Heftige Kritik vom Kölner Erzbischof

Kardinal Woelki: Synodalversammlung stellt Hierarchie infrage

Veröffentlicht am 01.02.2020 um 10:35 Uhr – Lesedauer: 
Liveticker Tag 3

Frankfurt ‐ "Es sind eigentlich alle meine Befürchtungen eingetreten": Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki übt deutliche Kritik an der Synodalversammlung. Viele Zeichen hätten die kirchliche Hierarchie infrage gestellt – und nicht alle Meinungen seien gehört worden.

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15.45 Uhr: Zusammensetzung der Arbeitsgruppen steht fest

Der Synodale Weg hat sich auf die Zusammensetzung seiner vier Arbeitsgruppen, der sogenannten Foren, geeinigt. Diese sollen die inhaltlichen Vorarbeiten für die künftigen Beschlüsse der rund 230 Delegierten der Synodalversammlung leisten. Es geht um vier Themen: Macht, Sexuallehre, Frauen und priesterliche Lebensform. Jeder Gruppe gehören 35 Mitglieder an. Geleitet werden sie von einem Tandem: einen Vertreter bestimmte die Deutsche Bischofskonferenz, einen das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK).

Zunächst hatten Delegierte Kritik daran geübt, dass jeder Arbeitsgruppe nur 30 Personen angehören sollten. Diese sollten der Synodalversammlung angehören oder von außen berufen werden. Teilnehmer beklagten, der Prozess führe zu "Delegierten erster und zweiter Klasse".

Angestrebter Ausgleich

Der Sekretär der Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer, erläuterte daraufhin, dass das Präsidium der Versammlung für die Besetzung eine Reihe Kriterien beachtet habe: Er nannte dabei eine möglichst große inhaltliche Vielfalt und viel theologischen Sachverstand, um Beschlüsse gut begründen zu können. Zudem sei ein Ausgleich zwischen Frauen und Männern, zwischen Ost- und Westdeutschen sowie eine Beteiligung jüngerer Menschen angestrebt worden.

Die Synodalversammlung entschied sich dann mit knapp 90 Prozent dafür, dass je Forum fünf Personen hinzugewählt werden können. Zudem sollten interessierte Synodalteilnehmer zu weiteren Veranstaltungen, etwa einzelnen Hearings, eingeladen werden können.

Die Versammlung wählte am Samstag die je fünf zusätzlichen Vertreter pro Forum und bestimmte sie gemeinsam mit den vorgelegten Listen als Forenteilnehmer. Abgelehnt hatte die Vollversammlung einen Vorschlag konservativer Bischöfe, in den Foren eine Sperrminorität einzuführen. (KNA)

Bild: ©KNA/Harald Oppitz

Auftakt der Beratungen der Synodalversammlung am 31. Januar 2020 im Dominikanerkloster in Frankfurt. Vorne am Pult Thomas Sternberg (l.), Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Kardinal Reinhard Marx (2.v.l.), Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Wilfried Theising (m.), Weihbischof in Münster, Claudia Nothelle, Mitglied im Zdk, und Karin Kortmann (r.), Vizepräsidentin des ZdK.

15.00 Uhr: Synodaler Weg wirkt laut Beobachtern über Deutschland hinaus

Beobachter aus katholischen Ortskirchen der Nachbarländer haben erklärt, dass Themen und Ergebnisse des Synodalen Wegs auch über die Grenzen Deutschlands hinaus bedeutsam seien. Zugleich zeigten sie sich auf Nachfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) beeindruckt von der in Frankfurt bei der Synodalversammlung erlebten Diskussionskultur.

