählung im 12. Jahrhundert beginnen. Durch zwei Missionsreisen in den Jahren 1124/1125 und 1128 von Bischof Otto von Bamberg wurden Brandenburg und Pommern damals christianisiert. Auf seinen Reisen zerstörte Otto die Tempel der slawischen Götter und taufte zahlreiche Menschen, weshalb er auch als "Apostel der Pommern" verehrt wird und Mitpatron des Erzbistums ist.
Vier historische Vorgängerbistümer
In der Folge von Ottos Reisen entwickelte sich in den Missionsgebieten ein blühendes kirchliches Leben. Allein im 13. Jahrhundert gründeten Franziskaner, Dominikaner und Zisterzienser in der Region ein dichtes Netz klösterlicher Niederlassungen; außerdem waren die Orden am wirtschaftlichen und kulturellen Aufstieg sowie der Gründung von Schulen und Universitäten beteiligt. "Diözesanes" Ergebnis der Christianisierung waren zudem die neuen Bistümer Cammin und Lebus, die gemeinsam mit den schon rund 300 Jahre früher gegründeten Diözesen Brandenburg und Havelberg die historischen Vorgänger des Erzbistums bildeten – und die mit ihren Wappen heute Bestandteil des Wappens des Erzbistums sind.
Im 16. Jahrhundert brach das katholische Leben in der Region dann aber zunächst ab. In Folge der Reformation wurde Brandenburg ab 1540 protestantisch; die katholischen Einrichtungen, Klöster und Kirchengemeinden wurden aufgelöst. Es sollte 140 Jahre dauern, bis in Berlin wieder ein katholischer Gottesdienst gefeiert werden konnte. Und erst mit der Weihe der St. Hedwigs-Kirche – der heutigen Kathedrale des Erzbistums – im Jahr 1773 kehrte die katholische Kirche auch sichtbar in die Region zurück. Zu verdanken war dies auch katholischen Gläubigen aus Belgien, die ab den 1720er Jahren als Arbeiter für eine Spandauer Gewehrfabrik angeworben worden waren. Ihre Übersiedelung in das protestantische Preußen hatten sie von der Zusicherung einer freien Religionsausübung abhängig gemacht – die ihnen durch ein königliches Dekret schließlich zugesichert wurde.
Nach dem Untergang der vorreformatorischen Bistümer fehlte seit dem 16. Jahrhundert im Nordosten Deutschlands eine feste diözesane Struktur. Rund 300 Jahre lang wurden die brandenburgische und die pommersche Diaspora deshalb durch das Apostolische Vikariat des Nordens betreut, ehe die Region 1821 in das Fürstbistum Breslau eingegliedert wurde. Da die Zahl der Katholiken in der Folgezeit vor allem in Berlin stark anstieg, kam zu Beginn des 20. Jahrhunderts jedoch der Wunsch auf, ein eigenes Berliner Bistum zu gründen.
Das Preußenkonkordat ebnete den Weg zum eigenständigen Bistum
Diese Bemühungen mündeten schließlich am 14. Juni 1929 in das Preußenkonkordat zwischen dem Freistaat Preußen mit dem Heiligen Stuhl. Darin heißt es in Artikel 2, Absatz 6: "Der bisher dem Bischof von Breslau mitunterstehende Delegaturbezirk Berlin wird selbständiges Bistum, dessen Bischof und Kathedralkapitel bei St. Hedwig in Berlin ihren Sitz nehmen." Damit war die Schaffung eines eigenständigen Berliner Bistums – damals noch mit Gebieten im heutigen Polen – auf den Weg gebracht; die tatsächliche Gründung erfolgte ein Jahr später am 13. August 1930 durch die Konstitution "Pastoralis officii nostri". Das neue Bistum umfasste 153 Kirchengemeinden mit rund 530.000 Katholiken – davon allein 455.000 in der Stadt Berlin –, in der Seelsorge waren etwa 250 Diözesanpriester tätig. Erster Bischof von Berlin wurde Christian Schreiber, der zuvor Oberhirte von Meißen gewesen war.
Es dauerte nicht lange, ehe sich das junge Bistum vor große Herausforderungen gestellt sah. Während der NS-Zeit geriet auch die katholische Kirche in Berlin unter Druck, einzelne Geistliche – unter ihnen Dompropst Bernhard Lichtenberg und der Priester Max Josef Metzger – wurden vom Regime verfolgt und drangsaliert. Der seit 1935 amtierende Bischof Konrad Graf von Preysing beschrieb das antikatholische Klima in einem Adventshirtenbrief damals so: "Der gläubige Katholik steht in Deutschland unter Ausnahmerecht. Er muss Spott und Hohn, Unfreiheit und Bedrängnis für seinen Glauben dulden, ohne sich verteidigen zu können." Bis zu seinem Untergang 1945 hinterließ das "Dritte Reich" wie überall in Deutschland und Europa auch im Bistum Berlin eine blutige Spur des Todes und mannigfacher Verwüstung.
