Standpunkt

Wie die Kirche mit unsinnigen Rechtsstreitigkeiten ihr Image ruiniert

Veröffentlicht am 18.12.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die Kirche hat Recht bekommen: Nach einem Gerichtsurteil bekommt sie jetzt von einem Mitglied eine Kirchensteuer-Nachzahlung von 1.900 Euro. Das ist allerdings wenig im Vergleich zur desaströsen Außenwirkung, die solche Fälle mit sich bringen, findet Felix Neumann.

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Rechtsstreitigkeiten um die Kirchensteuer kann die Kirche nur verlieren. Selbst wenn sie gewinnt. Gerade zeigt sich das an einem Berliner Urteil: Eine Frau sollte nachträglich Kirchensteuer entrichten. Sie selbst ging davon aus, dass sie mit dem Kirchenaustritt ihrer Eltern Ende der 1950er Jahre auch, trotz Taufe, kein Kirchenmitglied mehr sei. Dass die Mitgliedschaft in der evangelischen Kirche doch noch bestand, hat erst 2011 das Finanzamt nach Recherchen beim Taufpfarramt festgestellt.

Das Urteil ist keine Überraschung: Getauft und nicht ausgetreten bedeutet Kirchensteuerpflicht – auch hier. Die Berliner evangelische Landeskirche darf sich nun über eine Nachzahlung von etwa 1.900 Euro und viel schlechte Presse freuen.

Die Einnahmen stehen hier nur einem Imageschaden gegenüber: Das Bild der primär an Geld interessierten Kirche wird bestätigt. Schlimmer: Für 1.900 Euro spielt man den grundsätzlichen Gegnern der Kirchensteuer in Hände. Der Giordano-Bruno-Stiftung, die über ihr Institut für Weltanschauungsrecht die Klage unterstützte, geht es um mehr als dieses Geld: Nämlich um eine grundsätzliche Umgestaltung des in Deutschland geltenden Staatskirchenrechts.

Politisch gibt es dafür noch keine Mehrheiten. Wenn der Umbruch kommt, kommt er von den Gerichten. Die kirchliche Strategie, Ansprüche rechtlich durchzusetzen, geht lange gut – bis sie nicht mehr gut geht: Das Bundesverfassungsgericht hat (noch) großes Verständnis für das von ihm selbst mitentwickelte, den Kirchen wohlgesonnene staatskirchenrechtliche Gefüge. Beim Europäischen Gerichtshof sieht das anders aus – das hat (in diesem Fall die katholische) Kirche erfahren müssen, als sie den "Chefarztfall" über alle Instanzen gespielt hatte und so durch eine Niederlage vor dem EuGH selbst ihren Spielraum beim kirchlichen Arbeitsrecht deutlich verkleinert hat.

Schon aus strategischem Eigeninteresse wären die Kirchen also gut beraten, ihr Recht weniger prinzipiell vor Gerichten durchzusetzen. Ob als Kirchensteuergläubigerin oder Arbeitgeberin: Mit Blick auf den eigenen ethischen Anspruch, abseits aller Rechtsansprüche, könnten sich die Kirchen auch etwas anderes fragen. Nämlich: Ist das das Bild, das wir nach außen abgeben wollen? Schaffen wir es wirklich nicht, solche Konflikte gütlich und selbstlos beizulegen? Das wäre viel mehr wert als 1.900 Euro.

Von Felix Neumann

Der Autor

Felix Neumann ist Redakteur bei katholisch.de und Mitglied im Vorstand der Gesellschaft katholischer Publizisten (GKP).

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.