Frankfurter Stadtdekan zum Auftakt des Synodalen Weges

Johannes zu Eltz: Reaktionäres Beharren treibt Leute aus der Kirche

Veröffentlicht am 24.01.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Frankfurt am Main ‐ Ein Festhalten an alten Formen ist für ihn keine Option: Der Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz spricht im Interview darüber, wie sich Kirche in Deutschland ändern kann und wo sie es mit Blick auf eine bestimmte Personengruppe dringend tun muss.

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Frankfurts katholischer Stadtdekan Johannes zu Eltz gehört zu den mehr als 230 Teilnehmern der ersten Vollversammlung des Synodalen Weges in Frankfurt. Dieser Reformdialog sei für die katholische Kirche in Deutschland eine "letzte große Chance", sagte der 62-jährige Priester in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur. Zu Eltz, der auch Mitglied des Limburger Domkapitels und Pfarrer der Frankfurter Dompfarrei Sankt Bartholomäus ist, gehört zu den reformorientierten Kräften in der Kirche. Er ist der höchstrangige Vertreter der katholischen Kirche in Frankfurt am Main.

Frage: Herr Stadtdekan, derzeit scheinen große Worte Konjunktur zu haben, wenn über mögliche Umbrüche in der katholischen Kirche gesprochen wird. Deutsche Bischöfe reden von einer "Zeitenwende" oder von einem "Gestaltwandel" der Kirche. Welche Bedeutung hat der Synodale Weg aus Ihrer Sicht?

Zu Eltz: Ich mag sonst Pathos gar nicht. Aber hier ist es gerechtfertigt. Ich glaube, für die Kirche, wie wir sie kennen und wie ich sie liebe, ist das die letzte große Chance, durch selbstgesteuerte Reformen dorthin zu kommen, wo sie sein will. Das wäre eine moderne Volkskirche, die als Teil einer freiheitlichen Gesellschaft zuversichtlich mit der Zeit geht, damit sie ihre zeitlose Botschaft unter die Leute bringen kann. Die Möglichkeiten, die für diesen Gestaltwandel im Synodalen Prozess liegen, müssen beherzt ergriffen und umgesetzt werden.

Frage: Manche sagen, die katholische Kirche müsse sich nicht neu erfinden, sie habe von Gott die Zusage, dass sie nie untergeht, solange die Erde besteht.

Zu Eltz: Ja, klar. Sie hat eine Dauerkarte in der Geschichte. Aber die Bestandsgarantie, die Jesus der Kirche gegeben hat, gilt nicht für ihre geschichtliche Gewandung. Die muss immer neu angepasst werden.

Eine Frau hält einen Luftballon mit der Aufschrift "Maria 2.0"
Bild: ©Harald Oppitz/KNA (Archivbild)

Eine Frau hält einen Luftballon mit der Aufschrift "Maria 2.0" bei einer Demonstration.

Frage: Kritisiert worden ist die Satzung des Synodalen Weges, die am Ende den einzelnen Bischöfen die Umsetzung der Beratungsergebnisse in ihren Bistümern überlässt. Wie sehen Sie diese mangelnde Verbindlichkeit?

Zu Eltz: Keine Kritik! Ohne eine solche Klausel hätte es gar keinen Synodalen Weg gegeben. Und wer will denn eine brachiale Durchsetzung von Mehrheitsentscheidungen auf dem Gebiet der Deutschen Bischofskonferenz gegen den Willen von einzelnen Ortsbischöfen?

Frage: Wie könnten dann Bischöfe die Beratungsergebnisse umsetzen, die beim Synodalen Weg zusammen mit den Vertretern der Laienkatholiken gefunden werden?

