ZdK-Präsident zum Start der Synodalversammlung

Sternberg: "Wir sollten nicht alten Zeiten hinterherjammern"

Veröffentlicht am 30.01.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Sternberg: "Wir sollten nicht alten Zeiten hinterherjammern"
Bild: © KNA

Bonn/Frankfurt ‐ Zum Start der Synodalversammlung zeigt sich Thomas Sternberg gespannt und optimistisch. Der ZdK-Präsident ist der Ansicht, dass einige Beschlüsse direkt in den Bistümern gelten werden – andere hingegen könne noch nicht einmal der Papst entscheiden.

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Heute beginnt in Frankfurt die inhaltliche Arbeit des Reformdialogs in der katholischen Kirche. In der Messestadt am Main treffen sich bis zum 1. Februar erstmals die rund 230 Mitglieder der Synodalversammlung. Dabei handelt es sich um das höchste beschlussfassende Gremium des von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) initiierten Synodalen Wegs. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erläutert ZdK-Präsident Thomas Sternberg, was die auf zwei Jahre angelegte Initiative bewirken soll. Und warum er mit Blick auf die Zukunft der Kirche wenig von Pessimismus hält.

Frage: Herr Sternberg, der Synodale Weg startet mit der inhaltlichen Arbeit – was empfinden Sie vor der Premiere dieser in der Weltkirche bislang einmaligen Veranstaltung?

Sternberg: Eine Mischung aus gespannter Erwartung und Optimismus – ohne Euphorie. Wobei ich schon die Hoffnung habe, dass der Synodale Weg die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche wieder erneuern kann.

Frage: Konservativen sehen die Sache skeptischer – und Vertreter etwa des Forums Deutscher Katholiken sitzen erst gar nicht mit im Boot.

Sternberg: Das Forum Deutscher Katholiken habe ich schon vor längerem aufgefordert, dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken beizutreten. Wir sind ja keine revolutionäre Vereinigung, sondern repräsentieren ein großes Spektrum an Menschen, die sich kirchlich engagieren. Davon abgesehen halte ich die Wahrnehmung, es gebe viele, die gegen den Synodalen Weg seien, für überzogen.

Frage: Warum?

Sternberg: Weil die Zahl derer, denen die ganze Richtung nicht gefällt, sehr gering ist. Dagegen sagt eine überwältigende Mehrheit von Menschen: Wir müssen gemeinsam sprechen über Reformen und die Gründe, die zum Missbrauchsgeschehen von Geistlichen beigetragen haben.

Der Synodale Weg der Kirche in Deutschland

Wie geht es nach dem Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche in Deutschland weiter? Bei der Frühjahrs-Vollversammlung 2019 in Lingen beschlossen die deutschen Bischöfe einen Synodalen Weg. Gemeinsam mit allen Gläubigen wollen sie Reformen anstoßen. Die Themen: Machtmissbrauch, Sexualmoral, Zölibat und die Rolle der Frau.

Frage: Haben Sie nicht im Vorfeld überzogene Erwartungen geweckt, indem sie verbindliche Beschlüsse in Aussicht gestellt haben? Schließlich entscheiden allein die Bischöfe über eine Umsetzung der Vereinbarungen. Und vieles lässt sich überhaupt nicht auf deutscher Ebene klären.

Sternberg: Da müssen Sie schon genauer hinschauen. Ja: die Ortsbischöfe entscheiden über die Umsetzung der Beschlüsse in ihrem Bistum. Aber anders als bei einer Synode haben beim Synodalen Weg die Laien nicht nur beratende Funktion, sondern fassen diese Beschlüsse mit.

Frage: Was heißt das in der Praxis?

Sternberg: Es wird wohl drei verschiedene Kategorien von Beschlüssen geben. Einmal solche, die in den Bistümern direkt in Kraft gesetzt werden können. Dann die, die als Votum nach Rom gehen. Und schließlich Beschlüsse, die sich wahrscheinlich an ein Konzil richten müssten, die selbst ein Papst oder eine Bischofssynode nicht einfach entscheiden könnte.