Der Beobachter der Französischen Bischofskonferenz, Bischof Didier Berthet, sagte, ihm habe die Geschwisterlichkeit und der Ernst der Debatte imponiert. Beeindruckend sei auch die Demut, mit der die Bischöfe auf Augenhöhe mit den Laien saßen und diskutierten. Besorgt sei er darüber, dass in manchen Beiträgen die Kirche zu einseitig aus einer Perspektive der Macht gesehen werde. "Es ist zu wenig die Rede davon, wie die unterschiedlichen Charismen in der Kirche einander bereichern können. Ich hoffe als Ergebnis auf eine stärkere Gemeinschaft, aus der neue Glaubwürdigkeit für eine neue Mission erwächst."

Jerome Vignon, der für den französische Laien-Dachverband "Promesse d'Eglise" die Synodalversammlung beobachtete, sagte, die Fragen nach der Macht in der Kirche, nach dem Zölibat und der Rolle der Frauen bewegten auch viele Katholiken in Frankreich. Es gehe hier wie dort darum, "einen Weg zu finden, wie die Kirche auch in Zukunft ihre Stimme in der Gesellschaft hörbar machen kann".

"Das hat eine neue Qualität"

Ähnlich äußerte sich Wolfgang Rank vom Katholischen Laienrat Österreichs. Er sei erfreut und erstaunt, dass das Gespräch zwischen Hierarchie und Nichtklerikern in Deutschland kollegial und auf Augenhöhe funktioniere. "Da sind wir in Österreich noch nicht so weit", betonte er. Die in Frankfurt debattierten Themen würden in Österreich schon seit über 20 Jahren diskutiert, "aber noch nie auf einer offiziellen kirchlichen Ebene, wie das hier der Fall war. Das hat eine neue Qualität".

Weiter erklärte Rank: "Was hier herauskommt, wird Auswirkungen haben mindestens auf den gesamten deutschsprachigen Raum, vielleicht auch darüber hinaus, auch wenn klar ist, dass vieles nur in Rom entschieden werden kann. Aber auch dafür erhoffe ich mir Auswirkungen von dem, was hier passiert."

Als Beobachter aus Luxemburg meinte Theo Peporte, ehemaliger Sprecher des Erzbistums, er sei überrascht über das offene Wort in der Versammlung. Die unterschiedlichen Richtungen und Fraktionen redeten "miteinander und manchmal auch gegeneinander - aber das in aller Offenheit". Zur internationalen Tragweite der Debatte bemerkte er: "Was hier diskutiert wird, beschäftigt mindestens auch die anderen Kirchen in Westeuropa, vielleicht sogar darüber hinaus. Ich bin überzeugt, dass der gesellschaftliche Wandel den kirchlichen Wandel mit sich bringt. Der Synodale Weg ist der Versuch, diesen Wandel aktiv mitzugestalten. Gelingt dies nicht, wird der Wandel trotzdem kommen."

Katholische Beobachter aus insgesamt acht Nachbarländern sowie Abgesandte von anderen Konfessionen und Kirchen hatten die Synodalversammlung in Frankfurt von Donnerstag bis Samstag als Zuhörer ohne Stimmrecht mitverfolgt. (KNA)

14.25 Uhr: Kardinal Woelki übt heftige Kritik an Synodalversammlung

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat heftige Kritik an der ersten Synodalversammlung in Frankfurt geübt. Die hierarchische Ordnung der Kirche werde infrage gestellt, und nicht jede Meinung habe Gehör gefunden, sagte Woelki am Samstag dem kirchlichen Internetportal domradio.de. "Es sind eigentlich alle meine Befürchtungen eingetreten."

Der Kölner Erzbischof sagte, er habe schon im Vorfeld die große Sorge gehabt, "dass hier quasi ein protestantisches Kirchenparlament durch die Art der Verfasstheit und der Konstituierung dieser Veranstaltung implementiert wird". Das sei für ihn "eigentlich auch eingetreten".

