Neue Instruktion von Franziskus hebt besondere Geheimhaltung auf

Papst schafft "Päpstliches Geheimnis" bei Missbrauchsfällen ab

Veröffentlicht am 17.12.2019 um 12:28 Uhr – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Beim Anti-Missbrauchsgipfel im Vatikan hatte Kardinal Reinhard Marx die Anwendung des "Päpstlichen Geheimnisses" bei Prozessen gegen Missbrauchstäter infrage gestellt. Jetzt hebt Papst Franziskus die strengen Geheimhaltungsnormen mit einer neuen Instruktion auf.

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Papst Franziskus hat das sogenannte "Päpstliche Geheimnis" bei der Verfolgung von Missbrauchsstraftaten abgeschafft. Eine am Dienstag veröffentlichte Instruktion nimmt kirchliche Strafverfahren zu sexuellen Handlungen unter Gewalt, Drohung oder Amtsmissbrauch, sexuelle Handlungen mit Minderjährigen, Besitz und Verbreitung von kinderpornografischem Material sowie Vertuschung vom Siegel besonderer Geheimhaltung aus.

Zwar unterliegen laut der Instruktion "Sulla riservatezza delle cause" (Über die Vertraulichkeit von Verfahren) entsprechende Vorgänge weiter einer besonderen Vertraulichkeit zum Schutz der Beteiligten und Betroffenen. Gleichwohl dürften dadurch Ermittlungen und eine etwaige bestehende staatliche Anzeigepflicht nicht behindert werden. Weder die Person, die einen Verdacht anzeigt, noch das mutmaßliche Opfer und etwaige Zeugen dürfen durch eine Schweigepflicht gebunden werden. Die neue Instruktion tritt sofort in Kraft. Der päpstliche Sonderermittler für Missbrauch, der maltesische Erzbischof Charles Scicluna, bezeichnete das Vorgehen des Papstes als eine bahnbrechende Entscheidung. "Meiner Meinung nach ist diese Entscheidung des Papstes epochal und kommt genau zum richtigen Zeitpunkt", so der Erzbischof gegenüber "Vatican News". Scicluna ist an der vatikanischen Glaubenskongregation für Missbrauchsfälle zuständig.

Der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Stephan Ackermann, begrüßte die Abschaffung des "Päpstlichen Geheimnisses" in Missbrauchsverfahren. Die Instruktion von Papst Franziskus sei "der richtige Schritt in einem langen Prozess der Kirche, der von vielen Seiten als notwendig angesehen wurde", sagte der Trierer Bischof am Dienstag in Bonn. Die Entscheidung ermögliche eine größere Transparenz und eine verbesserte Zusammenarbeit mit den staatlichen Behörden. Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) begrüßte den Schritt des Papstes. Präsident Thomas Sternberg erklärte auf Anfrage, es handele sich um "einen wichtigen Schritt für mehr Transparenz in kirchlichen Verfahren und in der Zusammenarbeit mit staatlicher Rechtsprechung". Damit sei eine wichtige Forderung des Anti-Missbrauchsgipfels von Beginn dieses Jahres umgesetzt. "Für die Opfer von Missbrauch ist es von großer Bedeutung, nun auch Informationen über die kirchlichen Strafen erhalten zu können", betonte Sternberg. "Die Kirche beweist damit ihren Willen, konsequent den Weg der Aufklärung, der Opferorientierung und der Prävention fortzusetzen."

Bereits beim Kinderschutzgipfel Ende Februar im Vatikan hatte unter anderen der Münchner Kardinal Reinhard Marx die Anwendung des "Päpstlichen Geheimnisses" bei kirchlichen Prozessen gegen Missbrauchstäter infrage gestellt. Als "Päpstliches Geheimnis" werden strenge Geheimhaltungsnormen für bestimmte Rechts- und Verwaltungsvorgänge in der katholischen Kirche bezeichnet. Ihre Verletzung steht unter Strafe. Der Geltungsbereich wurde zuletzt 1974 neu geregelt. Heute werden vom "Päpstlichen Geheimnis" etwa Vorgänge bezüglich der Ernennung neuer Bischöfe geschützt. Es besagt: Der entsprechende Verwaltungsvorgang darf niemandem, der nicht unmittelbar an dessen Entstehung oder weiterer Bearbeitung beteiligt ist, offengelegt oder bekannt gemacht werden. Entscheiden, ob etwas unter das "Päpstliche Geheimnis" fallen soll, können neben dem Papst auch die Kardinalpräfekten als Leiter vatikanischer Behörden sowie Päpstliche Gesandte. Kritiker des kirchlichen Umgangs mit Missbrauchsfällen haben wiederholt das "Päpstliche Geheimnis" als eine Ursache für Vertuschung oder ungenügende Behandlung von Missbrauchsfällen bezeichnet.

Altersgrenze für Opfer von Kinderpornografie angehoben

Ebenfalls am Dienstag verschärfte der Vatikan die strafrechtliche Regelung gegen kinderpornografisches Material. Dazu wurde in den "Normen über schwerere Verbrechen", deren Behandlung der Glaubenskongregation vorbehalten ist, das Schutzalter von 14 bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres erhöht, wie der Vatikan mitteilte. Das Vergehen lautet in der Neufassung: "Erwerb, Aufbewahrung und Verbreitung pornografischer Bilder von Minderjährigen unter 18 Jahren in jedweder Form und mit jedwedem Mittel durch einen Kleriker in übler Absicht".

Gleichzeitig stärkt der Vatikan in kirchlichen Gerichtsverfahren wegen Missbrauchs die Rolle von Nichtklerikern. Der Neuregelung zufolge, die am 1. Januar in Kraft treten soll, können als Anwalt wie als Bevollmächtigter auch gläubige Laien ernannt werden. Diese müssen in Kirchenrecht promoviert sein und vom Vorsitzenden Richter bestätigt werden. Alle weiteren Beteiligten dieser Verfahren müssen weiterhin Priester sein. (tmg/KNA)

17.12., 13:25 Uhr: Ergänzt um Absätze 5 und 6. 13:35 Uhr: Ergänzt um Stellungnahme von Scicluna. 16:10 Uhr: Ergänzt um Stellungnahme von Ackermann. 16:42 Uhr: Ergänzt um Stellungnahme von Sternberg.