Vatikan: Priesterväter sollen nicht in jedem Fall suspendiert werden
Wenn Priester Kinder haben, sollen sie nicht in jedem Fall automatisch von ihrem Amt suspendiert werden. Vielmehr komme es auf das Alter der Kinder und ihre Lebenssituation an, bestätigte die Vatikanische Kleruskongregation der Betroffenenorganisation "Coping International" bereits am vergangenen Freitag in einer E-Mail. "Coping International" hatte die Kongregation mit Äußerungen ihres Präfekten, Kardinal Beniamino Stella, konfrontiert und angefragt, ob diese Zitate den Inhalt von bisher unveröffentlichten Leitlinien des Vatikan zum Umgang mit Priestervätern wiedergeben. Der Untersekretär der Kongregation, Andrea Ripa, bestätigte der Organisation in der vergangenen Woche, dass die aus dem Februar 2019 stammenden Interviewauszüge mit dem "Osservatore Romano" eine "genaue Reflexion" der Leitlinien sind.
Demnach sollen Priester unter 40 Jahren direkt aus dem Priesterstand entlassen, also von ihren Rechten und Pflichten entbunden werden. Dadurch sollen sie in der Lage sein, sich um ihre Kinder zu kümmern – deren Wohlergeben besonders betont wird. Dabei gehe es nicht nur um die materielle Versorgung des Kindes, sondern auch die "verantwortungsvolle Ausübung der Elternfürsorge". Diese Pflichten sind nach Meinung der Kirche mit dem priesterlichen Dienst nicht vereinbar.
Ausnahmen von der Regel
Von dieser Regel gibt es allerdings Ausnahmen. So muss ein Priester nicht in jedem Fall suspendiert werden, dessen Kind in eine stabile Familie kommt, in der jemand anderes die Vaterrolle einnimmt. Ähnliches gilt, wenn die Vaterschaft eines Priesters erst bekannt wird, wenn seine Kinder bereits erwachsen sind. Dann liegt es am Bischof, eine Einzelentscheidung zu treffen. "Das Dikasterium rät zu flexiblen Unterscheidungen innerhalb der Richtlinien", so ein Zitat Stellas.
Im Interview hatte Stella damals weiter gesagt, die Richtlinien seien bislang nicht veröffentlicht worden, da sie ein "Arbeitsinstrument" für die Einschätzung von Einzelfällen innerhalb des Dikasteriums darstellten. Der Präfekt fügte hinzu, etwa 80 Prozent aller Dispensierungen von Priestern hätten mehr oder weniger direkt mit deren Kindern zu tun. Sollte sich ein Priester gegen den Wunsch seines Bischofs oder Ordensoberen nach einer Suspendierung stellen, werde der Fall der zuständigen Kongregation vorgelegt. Weiter sagte er: "Ein Kind ist immer ein Geschenk Gottes, egal wie es empfangen wurde." Er betonte aber auch, dass die Frage des Umgangs mit Priesterkindern die Einschätzung des Vatikan zum priesterlichen Pflichtzölibat nicht berühre.
Die irische Organisation "Coping International" vertritt die Interessen von Priesterkindern. Die Organisation geht von weltweit etwa 10.000 Kindern von Priestern aus. Das Bündnis tritt für mehr Aufmerksamkeit für deren Belange ein, unterstützt und berät sie. (cph)