"Das hat eigentlich nichts mit dem zu tun, was katholische Kirche ist und meint"

Sowohl in vielen Redebeiträgen als auch etwa beim Einzug zum Gottesdienst in den Frankfurter Dom sei der Eindruck erweckt worden, so Woelki, dass Bischöfe und Laien gleich seien; "und das hat eigentlich nichts mit dem zu tun, was katholische Kirche ist und meint". Die hierarchische Verfasstheit der Kirche sei infrage gestellt worden. "Auch das organische Zueinander von Geweihten und Nichtgeweihten und die Unterschiedlichkeit der Aufgaben, die darin zum Ausdruck kommt, ist in der Tat auch durch die Sitzordnung und durch viele andere kleine Zeichen infrage gestellt und relativiert." Er halte das für "äußerst bedenklich".

Woelki kritisierte zudem, dass bei der Versammlung Macht ausgeübt worden sei, "indem nicht alle Rederecht erhalten haben, die sich gemeldet haben". Auch seien nicht alle vorab schriftlich eingereichten Redeanträge "entsprechend gewürdigt" worden.

Der Kardinal warnte die Synodenversammlung vor einer Überschreitung ihrer Kompetenzen. "Wir sind nicht jetzt 2.000 Jahre danach diejenigen, die die Kirche neu implementieren oder neu erfinden, sondern wir stehen in einer langen Tradition." Es gelte zunächst zu verstehen, was Glaube und Lehre der Kirche sei, um dann die Fragen im Jahr 2020 zu reflektieren und Antworten zu geben. (KNA)

Erzbischof Stefan Heße
Bild: ©Erzbistum Hamburg/Guliani/vonGiese co-o-peration (Archivbild)

Stefan Heße ist seit März 2015 Erzbischof von Hamburg.

13.15 Uhr: Heße und Bätzing fordern andere Sicht auf Homosexualität

Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße hat sich von der geltenden kirchlichen Lehre zur Homosexualität distanziert und neue Wege gefordert. Die Formulierung des katholischen Katechismus, wonach man homosexuellen Menschen mit Respekt begegnen müsse, enthalte eine Perspektive von oben herab und entspreche nicht einer Begegnung auf Augenhöhe, sagte er am Mittag.

Heße kritisierte auch, dass die katholische Kirche bislang homosexuell veranlagten Menschen nahelege, sexuell enthaltsam zu leben. Er wisse aus der Seelsorge, dass es viele gleichgeschlechtlich orientierte Menschen gebe, die in ihrer Partner-Beziehung Werte wie Respekt und Verantwortung lebten. Diesen Menschen müsse die Kirche gerecht werden, forderte Heße unter dem Applaus der Versammlung.

Bätzing: Kluft zwischen geglaubter Lehre und gelebter Sexualität

Auch der Limburger Bischof Georg Bätzing forderte eine Öffnung der katholischen Sexuallehre. Er sprach von einer großen Kluft zwischen gelebten sexuellen Beziehungen und geglaubter Lehre. Die Sexuallehre der Kirche werde eher als Verbotsmoral, denn als echtes Orientierungswissen wahrgenommen. "Wir möchten diesen Graben überbrücken ohne eine Bruch mit der Lehre, aber mit einer Weitung, Öffnung und Veränderung dieser Lehre", sagte Bätzing.

Bätzing hatte den 217 anwesenden Delegierten ein Arbeitspapier für die Reform der katholischen Sexualmoral vorgestellt. Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Sexualität des Menschen aus Psychologie, Soziologie und Anthropologie sollten dabei helfen, die katholische Sexualmoral weiterzuentwickeln, heißt es in dem Arbeitspapier. Die Sichtweise, die Sexualität ausschließlich in der Ehe verortet und auf die Fortpflanzung ausrichtet, müsse erweitert werden um die "vielfältigen sinnbestimmenden Funktionen menschlicher Sexualität".