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Noch während nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs auch in den Berliner Kirchen die Trümmer beseitigt wurden, erwuchs mit der Teilung Berlins und Deutschlands ab 1948/1949 bereits die nächste Herausforderung. Das Bistum Berlin war besonders betroffen, da sein Gebiet von nun an in zwei unterschiedlichen Staaten lag. Mit Blick auf die kirchliche Verwaltung und delikate Fragen der Diplomatie galt die Diözese deshalb seit den 1950er Jahren als eine der schwierigsten der katholischen Kirchen. Zwar wurde das Bistum kirchenrechtlich bis 1989 nie geteilt, die Lage der Diözese in der Frontstadt des Kalten Kriegs war jedoch im Alltag immer wieder mit Problemen verbunden.
Erst Wiedervereinigung, dann Schuldenkrise
Dies änderte sich erst mit dem Fall der Berliner Mauer und der deutschen Wiedervereinigung. Auf der Internetseite des Erzbistums steht über die Zeit nach dem 9. November 1989: "Für die Kirche von Berlin, die unter der politischen Spaltung besonders gelitten hat, war das Ende von Mauer und Stacheldraht Anlass zu großer Dankbarkeit und von Zuversicht getragener Aufbruchsstimmung. Die durch die politische Spaltung bedingten doppelten Strukturen, insbesondere der bischöflichen Verwaltung und der Caritas, konnten aufgelöst werden." Die katholische Präsenz in Berlin und Brandenburg wuchs an – etwa durch die Gründung der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin (KHSB) und die Errichtung neuer katholischer Schulen. Auch neue Caritas-Sozialstationen nahmen ihre Arbeit auf, und es entstanden zahlreiche weitere kirchliche Initiativen.
Nach den schwierigen Jahren der Teilung konnte das Bistum dank der Wiedervereinigung zunächst also zuversichtlich in die Zukunft blicken – zumal bald darauf die Aufwertung zum Erzbistum erfolgte. Doch die Zusammenführung des über Jahrzehnte geteilten Bistums erwies sich als schwieriger als zunächst angenommen und führte um die Jahrtausendwende zu einer massiven Finanzkrise. Zur Sanierung des Haushalts wurden ab 2003 unter anderem die Anzahl der Kirchengemeinden deutlich reduziert und eine Reihe von Kirchen geschlossen und abgerissen oder verkauft. Millionenschwere Unterstützung bei der Entschuldung leisteten zudem die anderen deutschen Bistümer.
Positive Höhepunkte der jüngeren Vergangenheit waren die beiden Papstbesuche in Berlin – 1996 von Johannes Paul II. (1978-2005) und 2011 von Benedikt XVI. (2005-2013). Beide Päpste feierten jeweils einen großen Gottesdienst im Olympiastadion, der deutsche Pontifex hielt zudem eine vielbeachtete Rede im Deutschen Bundestag.
Reformprozess und Kathedral-Sanierung als große "Baustellen"
Aktuell ist das Hauptstadtbistum unter dem seit Herbst 2015 amtierenden Erzbischof Heiner Koch vor allem durch zwei "Baustellen" geprägt: den Reformprozess "Wo Glauben Raum gewinnt" und die Sanierung der St. Hedwigs-Kathedrale. Beide Projekte sollen bis etwa 2023 abgeschlossen werden und neue pastorale und liturgische Perspektiven eröffnen. Der pastorale Reformprozess wurde 2012 vom damaligen Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki gestartet und hat das Ziel, auch aufgrund des zunehmenden Priestermangels bislang eigenständige Pfarrgemeinden zu etwa 30 bis 35 Pastoralen Räumen mit mehreren aktiven Orten kirchlichen Lebens zusammenzuführen. Ein anfangs durchaus hörbares innerkirchliches Grummeln über den Prozess ist mittlerweile weitgehend verstummt – wohl auch, weil das Erzbistum sehr bemüht ist, die Gemeinden aktiv an der Reform zu beteiligen.
Auch die sehr weitreichenden Pläne zur Sanierung der Hedwigs-Kathedrale stießen zunächst auf Protest. Vor allem die vorgesehene Schließung der vom Architekten Hans Schwippert nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffenen Bodenöffnung im Zentrum der Kirche sorgte für hitzige Diskussionen. Inzwischen aber sind auch diese Debatten kaum noch zu hören. Seit 1. September 2018 ist die Kathedrale für den Umbau geschlossen (das Erzbistum nutzt derweil die St.-Josef-Kirche im Stadtteil Wedding), alle wesentlichen Baugenehmigungen und Finanzierungszusagen liegen vor. Erzbischof Koch erhofft sich von der Sanierung, bei der unter anderem der Altar in das Zentrum der Kirche rücken soll, liturgische Verbesserungen und eine stärkere Sichtbarkeit der Kirche im Herzen der Hauptstadt. Wenn alles klappt soll bis zum 1. November 2023 alles fertig sein – pünktlich zum 250. Weihetag der Kathedrale.