Frage: Nennen Sie bitte ein Beispiel für diese drei Kategorien.

Sternberg: Nehmen wir die Rolle von Frauen in der Kirche. Unter die erste Kategorie fiele die Frage, ob Frauen bei kirchlichen Begräbnissen mitwirken können oder ob sie Mitglied des Domkapitels werden. Die Frage, ob Frauen zu Diakoninnen geweiht werden dürfen, könnte durch ein päpstliches Dekret umgesetzt werden. Ein Konzil müsste die Frage klären, ob Frauen zu Priesterinnen geweiht werden können.

Frage: Zwei Wochen vor der ersten Synodalversammlung lagen dem Synodalpräsidium rund 1.000 Eingaben von Katholiken vor. Worum geht es?

Sternberg: Themen sind Macht und Gewaltenteilung, aber auch Anfragen an eine Sexualmoral, die viele Katholiken seit Jahrzehnten nicht mehr erreicht. Die Menschen bewegen aber auch Dinge wie die immer größeren Pfarreien, eine zeitgemäße Seelsorge oder Aspekte von Kirche und Umweltschutz. Das ist sicher alles wichtig, aber wir müssen sehen, dass wir den Synodalen Weg nicht überfrachten. Deswegen werden wir vieles jetzt noch nicht beraten können. Aber die Eingaben zeigen, wie groß bei vielen katholischen Gläubigen der Reformdruck ist.

Papst Franziskus im Portrait
Bild: ©KNA/Stefano Spaziani/Romano Siciliani

Papst Franziskus ist bekannt dafür, Dinge aufzuwirbeln. Das gefällt nicht jedem. Thomas Sternberg warnt davor, diesen Stimmen zu viel Gewicht zu geben.

Frage: Die Kirche in Deutschland ist Teil der Weltkirche. Während Bischöfe aus Lateinamerika die Priesterweihe verheirateter Männer wollen, warnt der aus Afrika stammende Kurienkardinal Robert Sarah vor Anpassungen an den Zeitgeist. Wie beurteilen Sie die Lage insgesamt?

Sternberg: Wir befinden uns in einer historisch bemerkenswerten Situation. Nach dem Tod von Paul VI. 1978, dem großen Reformpapst im 20. Jahrhundert, herrschte jahrzehntelang Stillstand. Fraglos hat auch Johannes Paul II. viel bewegt, aber im Innern der Kirche gab es kaum Veränderungen. Jetzt haben wir mit Papst Franziskus jemanden, der Dinge aufwirbelt und Diskussion anstößt. Dagegen wenden sich lautstark einige einflussreiche Persönlichkeiten. Ich warne aber davor, diese Stimmen zu überschätzen.

Frage: Wird am Ende eine andere Verfasstheit von Kirche stehen?

Sternberg: Ich bin ziemlich sicher, dass wir eine andere Verfasstheit bekommen werden – wobei ich mir nicht sicher bin, ob das auf der ganzen Welt ein einheitlicher Prozess sein wird. In unseren Breitengraden wird die umfassende Herrschaft von Bischöfen zurückgehen und zumindest für die Fragen der Sozialgestalt der Kirche eine stärkere Demokratisierung Einzug halten.

Frage: Findet die Kirche in Deutschland in 20 oder 30 Jahren in der Gesellschaft noch Gehör?

Sternberg: Eine spannende Frage. Wir haben schon von den Zahlen her einen Rückgang zu verzeichnen. Aber wir sollten nicht alten Zeiten hinterherjammern. Wenn wir überzeugen und überzeugend handeln, können wir sehr viel erreichen. Mir geht es vor allem darum, glaubhaft von einem Leben Zeugnis zu geben, dass mehr ist als Produktion, Konsum und Selbstoptimierung.

Von Joachim Heinz (KNA)