Zwar werde an einem Eheverständnis festgehalten, das die Ehe als Lebensgemeinschaft von Mann und Frau definiert, doch müsse man anderen Beziehungsformen, in denen Werte wie Liebe, Freundschaft, Verlässlichkeit und Treue gelebt würden, Respekt und moralische Anerkennung entgegengebracht werden - auch unabhängig von der formalen Bindung und der sexuellen Orientierung der Partner, heißt es in dem Papier. Über eine "liturgische Würdigung", also eine Form von Segnung, müsse nachgedacht werden. (mal/KNA/epd)

Bild: ©KNA/Harald Oppitz (Archivbild)

Bischof Franz-Josef Bode bei der Vollversammlung der deutschen Bischöfe in Lingen 2019.

11.00 Uhr: Offene Debatte über priesterliches Leben

Die Synodalversammlung hat sich am Samstagvormittag mit der Frage der priesterlichen Lebensform befasst. Ein zentrales Thema war dabei der Zölibat für Priester und damit verbundene Schwierigkeiten.

Ausgangspunkt waren Überlegungen einer Arbeitsgruppe, die der Münsteraner Bischof Felix Genn und Stephan Buttgereit geleitet hatten. Die Gruppe hatte unter anderem eine Auseinandersetzung mit der Frage der Einsamkeit von Priestern angeregt. Ferner warf sie die Frage auf, ob es neben unverheirateten auch verheiratete Priester geben könne.

Eingaben: Nur knappe Mehrheit für verheiratete Priester

Weiter wurden Ergebnisse der mehr als 5.000 Eingaben vorgetragen, die Katholiken aus ganz Deutschland in den vergangenen Wochen an den Synodalen Weg gemailt hatten. Nur eine knappe Mehrheit der Zuschriften hatte die Zulassung verheirateter Priester gefordert. Sehr viele Katholiken hatten betont, dass sie Priester vermissen, die als Seelsorger erfahrbar seien und sich nicht in Verwaltungsaufgaben und Gremienarbeit aufreiben sollten. Die Themen sexueller Missbrauch und Frauenordination kamen in den Zuschriften nur sehr selten vor.

In der anschließenden Debatte nannte der Erfurter Theologieprofessor Eberhard Tiefensee die oft krisenhafte priesterliche Existenz eine "schwärende Wunde", die sehr genau angeschaut werden müsse, um zu einer Heilung zu kommen. Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode sprach sich dafür aus, künftig den Priestern freizustellen, ob sie ein zölibatäres Leben führen wollten oder nicht.

Der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Prälat Peter Neher, sprach über die gesellschaftliche Außenwahrnehmung von Priestern. Je nach persönlichem Umfeld müssten sie damit leben, dass ihnen eine Affäre zugeschrieben werde oder sie als homosexuell angesehen würden. Träfe beides nicht zu, würden sie als sonderbar beschrieben. (mal/KNA)

 Kreuz und Synodalkerze
Bild: ©KNA/Harald Oppitz

Ein Kreuz und eine Kerze mit dem Logo des Synodalen Wegs beim Gottesdienst zur Eröffnung der Synodalversammlung am 30. Januar 2020 im Frankfurter Dom Sankt Bartholomäus.

10.35 Uhr: Schlusstag beginnt mit Wortgottesfeier

Mit einer von Laien gestalteten Wortgottesfeier im Frankfurter Dom hat am frühen Samstagmorgen der letzte Tag der ersten Synodalversammlung der katholischen Kirche Deutschlands begonnen. Frauen trugen das Evangelium vor und hielten die Ansprache. In den Kirchenbänken saßen viele der rund 230 Delegierten des Synodalen Weges, darunter auch die meisten deutschen Bischöfe. Eine Minderheit von ihnen hatte parallel an einer Eucharistiefeier in einer anderen Frankfurter Kirche teilgenommen.

Vor dem Dom hatten zwölf Frauen der Initiative Maria 2.0 eine Nachtwache abgehalten. Dabei beteten sie unter anderem für eine innerkirchliche Erneuerung und mehr Rechte für Frauen. (KNA)