Große Feier in Rom
In seiner Predigt kam der Papst auf die pfingstlichen Kernthemen Neuheit, Harmonie und Mission zurück. Das Neue mache immer ein wenig Angst, deshalb folge man Gott oft "nur bis zu einem gewissen Punkt", denn man wolle alles selbst unter Kontrolle behalten. Es gehe aber darum, sich nicht ängstlich zu verschließen, sondern offen zu sein für die "Überraschungen Gottes".
Franziskus rief die neuen geistlichen Bewegungen zur "Kirchlichkeit" unter Leitung der Bischöfe auf. Der Heilige Geist schaffe in der Kirche Vielfalt und unterschiedliche Charismen. Jedoch seien "Parallelwege gefährlich"; sie könnten letztlich zu Spaltungen führen.
"Gemeinschaften sollen sich nicht verschließen - das führt zu Spaltungen"
Man dürfe sich nicht in den eigenen Gruppen verschließen, sondern müsse die christliche Botschaft hinaustragen, "bis an die Außenbereiche der menschlichen Existenz", so der Papst. Er verwies dabei auf die Apostel, die am Ursprung des Pfingstfestes aus dem Abendmahlssaal in die Welt hinausgegangen seien.
Die neuen Gemeinschaften müssten für das Wirken des Heiligen Geistes offen sein, betonte der Papst. Dieser schaffe dem Anschein nach Unordnung in der Kirche, bewirke letztlich jedoch Harmonie und Einheit. Die gebotene Einheit in der Kirche bedeute keinesfalls Einförmigkeit.
"Wenn wir selbst die Verschiedenheit schaffen wollen und uns in unseren Parteilichkeiten und Ausschließlichkeiten einkapseln, führen wir in die Spaltung", sagte Franziskus an die Adresse der neuen Bewegungen. Und wer umgekehrt nach seinen menschlichen Plänen Einheit herstellen wolle, schaffe letztlich Einförmigkeit und Schematisierung. Nur der Heilige Geist könne "Unterschiedlichkeit, Pluralität, Vielfalt erwecken und zugleich die Einheit bewirken".
Mission als Aufgabe der Christen
Christen hätten die Aufgabe, "die Türen zu öffnen, um hinauszugehen, um das gute Leben des Evangeliums zu verkünden und zu bezeugen, um die Freude des Glaubens, der Begegnung mit Christus zu übertragen", sagte der Papst. Was in Jerusalem vor fast 2.000 Jahren geschehen sei, sei kein weit entferntes Ereignis, sondern müsse für jeden zur lebendigen Erfahrung werden.
Franziskus rief die Christen auf, sich vertrauend auf Gott und auf das Wirken des Heiligen Geistes einzulassen. Oft habe man Angst vor Neuem und fühle sich sicherer, wenn man alles unter Kontrolle habe: "Wir haben Angst, Gott könne uns neue Wege gehen lassen, uns herausführen aus unserem oft begrenzten, geschlossenen, egoistischen Horizont, um uns für seine Horizonte zu öffnen." Doch immer wieder in der Geschichte von Noah, Abraham und Mose bis zu den Aposteln habe Gott Neues gebracht und Vertrauen gefordert: nicht um Langeweile zu überwinden, sondern um den Menschen "tatsächlich zu verwirklichen" und um "wahre Freude zu schenken".
Am Samstagabend fordert Franziskus eine "Kultur der Begegnung"
Bereits am Vorabend hatte Franziskus gemeinsam mit etwa 200.000 Mitgliedern der Bewegungen ein großes Glaubensfest auf dem Platz vor dem Petersdom gefeiert. An dem Wortgottesdienst im Rahmen des " Jahres des Glaubens " nahmen Vertreter der etwa 150 Gruppierungen teil. In seiner improvisierten Ansprache rief Franziskus die Teilnehmer zu Mut und Geduld bei der Weitergabe des Glaubens, aber auch zu einer neuen "Kultur der Begegnung" auf. Zu den Teilnehmern gehörten die Fokolar-Bewegung, die Neokatechumenalen, Comunione e Liberazione, die Schönstatt-Bewegung, Pfadfinder, die Gemeinschaft Sant'Egidio oder das Bonifatiuswerk der Deutschen Katholiken.
„Wenn wir selbst die Verschiedenheit schaffen wollen und uns in unseren Parteilichkeiten und Ausschließlichkeiten einkapseln, führen wir in die Spaltung.“
Der Papst rief die Kirche und die Gläubigen auf, eine "Kultur der Begegnung" zu entwickeln und einer "Kultur der Trennung, der Fragmentierung und des Konflikts" entgegenzutreten. Kirche und Christen dürften sich nicht in ihren Gemeinden, in ihren Bewegungen oder im Freundeskreis verschließen. Sie müssten das Evangelium vielmehr konsequent leben und bezeugen.
"Neuevangelisierung funktioniert nur mit Jesus"
Die heutige Krise in der Welt sei nicht nur eine Wirtschafts- und Finanzkrise , sondern vor allem eine Krise des Menschen, dessen Interessen nicht genügend geachtet würden. Wenn es den Banken heute schlecht gehe oder Kurse abstürzten, gelte das als Tragödie. Wenn jedoch Kinder hungerten oder Arbeiter tödlich verunglückten, beunruhige das nicht. Eine "arme Kirche für die Armen" trete einer solchen Mentalität entgegen, unterstrich der Papst. Zugleich hob Franziskus hervor, dass die Kirche keine politische Gruppierung und keine NGO sei, und auch nicht nur auf Effizienz ausgerichtet sei.
Im Vordergrund jeder Neuevangelisierung müsse die Person Jesu und die Begegnung mit ihm stehen. "Organisation und Strukturen sind wichtig, aber ohne Jesus bringen sie nichts". Dazu gehörten auch Brüderlichkeit und Nächstenliebe. Der Gläubige müsse sich von Christus führen lassen und dann die christliche Botschaft glaubwürdig weitervermitteln.
"Religionsfreiheit für alle verteidigen"
In seiner Antwort auf vier Fragen von Teilnehmern rief der Papst dazu auf, den christlichen Glauben mit Mut und Geduld zu verkündigen.
Heute gebe es mehr Märtyrer als in den ersten christlichen Jahrhunderten. Aber Martyrium sei nie ein Scheitern, sondern die höchste Weise des christlichen Zeugnisses. Der Papst räumte ein, dass Religion mitunter für politische und soziale Belange missbraucht werde. "Aber der Christ muss auf Böses mit Gutem antworten". Mit Nachdruck rief der Papst zum Gebet für die verfolgten und leidenden Christen auf. "Wir müssen Religionsfreiheit für alle verteidigen", sagte er.
Zuvor hatte Paul Batthi, Bruder des 2011 in Pakistan ermordeten Minderheiten-Ministers Shabbaz Bhatti, über die schwierige Situation der Christen in seinem Land berichtet. Die arme christliche Minderheit werde oft verfolgt und sei infolge des Blasphemie-Gesetzes immer wieder Gewalt ausgesetzt. Dabei wollten die Christen in Einheit und in Frieden mit ihren muslimischen Brüdern zusammenleben, versicherte Bhatti. Nach dem Tod seines Bruders, der sich für Harmonie und Gerechtigkeit in seinem Land eingesetzt habe, habe es jedoch Solidaritätsbekundungen gegeben, die den Christen Mut machten.
Und Mut und Hoffnung wünsche er sich auch für die Zukunft seiner Glaubensbrüder durch das Gebet und die Solidarität des Papstes und der Kirche, so Paul Bhatti. (luk/KNA/dpa)