Zu Eltz: Indem sie in ihren eigenen Bistümern einfach damit anfangen. Und das, was Rom entscheiden muss, klipp und klar von Rom verlangen. Je mehr Bischöfe das tun, und je kraftvoller sie miteinander ihre Überzeugungen äußern, desto größer sind die Chancen. Die Erfahrung, dass durch maßvolle Reformen die Kirche in den Diözesen nicht zerbricht, sondern dass sie im Gegenteil Wind in die Segel bekommt und Fahrt aufnimmt, kann mit der Zeit auch den skeptischen oder gegnerischen Bischöfen Mut machen. Jedenfalls werden die Gläubigen das tun. Wenn sie sehen, dass die Kirche im Nachbarbistum Lust und Leben bekommt, werden sie zu ihrem Bischof gehen und sagen: "Komm, das können wir auch. Los, auf geht's."

Frage: Welche Rolle würde der Papst dabei spielen?

Zu Eltz: Ich glaube, die kennt er schon. Er muss Unterschiede gut finden und unterschiedliche Regelungen in der Weltkirche erlauben, die sensibel die jeweiligen Kulturen berücksichtigen.

Frage: Was könnte Franziskus konkret tun?

Zu Eltz: Den Diakonat für Frauen im Norden und im Westen der Welt rasch möglich machen. Dort, wo die Gleichberechtigung der Geschlechter eine allgemeine Forderung der Gerechtigkeit ist, geht sonst die Kirche kaputt.

Bild: ©katholisch.de (Archivbild)

Bischof Georg Bätzing bei der Pressekonferenz der Bischofsvollversammlung in Fulda.

Frage: Der Papst würde also keine gesamtkirchliche Entscheidung fällen, sondern einen spezifisch deutschen Weg ermöglichen?

Zu Eltz: Nein, besser nicht spezifisch deutsch. Nationalkirchen sind nicht der Weg in die Zukunft. Man muss in kulturellen Räumen denken. Der Papst könnte in Ländergruppen oder Subkontinenten den Bischofskonferenzen Zuständigkeit in diesen Fragen einräumen.

Frage: Der Limburger Bischof Georg Bätzing hat den Reformdialog des Synodalen Weges gegen Kritiker verteidigt. Das sei "kein von langer Hand vorbereiteter 'Aufstand' liberaler Kräfte mit dem Ziel, endlich lange angemahnte Veränderungen durchzudrücken und dabei sogar die Abspaltung von der weltweiten katholischen Kirche in Kauf zu nehmen", sagte Bätzing. Wie kann die Einheit der Kirche aus Ihrer Sicht gewahrt werden?

Zu Eltz: Bischof Georg hat völlig recht. Man soll niemanden ranlassen, dem die Einheit nicht ein Herzensanliegen ist. Ich glaube aber, dass das Festhalten an den Formen und Stilen des 19. Jahrhunderts die Spaltung, die ja längst besteht, unumkehrbar machen würde. Dieses reaktionäre Beharren, das auf den ersten Blick wie Glaubenstreue aussieht, treibt bei uns die Leute in Scharen aus der Kirche. Sie finden keinen anderen Weg, ihren Protest gegen die Starrheit und Leblosigkeit der Kirche zum Ausdruck zu bringen, als den Weg hinaus. Sie werden nicht wiederkommen, wenn uns später die Reformen aufgezwungen werden, die jetzt in Freiheit durchzuführen wir zu ängstlich sind. Diese Chance haben wir nur heute!

Frage: Beim Reformdialog des Synodalen Weges ist aus Bätzings Sicht das Forum "Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche" die dringlichste Fragestellung. Sehen Sie das auch so?

Zu Eltz: Ja. Bischof Georg hat sich hier maßvoll, aber deutlich positioniert und die Frauenfrage als die wichtigste Gerechtigkeitsfrage oben angestellt. Das sehe ich genauso. Ich bin umgeben von wunderbaren katholischen Frauen, deren Bindung zur Kirche inzwischen so locker ist, dass es nicht mehr viel braucht, um sie aus der Kirche zu verjagen. Das sind Frauen, die ihr Leben lang treu zur Kirche standen. Die lieben die Kirche, an der sie leiden, und auf sie müssen wir hören.

Von Norbert Demuth (KNA)